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WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe , 23.01.2013 :

Kirchenasyl für Aserbaidschanerinnen

Die Lippische Landeskirche schützt eine Familie aus Aserbaidschan vor der Abschiebung. Zwei Frauen und ein achtjähriges Mädchen sind in einem Gemeindehaus in Lage untergebracht. Die ältere der Frauen ist schwer krank. Vorerst akzeptiert der Kreis Lippe das Kirchenasyl. Die Frau leidet unter schwerem Diabetes. Als Folge sind ihre Nieren geschädigt und es mussten mehrere Zehen amputiert werden. Die Diagnose reichte aber nicht für Asyl aus gesundheitlichen Gründen. Die Kirche fürchtet, dass die Frau in Aserbaidschan sterben könnte. Die Familie kann das Gemeinde-Grundstück in Lage nicht verlassen, sonst droht die Abschiebung. Das Mädchen darf aber zur Schule gehen. Die Gemeinde sammelt Spenden für die Familie und kümmert sich um die medizinische Versorgung. Über den Asylantrag soll in zweiter Instanz das Oberverwaltungsgericht Münster entscheiden.

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Lippische Landeskirche, 17.01.2013:

Plötzlich "fremd" / Kirchenasyl: Frauen bereiten sich auf den Weltgebetstag am 1. März vor

Kreis Lippe / Lage. Das Bibelwort im Matthäusevangelium "Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen" ist das Motto des ökumenischen Weltgebetstags, der am Freitag, 1. März, auch in Lippe gefeiert wird. Rund 60 Frauen verschiedener Konfessionen bereiteten sich am Dienstag, 15. Januar, im Gemeindehaus der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Lage auf den Weltgebetstag vor.

Brigitte Fenner, Pfarrerin für Frauenarbeit der Lippischen Landeskirche, die Pfarrerinnen Susanne Tono (Oerlinghausen) und Nicole Bernardy (ev.-methodistische Kirchengemeinde Lage) sowie Annette Wolf gaben theologische Hinweise für die Gestaltung der Gottesdienste. Vor allem aber lenkten sie den Blick auf die Problematik von Migration und Flucht, denn diese beiden Themen bilden den inhaltlichen Schwerpunkt des Weltgebetstags.

In Rollenspielen, in der Beschäftigung mit dem Zitat aus dem Matthäusevangelium und an Hand ihrer eigenen Lebensgeschichten setzten sich die Frauen mit der Frage auseinander, was es bedeutet, Vertrautes zu verlassen und plötzlich "fremd" zu sein.

Ganz unmittelbar und anschaulich wurden die Zusammenhänge von Migration und Flucht sowie Asyl und Gastfreundschaft, als Pfarrer Dieter Bökemeier, Flüchtlingsbeauftragter der Lippischen Landeskirche, und Kirchenvorstandsvorsitzende Ursula Fanenbruck von dem Kirchenasyl berichteten, das die reformierte Gemeinde Lage einer dreiköpfigen Familie aus Aserbaidschan seit Oktober 2012 gewährt.

Mutter, Tochter und Enkelin waren im Dezember 2009 nach Deutschland eingereist und leben seit Jahresanfang 2010 in Lage. Ihr Antrag auf Asyl wurde im Sommer 2012 endgültig abgelehnt. Die Ausländerbehörde des Kreises Lippe verfügte als Ausreise- beziehungsweise Abschiebetag den 25. September 2012. Daraufhin bat die Familie die Kirchengemeinde um Kirchenasyl.

Dieses wurde gewährt aus "humanitären Gründen", wie Dieter Bökemeier und Ursula Fanenbruck jetzt berichteten. Die 53-jährige Großmutter als Familienoberhaupt dürfe nicht nach Aserbaidschan abgeschoben werden, weil dort die medizinische Behandlung ihrer schweren Zuckerkrankheit mit der Folgekrankheit des diabetischen Fußsyndroms nicht gewährleistet sei. Frau Fanenbruck: "Diabetes in Aserbaidschan kann das Todesurteil bedeuten." Das Kirchenasyl wurde zudem der 31-jährigen Tochter und der achtjährigen Enkelin gewährt. Die Tochter müsse ihre Mutter pflegen, weil diese anhaltend von der Gefahr eines "Zuckerschocks" bedroht und die Anwesenheit einer im Notfall helfenden Person notwendig sei.

Pfarrer Bökemeier erläuterte, dass der Einspruch gegen die Abschiebung vom Verwaltungsgericht Minden vor kurzem ohne Anhörung der Beteiligten abgelehnt worden sei. Dagegen werde jetzt Widerspruch beim Oberverwaltungsgericht Münster eingelegt.

Bökemeier betonte, dass im Gegensatz zur deutschen Rechtsprechung die Bibel vielfach dazu aufrufe, "Fremden" die gleichen Rechte wie "Einheimischen" einzuräumen. Darin spiegele sich die Erkenntnis wider, dass Migration etwas Normales und nicht die Ausnahme sei. Konkret sprach sich Bökemeier dafür aus, dass jahrelang in Deutschland geduldete Ausländer ein Daueraufenthaltsrecht erhalten sollten.

Bildunterschrift: Brigitte Fenner, Annette Wolf, Nicole Bernardy und Susanne Tono (von rechts) hatten Dieter Bökemeier und Ursula Fanenbruck eingeladen, um über den Sachstand des aktuellen Lagenser Kirchenasyls zu berichten.

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Lippische Landes-Zeitung, 09.10.2012:

Kirche gewährt Asyl / Familie aus Aserbaidschan sollte bereits im September abgeschoben werden

Von Tobias Schneider

Die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde am Markt gewährt derzeit einer Familie aus Aserbaidschan Kirchenasyl. Sie soll abgeschoben werden, doch die Mutter ist schwer krank.

Lage. Chaver A. (53), ihre Tochter Günei A. (31) und ihre Enkelin Aydan (8) befinden sich seit Samstag auf dem Gemeindegelände, wie einige Unterstützer in einem Pressegespräch mitteilten. "Wir bitten das Ausländeramt, das Kirchenasyl zu respektieren", erklärten sie.

Die drei Aserbaidschanerinnen halten sich ihren Angaben zufolge seit Februar 2010 in Lage auf. Die Asylverfahren seien inzwischen negativ abgeschlossen worden, die Abschiebung sei für September geplant gewesen.

Mit dem Kirchenasyl wollen die Unterstützer zum einen erreichen, dass die Abschiebung von Chaver A. aus gesundheitlichen Gründen nicht stattfinden darf. Ein entsprechendes Gerichtsverfahren sei beim Verwaltungsgericht Minden anhängig. Die 53-Jährige sei schwer an Diabetes erkrankt und leide bereits unter Folgeerkrankungen. Doch in Aserbaidschan gebe es keine angemessene medizinische Versorgung.

Außerdem soll mit dem Kirchenasyl erreicht werden, dass auch Günei A., die Tochter von Chaver A., mit ihrer eigenen Tochter in Deutschland bleiben darf. Günei A. sei Krankenschwester und kümmere sich um die Versorgung der Mutter. Chaver A. brauche die Tochter, um mit ihrer Krankheit im Alltag einigermaßen zu Recht zu kommen, hieß es zur Begründung.

Die Frauen und das Kind werden bis auf weiteres auf dem Kirchengelände leben. Die Kirchengemeinde wisse nicht, wie lange das Kirchenasyl dauern werde, erklärten die Teilnehmer des Pressegesprächs, die namentlich nicht genannt werden wollen. Die Kirchengemeinde sei auf Spenden angewiesen, um die Kosten des Kirchenasyls bezahlen zu können. Es wurde ein Spendenkonto eingerichtet bei der Sparkasse Detmold, Bankleitzahl: 47650130, Spendenkonto: 70012224, Stichwort "Kirchenasyl".

Wer die Familie aus Aserbaidschan unterstützen möchte, erhält weitere Informationen im Gemeindebüro unter Telefon (05232) 3281.

Bildunterschrift: Drei Generationen im Kirchenasyl: Chaver (rechts), Günei (links) und Aydan A. aus Aserbaidschan.


studio.bielefeld@wdr.de

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