Bünder Tageblatt / Neue Westfälische ,
20.10.2004 :
Historische Perlen aus Rödinghausen / Kreisheimatverein bringt Jahrbuch heraus / Spukgeschichten und ein Aufsatz über Kriegsgefangene
Von Tina Gallach
Rödinghausen. Um Mitternacht an einem Hohlweg bei Kilver habe vor vielen Jahren ein großer schwarzer Hund gespukt. Erst nach zahlreichen Hieben eines nächtlichen Spaziergängers sei er in einer alten Eiche verschwunden, wusste Heinrich Uthoff aus Schwenningdorf Ende der 60er Jahre eine plattdeutsche Gruselgeschichte zu erzählen. Der Wanderer war sein Urgroßvater – dessen Nachbar lag nach besagter Nacht sechs Wochen lang "wie geprügelt" im Bett.
Diese und andere Geschichten aus dem Rödinghauser Raum erzählte Uthoff 1966 für eine plattdeutsche Sprachdokumentation auf ein Tonband. Sie alle erscheinen jetzt zusammen mit einem Aufsatz über Kriegsgefangene in Rödinghausen von Dr. Rolf Botzet im "Historischen Jahrbuch 2005 für den Kreis Herford" im Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld.
"Die Erzählungen von Uthoff sind nur ein Beispiel aus 180 Einzeldokumenten, die wir aus dieser Zeit wiedergefunden haben", erklärt Gerd Heining, stellvertretender Vorsitzender des Kreisheimatvereins. Die Aufnahmen waren fast 40 Jahre lang verschwunden, sind eher zufällig wieder aufgetaucht. Gemeinsam mit Erwin Möller, einem ehemaligen Lehrer aus Rödinghausen, hat Heining sich um die Übersetzung der Texte gekümmert.
Möller hat dabei nicht nur übersetzt, er hat die Texte auch im plattdeutschen Original vom Band abgeschrieben. "Die Sprachdokumentationen sind einmalig in ganz Deutschland, die Geschichten für das Heimatbuch die Perlen daraus", so Heining.
Eine historische Perle fiel Rolf Botzet vor einiger Zeit in die Hände. Dem Rödinghausener Gemeinde-Historiker bot ein Händler eine Akte über ein Kriegsgefangenenlager in Rödinghausen an. "Bei diesem Originaldokument habe ich nicht lange gezögert." Auf vergilbtem Papier finden sich darin handschriftlich festgehalten Namen und Daten von französischen Gefangenen von Dezember 1942 bis Juni 1943 – für Botzet Stoff für einen Aufsatz.
"Man kann hier zum Beispiel nachlesen, dass die Gefangenen für ihre Arbeit bei Rödinghausener Bauern 70 Reichspfennig am Tag bekommen haben", erläutert Botzet. Die Bauern haben 80 Pfennig an die Lagerverwalter gezahlt, der Nettolohn wurde weitergegeben. Wachmänner hätten zwei Reichsmark am Tag verdient.
"Von Zeitzeugen habe ich bei der Recherche für meinen Text nur positive Aussagen bekommen", freut sich der Historiker. Die meisten Rödinghausener hätten trotz des strikten Verbots während des Dritten Reiches mit ihren Arbeitern gemeinsam an einem Tisch gegessen. "Die wussten die Arbeitskraft und vor allem die Würde eines Menschen zu schätzen", lautet Botzets Erklärung.
Die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter seien nach dem Krieg zurück in ihre Heimat gegangen, viele seien später zu Besuchen wieder gekommen. "Es hat auch Gegenbesuche von Rödinghausenern bei ihren ehemaligen Helfern gegeben."
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