Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische ,
20.10.2004 :
Wiedersehen mit der Heimat / Die Gütersloher Flüchtlingsfamilie Danho besucht nach 25 Jahren ihr altes Dorf
Von Andreas Püfke
Gütersloh. Für Aziz, Sitto und Meryem Danho ist ein Traum in Erfüllung gegangen. 25 Jahre nach ihrer gewaltsamen Vertreibung aus Südost-Anatolien hat die seither in Gütersloh lebende Familie jetzt erstmals heimatlichen Boden betreten.
Wie die Danhos strömten in den zurückliegenden Wochen Exil-Aramäer aus allen Teilen Europas in die Region, nachdem die türkische Regierung im Bemühen um einen raschen EU-Beitritt das besetzte Dorf Sariköy geräumt hatte (Die NW berichtete).
In den christlichen Dörfern der Gegend und den orthodoxen Klöstern trafen sich entfernte Verwandte und ehemalige Nachbarn, und Sariköy rückte vorübergehend in den Mittelpunkt des internationalen Medieninteresses. "Wir sind jetzt das berühmteste Dorf der Türkei," sagt Meryem, die selbst für ein Kamerateam des ZDF Rede und Antwort stand.
In Anatolien angekommen, mieteten die Danhos zuerst einen Bulli, um ihre alte Heimat neu zu entdecken. Die Orientierung fiel ihnen nicht leicht, weil die meisten der aramäischen Dörfer neue, türkische Namen bekommen haben, mit denen sie heute auf allen Karten verzeichnet sind.
Der Empfang sei überall sehr herzlich gewesen, berichtet Aziz. Im Kloster Sankt Gabriel habe die Familie Quartier bezogen und allerorten sei ihnen die sprichwörtliche orientalische Gastfreundschaft begegnet.
An seinem Haus hat der Kurdistan-Krieg Spuren hinterlassen: Die so genannten "Dorfschützer", die für das Militär die kurdische Untergrundorganisation PKK in Schach hielten, haben einen kleinen Beobachtungsposten auf das Gebäude aufgebaut, aus massivem Stein und mit Schießscharten versehen. Bei der Räumung vor einigen Wochen ist erwartungsgemäß nicht viel übrig geblieben. "Die haben sogar die Strom- und Wasserleitungen ausgegraben", sagt Aziz. Er schüttelt den Kopf und kann sich doch ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen - er hatte Schlimmeres befürchtet.
Die Verhältnisse seien im Vergleich zu früher geradezu "paradiesisch", sagt Meryem und Ihr Vater nickt zustimmend. Früher seien beinahe täglich Schafe und Kühe verschwunden, sagt Aziz, heute hingegen herrsche Ruhe und Ordnung. Erkauft wird die mit der ständigen Präsenz des Militärs, das im wilden Südosten der Türkei auch polizeiliche Aufgaben übernimmt.
Das ist nicht immer gemütlich, wie Meryem am Flughafen von Diyabakir erfahren musste. Nachdem sie die ersten Schritte des Vaters auf heimatlichem Boden fotografieren wollte, habe ihr ein gleichermaßen pflichtbewusster wie humorloser Soldat mit Sturmgewehr erklärt, dass das Fotografieren an militärisch bedeutsamen Orten verboten sei.
An vielen Orten wurden Meryem und ihre Eltern von ihren Gefühlen übermannt. Aziz' schwerster Gang führte an das Grab seines Vaters, der unter dramatischen Umständen auf der Flucht nach Europa starb. Der 58-Jährige spricht nicht gern darüber, auch wenn ihm der Besuch des Friedhofes ein besonderes Herzensanliegen war.
Die Familie ist glücklich, dass ihre Geschichte diese unerwartete Wendung genommen hat. Beim Anblick der Fotos huscht allen immer wieder ein Lächeln durchs Gesicht. An eine endgültige Rückkehr denken sie zwar bei der instabilen Sicherheitslage vorerst nicht, aber Aziz träumt von einer Zukunft seines Elternhauses als Feriendomizil: "Wenn es so bliebe wie es jetzt ist," sagt er, "das wäre schön."
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