Die Glocke ,
19.10.2004 :
Vietnamesen seit 25 Jahren in Beckum / "Boat people" ein Beispiel für geglückte Integration
Beckum (rus). Mit einem feierlichen Dank-Gottesdienst in der Propsteikirche St. Stephanus gedachten die vietnamesischen Bürger ihrer Aufnahme vor 25 Jahren als "Boat People" in der Stadt Beckum. Auf den Tag genau waren sie am 16. Oktober 1979 nach einem einwöchigen Aufenthalt im Lager Unna-Massen in Beckum eingetroffen. Vorausgegangen war eine heimliche und gefährliche Flucht Ende September über das südchinesische Meer, wobei sie ein deutsches Handelsschiff und danach der im selben Jahr eingesetzte deutsche Frachter "Cap Anamur" aus Seenot gerettet haben ("Die Glocke" berichtete ausführlich).
Pfarrer Bruno Suren von St. Martin feierte den Gottesdienst mit den Beckumern und einer großen Anzahl auswärtiger Vietnamesen, mit ihren ehemaligen deutschen Betreuern und vielen weiteren Teilnehmern. Es sei angebracht, nicht nur Rückblick auf die Jahre nach 1979, sondern auch die Zeit davor in der Heimat Vietnam zu halten, gab der Geistliche zu bedenken. Gottes Güte sei an den Geretteten sichtbar geworden, die an der weltumspannenden Gemeinschaft der Kirche als Katholiken in Beckum bald Anschluss gefunden hätten. Da ihr erster Wohnsitz in Beckum am Dalmerweg war, seien sie von Anfang an von der zuständigen St.-Martins-Gemeinde betreut worden und ihr erstes Treffen habe im Pfarrheim St. Martin stattgefunden. Sie seien Fremde, aber Geschwister im Glauben gewesen. Heute wäre ein Gottesdienst ohne sie unvorstellbar, ihr vielfältiges Engagement in den Gemeinden und als Messdiener stelle einen Gewinn für die Pfarreien dar, wofür Pfarrer Suren ihnen dankte. Dass die Integration der vietnamesischen Mitbürger geglückt ist, ohne dass sie ihre Identität aufgaben, bewiesen Gebete, Lesungen und Gesang in ihrer Landessprache. In Gewändern der Heimat brachten junge Frauen und Mädchen mit einem Blumentanz Gaben zum Altar. Junge Vietnamesen begleiteten das kirchliche Fest musikalisch. Pater Huynh Cong Hanh aus Neuenkirchen feierte als Betreuer für die Vietnamesen im Bistum Münster mit Pfarrer Suren die Eucharistie.
Kulturelle Wurzeln in neuer Heimat bewahrt
Mit herzlicher Einladung wurden die Gäste anschließend ins Pfarrheim St. Stephanus gebeten, wo ihnen ein schmackhaftes Mittagessen auf vietnamesische Art gereicht wurde. Dort hieß Martin Nguyen die Gäste willkommen und sprach den zahlreichen ehemaligen und zum Teil noch heutigen Betreuern und Betreuerinnen mit Blumensträußen Dank aus. Der frühere Kaplan von Liebfrauen, Paulus Dinh Dung Phan aus Visbek, der sich besonders als Vermittler zwischen Alt und Jung engagiert hatte, sprach seinen Gruß in deutsch und in der Muttersprache. Weitere, oft ergreifende Grußworte folgten, als Erinnerungen an die Zeit des Einlebens beiderseits aufkamen. Die jugendliche Band stellte wieder die Musik im Pfarrheim und ebenfalls zeigten Jugendliche folkloristische Tänze, die sie von den Eltern übernommen hatten. Nach dem Kaffeetrinken klang das Jubiläumsfest mit flotteren Rhythmen aus, das die vietnamesische Jugend so erfolgreich engagiert für ihre Eltern, Großeltern und Gäste ausgerichtet hat. Die Geschichte der Beckumer Hilfe für die vietnamesischen Flüchtlinge ist übrigens auch ein Stück "Glocke"-Geschichte: Es war seinerzeit Hedwig Markmeier, die, ergriffen von einer Fernsehsendung mit Franz Alt (WDR), die damaligen "Glocke"-Redakteure Michael Thamm und Matthias Fink zu Berichten in der Zeitung über die Not der Flüchtlinge anregte. Die Artikel in der "Beckumer Zeitung" verfehlten ihre Wirkung nicht. Die Stadt Beckum und viele engagierte Bürger reagierten schnell und wirksam, um den notleidenden Menschen zu helfen.
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