Die Glocke ,
07.10.2004 :
Informationsabend "Giraffe" / Nach Vortrag besser über "rechte Szene" informiert
Beelen (sim). "Glatzen", "Springerstiefel", "Schlagstock", "Gewalt", das sind Schlagworte, die gedanklich schnell mit der "rechten Szene" in Verbindung gebracht werden. Dass es aber auch viele andere, wesentlich verborgenere, Zeichen für Gefahr von Rechts gibt, das wurde am Dienstagabend in der Von-Galen-Hauptschule deutlich. Äußerst informativ und gut verständlich stellte Ralf Leifhelm vom Staatsschutz in Münster das Projekt "Giraffe" vor. "Giraffe" ist, wie bereits berichtet, die Abkürzung für das Präventionsprojekt "Gegen Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus, Faschismus, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus". Nicht nur, dass er aus seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz berichtetete, Leifehelm hatte auch zahlreiches Anschauungsmaterial mitgebracht, darunter bestimmte Kleidungsstücke, aber auch konfiszierte Waffen, wie Baseballschläger, Schlagringe und Schreckschuss-pistolen. Auch Fahnen und andere Symbole der Neo-Nazis konnten die Anwesenden eingehend betrachten. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung waren einige Jugendliche, Lehrpersonen der Beelener Schulen, Eltern und andere Interessierte aus der Beelener Bevölkerung, die nach eigenen Aussagen "einfach mehr über die zurzeit feststellbaren rechten Tendenzen in Beelen erfahren" wollten.
Das Präventionsprojekt, erläuterte Ralf Leifhelm eingangs seines Vortrag, sei vom polizeilichen Staatsschutz des Polizeipräsidiums Münster entwickelt worden. Ralf Leifhelm machte deutlich, dass Kinder und Jugendliche, deren Weg "nach rechts" führe, in der Regel nach sozialen Kontakten, Anerkennung und Rückhalt suchten. Aus den verschiedensten Gründen könnten diese Bereiche in ihrer psychosozialen Entwicklung unterrepräsentiert sein. Dabei sei der Neo-Faschismus keine Frage des sozialen Status oder der Bildung. Vielmehr sei es "die Orientierungslosigkeit innerhalb des Identitätsfindungsprozesses, die Jugendliche anfällig und manipulierbar macht". Der Einstieg in die Szene erfolge oft über "rechte Musik", so Leifhelm. Und tatsächlich klang die zur Anschauung vorgespielte Musik nach Lagerfeuer-Romantik, während inhaltlich ganz nebenbei volksverhetzende Botschaften vermittelt wurden. Aber auch Musik mit einhämmernder Wirkung stellte der Beamte vor, und das breite Spektrum der Töne und Texte vermittelte dem Publikum einen Eindruck davon, wie schnell Jugendliche damit "eingefangen" werden können.
Hilfestellung für Eltern
Dass die Zahlen 14, 18, 28 und 88 an den Kleidern rechtsextremen Hintergrund haben, darüber dürfte an diesem Abend so mancher Erwachsene erstaunt gewesen sein. Aber auch das Vorstellen anderer Symbole war sicherlich hilfreich, um in Zukunft zu erkennen, ob Kinder und Jugendliche von rechtsradikalen Gruppierungen beeinflusst werden. Der Referent machte deutlich, dass die Musikvorlieben, die Computerspiele, DVDs und Videos, die Poster und Fahnen in den Jugendzimmern, durchaus einer genaueren Betrachtung durch die Erziehungsberechtigten wert sein können.
Angesichts unübersehbarer, zunehmender rechtsradikaler Tendenzen, insbesondere auch an weiterführenden Schulen, sollen Leifhelms Tipps als Hilfe für konkrete Beobachtungen im Alltag dienen. Auch der starke Alkoholkonsum in der Neo-Naziszene wurde von Ralf Leifhelm erwähnt. Er zeigte auf, dass auch in diesem Bereich die Eltern sicherlich auf die Gewohnheiten ihres Nachwuchses achten sollten. Dass hier Zivilcourage nötig sei, und Alkoholkonsum von Jugendlichen den Behörden gemeldet werden sollte, verstehe sich, so Leifhelm, von selbst, besonders dann, wenn das Suchtmittel an Minderjährige verkauft werde. Rechte Gesinnung werde nicht erst bei Brandanschlägen deutlich. Sie beginne bereits bei abfälligen Äußerungen und Witzen über vermeintlich "andere" Menschen. Mit auf den Heimweg gab Ralf Leifhelm den Anwesenden einen wichtigen Satz von Albert Einstein: "Die Welt wird nicht von Menschen bedroht, die böse sind, sondern von solchen, die das Böse zulassen." Ausreichend Aspekte, das Böse von der rechten Seite auch in Beelen zu erkennen und zu verhindern, wurden an diesem Abend allen Anwesenden zur Verfügung gestellt. Interessenten, die sich weiter informieren möchten, können die Informationsschrift "Musik, Mode, Markenzeichen" beim Landesinnenministerium telefonisch anfordern. Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Telefon 0211 / 8712821.
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