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Dewezet , 02.10.2004 :

Streit um Grußwort für die Ritterkreuzträger / SPD-Landrat Heißmeyer von der eigenen Partei kritisiert / Im Oktober Bundestreffen in Hameln

Hameln (ni). Die "Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger" hat sich für ihr 50. Bundestreffen am 15. Oktober die Stadt Hameln ausgesucht. Während Oberbürgermeister Klaus Arnecke die Bitte der alten Kameraden um ein Grußwort für ihre Festschrift abgelehnt hat, ist Landrat Karl Heißmeyer (SPD) dem Anliegen nachgekommen. Bei seinen Parteikollegen hat das Befremden ausgelöst.

In der Ordensgemeinschaft (OdR) findet sich "eine brisante Mischung aus unbedarft Tapferen, Unbelehrbaren und Rechtsradikalen", charakterisierte der "Spiegel" vor einigen Jahren die 1955 gegründete Vereinigung aus hochdekorierten Angehörigen der Wehrmacht und Waffen-SS. 1999 untersagte der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) der Bundeswehr jeden dienstlichen Kontakt zur OdR und ihren Unterorganisationen. Scharping erklärte, der Verein werde von Leuten geführt, "die sehr nahe am Rechtsradikalismus sind, zum Teil direkt drin".

Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Orden "für besondere Tapferkeit vor dem Feind und für hervorragende Verdienste in der Truppenführung" 7318 Mal verliehen, darunter 438 Mal an Angehörige der Waffen-SS. Zu den auszeichnungswürdigen "Heldentaten" gehörte auch die Beteiligung an der Niederschlagung des Aufstandes im Warschauer Ghetto mit tausenden Toten. Zu den Ordensträgern zählt auch der als "Schlächter von Katyn" berüchtigt gewordene SS-General Dr. Oskar Dirlewanger. Weit über die Hälfte der Ritterkreuzträger "sind gefallen, vermisst, in Gefangenschaft gekommen, hingerichtet worden oder gestorben", schreibt die Ordensgemeinschaft und leitet daraus "die besondere Verpflichtung" der Überlebenden ab, "den ethischen, soldatischen Inhalt und Wert der hohen Auszeichnung zu pflegen und zu erhalten", sich zu den "unwandelbaren soldatischen Tugenden" zu bekennen, "für die Rechte und Ziele echten Soldatentums und das Ansehen der gefallen Kameraden" einzutreten.

"Wir stehen auf dem Boden einer demokratischen Staatsordnung", heißt es in den Leitsätzen zwar auch, aber politische Einsichten und die Erkenntnis, dass der Zweite Weltkrieg verbrecherisch war und die Soldaten der Wehrmacht für die falschen Ideale kämpften, sucht man darin vergebens. Dafür beklagte das vereinseigene Blättchen "Das Ritterkreuz" noch Ende der 90er Jahre die "Umerziehung" der
Bundesbürger. Neben kriegsverherrlichenden Frontberichten war immer noch von "polnisch besetzten Gebieten" die Rede.

Zwar schrumpft die Zahl der Ordensträger in der OdR von Jahr zu Jahr, doch füllen hinterbliebene Namensträger verstorbener Veteranen, Witwen, Waisen und Sympathisanten der jüngeren Genera tion die Reihen wieder auf. Für die Veranstaltung im Hamelner Weserbergland-Zentrum wurden 300 Personen angemeldet. Ihnen gilt das Grußwort, das Landrat Karl Heißmeyer, pensionierter Offizier der Bundeswehr, überzeugter Sozialdemokrat und Gegner braunen Gedankengutes, im Namen des Landkreises geschrieben hat. "Viele dieser für Tapferkeit ausgezeichneten Soldaten waren später Mitglieder der Bundeswehr, des politischen und gesellschaftlichen Lebens und spielten eine entscheiden de Rolle im Wirtschaftsleben – alle waren von einem verbrecherischen Regime missbraucht", heißt es. Und das Tragen dieses Ordens bedeute nicht, "dass der ausgezeichnete Soldat ein glühender Nationalsozialist war, sondern nur, dass er ein tapferer Soldat im Dienste seines Vaterlandes war".

Aber trägt einer, der wirklich begriffen hat, dass er einem verbrecherischen Regime gedient hat, heute noch diesen Orden – mit Stolz? Kann man die Politik vom militärischen Handwerk abspalten? Heißmeyer bejaht das: "Ich werte das Kreuz nur als soldatische Leistung und nicht in Verbindung mit dem verbrecherischen Regime. Das ist vielleicht meine schwache soldatische Seite." Er akzeptiere aber ebenso die Überzeugung derjenigen, "die es für unangebracht halten, dieses Kreuz heute noch zu zeigen". Zu denen gehört der Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion Ulrich Watermann. Er hätte sich "in diesem sensiblen Fall" gewünscht, die Frage des Grußworts wäre im Kreisausschuss erörtert worden. "Wir hätten mit Sicherheit nicht zugestimmt."

Auch der schon gewählte, aber noch nicht amtierende hauptamtliche Landrat Rüdiger Butte hätte "das Grußwort nicht geschrieben". Er verurteile keinen Wehrmachtssoldaten, der "in Fehleinschätzung der damaligen Situation" vielleicht sogar mit Begeisterung und aus Überzeugung gekämpft habe. Aber er erwarte von allen, dass sie "in der geschichtlichen Nachbetrachtung erkennen, dass sie fehlgeleitet waren und sich eindeutig distanzieren". Diese Eindeutigkeit sehe er bei der Ordensgemeinschaft nicht.

Das Grußwort ist "raus", das Thema für die SPD aber noch nicht erledigt. Bei der Fraktionssitzung am Montag kommt es auf die Tagesordnung. Möglicherweise wird Heißmeyer dann gebeten, wenigstens auf die persönliche Begrüßung der Ordensgemeinschaft zu verzichten. Eine Rede hat der Landrat schon vorbereitet – eine, "in der ich nichts glorifiziere, in der ich mich kritisch äußere und die einigen der Zuhörern vielleicht auch nicht gefällt".

02./03.10.2004
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