Schaumburger Zeitung ,
07.07.2012 :
Ein offener Schlag ins demokratische Gesicht
Rehren (rnk). Mieser geht es nicht: Drei Nazi-Schmierereinen verunstalten die Autobahnbrücke - und wurde somit dort angesprüht, wo in den letzten Kriegstagen ein Nazi-Terrorkommando den Rehrener Gastwirt Wilhelm Schlüter standrechtlich erschoss, weil er sich abfällig über Hitler geäußert hatte.
"Fuck the System", "Volkstod stoppen" und "Frei, Sozial, National" - es sind die bekannten unsäglichen Sprüche, die sich seit Jahr und Tag durch den Landkreis ziehen und zuletzt in Obernkirchen Polizei und Staatsschutz auf den Plan riefen.
Beim zuständigen Staatsschutzkommissariat in Nienburg sind die Schmierereien an der Autobahnbrücke (noch) nicht aktenkundig, erklärte Polizeisprecherin Gabriele Mielke auf Anfrage unser Zeitung: Solche Slogans seien aber "nur" eine Sachbeschädigung und kein Straftatbestand, trotzdem würden diese Strafanzeige und dann folgende Ermittlungsvorgänge beim Staatsschutz Nienburg bearbeitet.
Das Fachkommissariat Staatsschutz werde sich mit der Polizei Rehren in Verbindung setzen, erklärte Gabriele Mielke, gegebenenfalls sei da bereits eine Anzeige gefertigt worden und sie befinde sich auf dem Postweg.
Eine andere Möglichkeit: Oder aber die Autobahnbrücke fällt in den Zuständigkeitsbereich der Polizei Hannover - das würden die Kollegen abklären, sagte die Polizeisprecherin.
Ein generelles Problem mit Rechten im Auetal gibt es nicht, erklärte Mielke: Den Staatsschützern sind zwei männliche Personen im Alter von 17 und 18 Jahren als "rechts motiviert" bekannt. Beide seien aber keine Problemfälle, so Mielke.
Als offener Schlag ins demokratische Gesicht kann der Ort der Schmierereien gewertet werden, denn die Autobahnbrücke wurde wohl nicht nur verunziert, weil sich dort so schöne große Flächen finden, sondern weil es ein historischer Ort ist, an dem sich in den letzten Kriegstagen eine persönliche Katastrophe ereignete. Der Wirt der Rehrener Gastwirtschaft "Zum Auetal", Wilhelm Schlüter, äußerte sich am 3. April 1945 gegenüber Angehörigen der auf dem Rückzug befindlichen 116. Panzerdivision in seinem Lokal abfällig über das nationalsozialistische Regime: Man hätte auf die Männer des 20. Juli 1944 hören sollen, dann wäre der Bevölkerung vieles erspart geblieben, so äußerte sich Schlüter. Daraufhin verurteilte ihn ein Standgericht zum Tode. Er wurde einen Tag später unter die Autobahnbrücke geführt und dort erschossen. Der Gedenkstein für Schlüter unter der Autobahnbrücke mit einem daneben aufgemalten großen Kreuz wurde auf Veranlassung eines Rehrener Bürgers geschaffen. Erinnert wird damit auch an eine Zeit, in der der Krieg längst verloren war und der Einmarsch der Alliierten nur eine Frage von Wochen und Tagen war. In Deutschland wüteten Denunziantentum und Blutjustiz, jede Form der Auflehnung war lebensgefährlich. Je mehr die Kontrolle schwand, desto brutaler reagierte der Terrorapparat, ein Regime verbreitete Angst und Schrecken und versuchte, das eigene Volk mit in den Untergang zu reißen.
Man kann die Spur der Schmierereien gut verfolgen, denn sie beginnen in Bernsen, an der dortigen Autobahnbrücke: "Die Demokraten bringen uns den Volkstod", ist dort zu lesen, anschließend zogen die rechten Zecken in Richtung Rehren, um auf halbem Wege in Höhe Bernsen auf der Schallschutzmauer der Autobahn noch einmal "Volkstod stoppen" zu schmieren.
Und so kann für die Autobahn-Schmierereien und auch das Auetal gelten, was Felix Imfeld als Sprecher der Kampagne gegen Nazi-Strukturen in und um Bückeburg bereits Anfang Mai als Einschätzung vortrug: "Die Schaumburger Neonazi-Szene ist in den vergangenen Wochen so offensiv in die Öffentlichkeit gedrängt wie seit Jahren nicht mehr. Das ist ein deutliches Zeichen für ein Selbstbewusstsein, das sie im Landkreis leider nicht ohne Grund an den Tag legen können. Mit der Besetzung öffentlichen Raumes wollen die Neonazis einen Machtanspruch an die Bevölkerung signalisieren. Nach dem Motto: "Wir fühlen uns sicher auf Schaumburgs Straßen und ihr könnt überhaupt nichts gegen uns machen!""
Wie geht es weiter? Olaf Humke vom Ordnungsamt der Gemeinde will Kontakt mit der Autobahnmeisterei aufnehmen, denn offiziell ist sie für die A 2 zuständig. Und dazu gehören auch die Bauwerke wie die Brücke in Rehren oder die Schallschutzwände und auch deren Rückseite.
Aktenkundig ist der Vorfall jetzt auch: Wie Polizeisprecherin Mielke mitteilte, habe sich der zuständige Kollege aus Rehren der Sache angenommen. Von einem Tatzusammenhang zwischen den drei Parolen in Rehren ist auszugehen, Tatzeit dürfte die Nacht vom Sonntag, 1. Juli, auf Montag, 2. Juli, gewesen sein. Und: Es gebe keine Täterhinweise. Die Strafanzeige werde in Rehren gefertigt und dem Staatsschutz Nienburg zur weiteren Sachbearbeitung übersandt.
In die täglichen Pressemitteilungen schafften es die Schmierereien in Rehren gestern auch. Unter der Überschrift "Sachbeschädigung durch Graffiti" teilte die Polizei Rinteln mit, dass in der Zeit von Freitag, 29. Juni, 0 Uhr bis Donnerstag, 5. Juli, 8 Uhr, bislang unbekannte Täter im Auetal auf der Bundesautobahnbrücke, Steinkamp / Zur Obersburg im Bereich des Pendlerparkplatzes mit schwarzer Farbe die Wände der Brücke besprühten. Der Sachschaden betrage etwa 250 Euro.
Zum rechtsradikalen Hintergrund: Nicht ein Wort.
Zeugen werden gebeten, sich mit der Polizei Rehren in Verbindung zu setzen: (05752) 1290.
Bildunterschrift: Die Spur der Schmierereien: Ganz oben lässt sich lesen, was unter der Bernser Autobahnbrücke prangt, die drei anderen Schmierereien finden sich an der Rehrener Brücke – dort, wo eine Tafel an den dort erschossenen Gastwirt erinnert.
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copyandpaste.blogsport.de - Kampagne gegen Nazi-Strukturen in und um Bückeburg, 20.05.2012:
Nazi-Aufmarsch und Kundgebungen in Schaumburg
Pressemitteilung der Kampagne Copy and Paste - Gegen Nazi-Strukturen in und um Bückeburg zum neonazistischen Aufmarsch in Obernkirchen am 1. Mai
In den letzten Wochen ist es, parallel zu verschiedenen Sachbeschädigungsdelikten, zu mehreren neonazistischen Demonstrationsaktionen im Schaumburger Land und angrenzenden Landkreisen gekommen. Sowohl am 24. März als auch am 14. April verteilten AnhängerInnen der "Nationalen Sozialisten Bückeburg", unterstützt von Mitgliedern weiterer regionaler Kameradschaften, Flyer in der Bückeburger Innenstadt. Bei letzterer Versammlung handelte es sich um eine spontan angemeldete Kundgebung auf dem Bückeburger Marktplatz. Sie war eingebettet in einem länderübergreifenden "Aktionstag", bei dem vergleichbare Aktionen in Hameln, Detmold und Porta Westfalica zum Teil durch die Polizei unterbunden wurden.
In Bückeburg folgte am selben Tag eine kurzfristig organisierte Protestaktion der Autonomen Antifa Bückeburg.
Am Vorabend des 1. Mai, an dem wie auch in den vergangenen Jahren bundesweit hunderte Neonazis in verschiedenen Städten aufmarschierten, liefen bei einer Vorfeldaktion rund 35 Personen aus dem Spektrum der hiesigen Kameradschafts-Szene durch Obernkirchen.
An der Spitze des offensichtlich unangemeldeten Demonstrationszuges wurde ein Banner des "Infoportals Bückeburg" getragen - jenem Label, unter dem die "Nationalen Sozialisten" im Landkreis zur Zeit an die Öffentlichkeit treten. Rund eine halbe Stunde, von 00.30 Uhr bis 01.00 Uhr, marschierten die Neonazis ungestört durch die Kleinstadt.
Aussagen von BeobachterInnen der Szene zufolge, hatte sich bereits am späten Abend eine beträchtliche Anzahl von SympathisantInnen der "Nationalen Sozialisten" zunächst in Bad Eilsen und dann in Bückeburg aufgehalten. Die Personen mit einschlägigen Szene-Erkennungszeichen sowie bekannte Neonazis aus anliegenden Landkreisen hatten gegen 22.30 Uhr die Stadt mit mehreren Autos verlassen. Die Fahrzeuge waren neben dem Landkreis Schaumburg in Hameln, Minden und Hildesheim gemeldet, den Regionen, in denen die hiesige Nazi-Szene in den vergangenen Jahren ihr braunes Netzwerk ausgebaut hat.
Bereits am folgenden Abend zeigten sich die Neonazis in Obernkirchen erneut selbstbewusst. Aus den Fenstern einer seit einigen Wochen bestehenden neonazistischen Wohngemeinschaft in der Rintelner Straße 86 hängten sie nach außen deutlich sichtbar Reichskriegsflaggen und ein politisches Transparent.
Kampagnensprecher Felix Imfeld: "Die Schaumburger Neonazi-Szene ist in den vergangenen Wochen so offensiv in die Öffentlichkeit gedrängt wie seit Jahren nicht mehr. Das ist ein deutliches Zeichen für ein Selbstbewusstsein, das sie im Landkreis leider nicht ohne Grund an den Tag legen können.
Vieles deutet darauf hin, dass die braune Kameradschafts-Szene nach einer massiven Gewalt- und Einschüchterungskampagne nun so etwas wie die "Phase 2" einleitet.
Mit der Besetzung öffentlichen Raumes wollen die Neonazis einen Machtanspruch an die Bevölkerung signalisieren. Nach dem Motto "Wir fühlen uns sicher auf Schaumburgs Straßen und ihr könnt überhaupt nichts gegen uns machen!"
Doch auch wenn die "Nationalen Sozialisten" inzwischen mehr Wert auf politische Agitation zu legen scheinen, möchten wir darauf hinweisen, dass dies kein Ende der Gewalt bedeutet. Ende April kam es erneut zu einer Anschlagsserie, bei der neben dem Briefkasten der Grünen unter anderem auch ein PKW massiv beschädigt wurde."
07./08.07.2012
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