Neue Westfälische 01 - Bielefeld West ,
08.05.2012 :
Beeindruckende Zeichen / Vielfältige Aktionen gegen Fremdenhass und für ein friedfertiges Miteinander in Brackweder Schulen und anderswo
Von Susanne Lahr, Christine Panhorst und Thomas Kopsieker
Brackwede. Mit symbolischen Aktionen haben sich gestern Vormittag die Brackweder Schulen gegen Fremdenhass und Islamfeindlichkeit gestemmt. Die meisten Veranstaltungen fanden auf den jeweiligen Schulhöfen statt. Vergleichsweise wenige Schüler und Lehrer wagten nach den gewaltsamen Ausschreitungen während einer Demonstration der rechtsextremen Organisation pro NRW in Bonn am Wochenende den Gang vor die Vatan-Moschee.
Dort, an der Windelsbleicher Straße, haben gerade mal 14 pro NRW-Leute ihren Stand aufgebaut, sehen sich bis zu 800 Gegendemonstranten gegenüber (siehe Lokalseite 3 und nw-news.de). Noch um eine vielfaches größer ist zusammengenommen der Protest gegen die Rechtspartei an den Schulen. Eindrucksvoll ist das Peace-Zeichen der Realschüler und ihrer Lehrer an der Kölner Straße. Die rund 460 Menschen beleben das universelle Friedenszeichen, indem sie mit Blättern in den Schulfarben Rot, Gelb und Grün winken.
"Das friedliche Zusammenleben ist eines der wichtigsten Ziele unserer Schule." Das hat Schulleiterin Annette Bondzio-Abbit zuvor in der Schulvollversammlung noch einmal betont. Kollege Uwe Mühlenmeier hebt die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit hervor. "Alle Religionen haben ein gemeinsames Ziel: den Frieden auf Erden."
Die Zehntklässler Ahmed Hammoud und Burak Özkan finden, dass die Peace-Aktion das Zusammenleben an der Schule und in Brackwede stärkt. "Und es zeigt den pro NRW-Leuten, dass es so nicht geht", sagt Ahmed. Enis Azemaj betont, dass er sehr stark zu seiner Religion steht. "Ich finde es sehr gut, dass sich so viele Menschen dafür einsetzen, dass wir uns gut fühlen können." Vor der Moschee wollen die drei aber nicht protestieren. "Die Rechten sollten eigentlich gar keine Aufmerksamkeit bekommen", meint Realschüler Burak.
Als Gemeinschaft ein symbolischen Zeichen setzen wollen auch die Gymnasiasten. Schulleiter Dr. Andreas Siekmann, Schulleiter hat deshalb Schüler und Lehrer dazu aufgerufen, in der großen Pause zusammen einen großen Menschenkreis zu bilden. "Na ja, der war eher eiförmig", meint Siekmann und lacht. Rund 150 Schüler mit Migrationshintergrund besuchen das Gymnasium. Kamil Koç, Schüler der Jahrgangsstufe 11, kommt gebürtig aus Polen und meint: "Sollen die Rechten doch ihre Parolen machen, aber vor der Moschee muss das nicht sein." "Das provoziert doch nur", stimmt ihm Mitschüler Kamil Güzelay zu. Kamil demonstriert heute selbst nicht mit, eine Klausur steht an - Bio. Deshalb fände auch keine zentrale Veranstaltung in der Aula statt, erklärt Siekmann. "Dabei kann kein Schüler Abitur schreiben."
Ein "Land der Buntgemischten" feiern unterdessen die Grundschüler der Südschule mit Klaus Hoffmanns "Lied vom Anderssein". Da rufen die einfarbig "Grüngestreiften" den fremden "Blaukarierten" zunächst noch zu "Der passt zu uns doch nicht!" Aber bei den Buntgemischten ist dann jeder neue, auffrischende Farbtupfer willkommen. Die Farben als Symbole für das Anderssein sind für die Kinder greifbar. "Das Lied vermittelt kindgerecht, wie wichtig Toleranz und Respekt jeder und jedem gegenüber sind", sagt Lehrerin Monika Haupt.
Auf dem Schulhof der Vogelruthschule bilden die Grundschüler die Buchstaben ihres Schulnamens nach und winken dabei mit bunten Länderfähnchen. Leiterin Bettina Dopheide betont, dass die Aktion der Rechtspartei kein Thema im Unterricht war. "Uns ist wichtig, den Kindern die kulturelle Vielfalt und das friedliche Miteinander nahezubringen." So wie in der just zu Ende gegangenen Projektwoche zum Thema "Kinder in aller Welt" und jetzt beim Basteln der Fahnen.
Während die Marktschule mit ihren Schülern in den Klassen Ausländerfeindlichkeit und religiöse Intoleranz thematisiert, hat die Gesamtschule Brackwede eigentlich geschlossen mit dem 8. Jahrgang und einzelnen Kursen höherer Jahrgangsstufen an der Gegendemonstration vor der Vatan-Moschee teilnehmen wollen. "Aber nachdem ich von den Ausschreitungen in Bonn gehört habe", sagt Leiterin Veronika Rosenbohm, "war mir das zu heikel". Es brauche ja nur einen Funken, und das Pulverfass fliege in die Luft. Lediglich ein Kursus mit volljährigen Schülern hat sich dann noch auf den Weg gemacht.
Carolin Sonnenburg von der Gesamtschule Rosenhöhe steckt zur Zeit mitten im Abitur. Das hält die 19-Jährige indes nicht davon ab, an der Demonstration vor der Vatan-Moschee teilzunehmen. "Es ist eine Unverschämtheit von dieser Partei, hier gegen friedliche Menschen zu demonstrieren, nur weil die eine andere Religion haben", sagt sie. Insgesamt nehmen rund 100 Schülerinnen und Schüler und auch einige Lehrer der Gesamtschule Rosenhöhe an der Solidaritätskundgebung teil.
Bildunterschrift: Das universelle Friedenszeichen: Schüler und Lehrer der Realschule stellen zu dem Zeitpunkt, als die pro NRW-Vertreter vor der Vatan-Moschee provozieren, als Protest gegen die Rechtspartei das Peace-Zeichen auf dem Schulhof nach.
Bildunterschrift: Protestzug: Etwa 100 Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule Rosenhöhe gehen gemeinsam zur Vatan-Moschee.
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