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Nachrichten - Bielefeld: Staatsschutz ein Fall für den "Bund der Steuerzahler"? , 15.12.2011 :

Tages-Chronologie von Donnerstag, 15. Dezember 2011

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www.hiergeblieben.de - Zusammenfassung - Donnerstag, 15. Dezember 2011:


Heute wurde der Förderpreis für besonderes ehrenamtliches Engagement der Stadt Petershagen an die Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen e.V. verliehen.

Am 13. Dezember luden das Kreismuseum Wewelsburg, die Dokumentationsstätte Stalag 326 Senne und der Verein Gedenktag 2. April in Wewelsburg zu einem Themenabend "Rechtsextremismus" ein.

Am 14. Dezember 2011 erhöhte der Polizeiliche Staatsschutz für OWL seine bisherige Einschätzung der Anzahl "Rechtsextremer" im Regierungsbezirk Detmold um 30 auf etwa 230 Personen.

Am 14. Dezember 2011 hat das Polizeipräsidium Bielefeld an Sven Skoda eine Änderungsverfügung für die von ihm für Heiligabend 2011 angemeldete Neonazi-Demonstration versendet.

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Petershagen: Auszeichnung für die Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge

Heute, am 15. Dezember 2011, wurde der Förderpreis für besonderes ehrenamtliches Engagement der Stadt Petershagen an die Arbeitsgemeinschaft Alte Synagoge Petershagen e.V. verliehen.

Seit 2003 bewahrt der Verein als Informations- und Dokumentationszentrum das Gedenken an die in der Zeit des Nationalsozialismus ausgelöschte Jüdische Gemeinde Petershagen.

Dauerausstellung über jüdische Geschichte

Die Arbeitsgemeinschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Ensemble aus ehemaliger Synagoge, jüdischer Schule und Mikwe in der Petershäger Altstadt zu erhalten, die jüdische Geschichte der Region in einer Dauerausstellung, aber auch durch begleitende Wechselausstellungen sowie kulturelle Veranstaltungen den Besuchenden näher zu bringen.

Führungen und Stadtrundgänge

Die Dauerausstellung im Informations- und Dokumentationszentrum ist sonntags von 16.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Auf Wunsch werden auch Führungen und Vorträge für Gruppen und Schulklassen in Verbindung mit Stadtrundgängen angeboten.

Informationen im Internet: www.synagoge-petershagen.de

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Ostwestfalen-Lippe / Wewelsburg: Themenabend "Rechtsextremismus 2.0"

Am 13. Dezember 2011 luden das Kreismuseum Wewelsburg, die Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) Senne und der Verein Gedenktag 2. April in Wewelsburg (Verein wider das Vergessen und für Demokratie e.V.) zu einem Themenabend "Rechtsextremismus 2.0" ein. Darüber berichtet heute, am 15. Dezember 2011, die Neue Westfälische.

Woran erkennt man Rechtsextremismus? Wie kann er wirksam und nachhaltig bekämpft werden? Das Kreismuseum Wewelsburg setzte mit dem Themenabend "Rechtsextremismus 2.0" auf Aufklärung und Vorbeugung.

Die rechte Szene in Ostwestfalen-Lippe

Nach der Begrüßung durch die Museumsleiterin Kirsten John-Stucke referierte der Historiker Dr. Karsten Wilke über die aktuellen Entwicklungen des Rechtsextremismus in Ostwestfalen-Lippe. Dipl.- Sozialpädagoge und Autor Jan Raabe gab im Anschluss unter dem Titel "Rechtsrock: Auch böse Menschen haben Lieder!" und in einem Anschlussvortrag Einblicke in die Szene.

Der ehemalige museumspädagogische Mitarbeiter des Kreismuseums Wewelburg, Dr. Karsten Wilke, ist heute Bildungsreferent beim AKE-Bildungswerk in Vlotho. Wilke führt Präventivprogramme für die mobile Beratung gegen Rechts durch. Er weiß: Die rechtsextreme Bewegung in Deutschland ist vielschichtig. Um 18.15 Uhr beleuchtete er den "Rechtsextremismus in OWL".

Lifestyle, Symbole und Codes von neonazistischen und extrem rechten Gruppen

Ihre Aktivisten setzen bei der Rekrutierung auf Musik, lebensnahe Themen und Symbole. Zunehmend verbreiten sie ihre Hassbotschaften auch über die sozialen Netzwerke. Jan Raabe vom Verein "Argumente und Kultur gegen rechts" aus Bielefeld berichtete darüber in zwei Vorträgen. Der Autor von Beiträgen zur extrem Rechten und zur rechten Jugendkultur berichtete am Themenabend zunächst über Rechtsrock und informierte im Anschluss unter dem Titel "Lifestyle, Symbole und Codes von neonazistischen und extrem rechten Gruppen" über die Szene.

"Schwarze Sonne"

So ist auch das Sonnenrad-Symbol, das sich als Marmorintarsie im Fußboden des Obergruppenführersaals im Nordturm der Wewelsburg befindet, von besonderem Interesse für Anhänger der rechten Szene. Von ihnen als "Schwarze Sonne" bezeichnet, nutzen sie es als Erkennungszeichen für ihre Weltanschauung. Für das Kreismuseum Wewelsburg war das ein Grund mehr, sich mit der Entwicklung der rechten Szene auseinanderzusetzen und seinen Beitrag im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu leisten. Die Veranstaltung begann um 18.00 Uhr im Burgsaal der Wewelsburg und dauerte bis 21.00 Uhr.

Informationen im Internet: www.wewelsburg.de.

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Ostwestfalen-Lippe / Bielefeld: Von neonazistischen "Mitläufern" und "losen Strukturen"

Am 14. Dezember 2011 erhöhte der Polizeiliche Staatsschutz für Ostwestfalen-Lippe seine bisherige Einschätzung der Anzahl "Rechtsextremer" im Regierungsbezirk Detmold um 30 auf etwa 230 Personen. Darüber berichtet heute, am 15. Dezember 2011, das Westfalen-Blatt.

Neonazistische "Mitläufer"?

"150 sind Mitläufer, 50 sind aktiv und 30 zählen zu den äußerst aktiven, auch gewaltbereiten Szene", so Polizeipräsident Erwin Südfeld, der auch die Existenz von "Freien Kameradschaften" bestritt und allenfalls "lose Strukturen" erkennen will. Weiterhin sei es schwer, mit den neonazistischen Aktivitäten im Internet Schritt zu halten.

Keine Verbindung in den Landkreis Schaumburg?

Außerdem seien mehr als zehn Beamte des Staatsschutzes an den Ermittlungen beteiligt gewesen, um Querverbindungen der Zwickauer Terrorzelle nach Ostwestfalen-Lippe zu prüfen. Bislang seien laut Südfeld jedoch keine Kontakte aufgetaucht.

Die Realität sieht anders aus

Regionale antifaschistische Initiativen gehen nach ihren Recherchen übereinstimmend von über 300 militanten Neonazis in OWL mit steigender Tendenz aus; in Städten und im ländlichen Raum existiert ein verfestigtes Netzwerk von "Kameradschaften", welche die Straßenpolitik prägen und über eine politisierte Lebenswelt junge Menschen an den organisierten Neonazismus heranführen. Die sich den "Autonomen Nationalisten" zurechenden "Kameradschaften" sind wiederum vernetzt - bis in das nördliche Niedersachsen und in das Ruhrgebiet.

Keinen wirklichen Einblick in die Szene

Wer im Zusammenhang mit diesen Organisationsstrukturen von "Mitläufern" spricht und bei der per se gewalttätigen neonazistischen Ideologie von einer "auch gewaltbereiten Szene" schwadroniert, hat keinen wirklichen Einblick in die braune Lebenswelt in OWL oder verharmlost aus politischen Gründen ihren Einfluss und ihre Gefährlichkeit. In Bielefeld trifft erfahrungsgemäß beides zu.

Keine Zeit zu surfen?

Nur als außerordentlich peinlich ist es zu bezeichnen, es sei schwer die überschaubaren regionalen neonazistischen Internet-Seiten im Blick zu behalten.

Schon von gehört? - "Nationale Offensive Schaumburg"

Und: wenn mehr als 10 Beamte nicht in der Lage sind, polizei- und gerichtsbekannte Kontakte des am 13. November 2011 inhaftierten Holger Gerlach (1) aus Lauenau im Landkreis Schaumburg in das ostwestfälische Minden aufzuspüren, ist die Versuchung groß, den reaktionären "Bund der Steuerzahler" auf die Bielefelder Behörde aufmerksam zu machen. Und in diesem Zusammenhang beispielsweise auch einmal auf den Großeinsatz bei einer kriminalisierenden Observation der "Abteilung links" bei einer Demonstration für das Bleiberecht von Flüchtlingen in Bielefeld, oder dem "Übersehen" eines Hitlergrußes auf einer Kundgebung in Detmold ... usw.

Verbotene Vereine sind weiterhin tätig

Übrigens, wer es noch nicht weiß: Erkenntnisse über die ungeniert aktiven Nachfolgestrukturen der verbotenen Vereine "Collegium Humanum" und "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) liegen in Bielefeld auch nicht vor. Aber dies nur am Rande.

Es bleibt bei der alten Weisheit: Der Feind steht links und auf dem rechten Auge sind wir blind. Es ist an der Zeit, der organisierten behördlichen Verharmlosung aus Bielefeld deutlicher als bisher zu widersprechen und eine aufklärende Öffentlichkeitsarbeit über die neonazistischen Strukturen im Regierungsbezirk Detmold voranzutreiben.

(1) Bad Nenndorf ist bunt - Bündnis gegen Rechtsextremismus, 10.12.2011: Fragen an Innenminister Uwe Schünemann und Verfassungsschutzpräsident Hans-Werner Wargel aus aktuellem Anlass

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Bielefeld: Neonazis wollen Rechtsmittel gegen Auflagenbescheid einlegen

Am 14. Dezember 2011 hat das Polizeipräsidium Bielefeld an Sven Skoda eine Änderungsverfügung für die von ihm für Heiligabend 2011 angemeldete Neonazi-Demonstration versendet. Über die geplante Demonstration berichtet heute, am 15. Dezember 2011, der Blick nach Rechts.

Verbot noch in Kraft

Das Polizeipräsidium Bielefeld weist daraufhin, dass das am 29. November 2011 erlassene Verbot der demonstrativen Aktion, anders als von den Neonazis aktuell im Internet verkündet, derzeit noch in Kraft ist.

Skoda kündigt Rechtsmittel an

Sven Skoda kündigte am 15. Dezember 2011 an, dass er Rechtsmittel gegen den Auflagenbescheid einlegen werde. Zuvor, am 12. Dezember 2011, führte Skoda im Polizeipräsidium Bielefeld ein Koooperationsgespräch.

"In grundsätzlichen Punkten Konsens erzielt" - Kooperationsgespräch

Demnach hätten beide Seiten "in grundsätzlichen Punkten Konsens erzielt", so die Polizei. Die Durchführung der Demonstration erscheine deshalb nun möglich, eine entsprechende Änderungsverfügung sei in Arbeit. Skoda habe sich aber vorbehalten, nach Erhalt der Verfügung noch mal Stellung zu beziehen, so die Behörde, die bis dahin keine Einzelheiten zu den Änderungsplanungen bekannt geben werde.

76 Institutionen unterzeichneten Aufruf zum Protest

Am 7. Dezember 2011 veröffentlichte "Bielefeld stellt sich quer - Bündnis gegen Rechts" zuvor einen von 76 Institutionen unterzeichneten Aufruf zum Protest gegen die für Heiligabend 2011 von Sven Skoda angemeldete Neonazi-Demonstration.

Kooperativer Neonazi

Am 29. November 2011 hatte der Bielefelder Polizeipräsident die Demonstration "in der angemeldeten Form" verboten. Am 8. Dezember 2011 wurde bekannt, dass Skoda nun seine Bereitschaft zur Kooperation erklärt hätte und erneut zu einem Gespräch von der Versammlungsbehörde geladen wurde.

Marcus Winter bewirbt verbotene Demonstration

"Deswegen bist auch Du aufgefordert, am 24. Dezember Sand im Getriebe des Repressionsapparates und der Lügenindustrie zu sein und nach Bielefeld zu kommen!" So bewirbt Marcus Winter aus Minden, Führungskader des nach dem alten Gau der NSDAP benannten neonazistischen Netzwerkes "Westfalen-Nord", im Internet die zur Zeit verbotene Demonstration, nicht ohne sich bei "freien Kräften aus Ostwestfalen und Schaumburg" für die Unterstützung zu bedanken.

Führer beleidigt - Neonazis uneins über Aktionen an Heiligabend

Zuvor, ab dem 16. September 2011, hatte Winter im Internet die Demonstration an Heiligabend unter dem Motto "Der Repression entgegentreten - AJZ dicht machen" bereits beworben und damals 200 erwartete Teilnehmende gegenüber der Versammlungsbehörde angegeben. Die Demonstration sollte ab 12.30 Uhr vom Ost- zum Hauptbahnhof am Autonomen ArbeiterInnen-Jugendzentrum (AJZ) vorbeiführen. Das Bündnis gegen Rechts hatte daraufhin mehrere demonstrative Gegenaktionen angemeldet.

Auch für den 31. Dezember 2011, Silvester, war gleichzeitig eine weitere Neonazi-Demonstration in Bielefeld angemeldet worden. Anmelder hier war der Düsseldorfer Neonazi-Kader Sven Skoda. Diese Demonstration sollte entgegengesetzt zur Route an Heiligabend vom Haupt- zum Ostbahnhof führen.

An-, Ab- und Neuanmeldung der Demonstration

Anfang Oktober 2011 hatte Marcus Winter die angemeldeten Demonstrationen für Heiligabend und Silvester 2011 wieder bei der Polizei abgemeldet.

Am 10. Oktoner 2011 erfolgte unter dem selben Motto - "Der Repression entgegentreten - AJZ dicht machen" - durch Sven Skoda eine erneute Anmeldung - ausschließlich für den 24. Dezember 2011.

Über die zuerst von Marcus Winter angemeldete Demonstration am 24. Dezember 2011 war innerhalb der Neonazi-Szene Mitte September 2011 heftige Kritik laut geworden, Tenor: Heiligabend als Demonstrations-Termin auszuwählen, komme in der "Zivilbevölkerung" nicht gut an; der "Kampf um die Straße" sei zwar wichtig, allerdings gebe es "364 andere Tage im Jahr und da muss nun nicht unbedingt der 24.12. gewählt werden".

6. August 2011 in Bielefeld: Erfolgreiche Blockade

Am 6. August 2011 verhinderten über 800 Menschen in Bielefeld eine ebenfalls von Winter angemeldete Demonstration unter dem Motto "Straftätern die Räume nehmen - AJZ dichtmachen": Sie blockierten die Zusammenrottung, so dass die rund 150 Neonazis nur bis zur Radstation des Bahnhofs kamen.

Die Polizei hatte es als zu gefährlich angesehen, die Blockade aufzulösen oder die Neonazis daran vorbeizuführen. Stattdessen bot sie Marcus Winter an, die Kundgebung am Hauptbahnhof abzuhalten. Darauf ging dieser nicht ein und sagte die Kundgebung ab. Stattdessen kündigte er an, eine neue Demonstration in Bielefeld für den 24. Dezember 2011 anzumelden.

Auf dem Weg zurück zu den Gleisen griffen Neonazis innerhalb des Bielefelder Bahnhofs Polizistinnen und Polizisten, unter anderem mit Flaschenwürfen, an.

Rückblick: Heiligabend und Silvester 2006 in Minden

Im Jahre 2006 hatte das Bundesverfassungsgericht eine Demonstration von Marcus Winter an Heiligabend in Minden auf den Zeitraum zwischen 11.00 Uhr und 13.30 Uhr begrenzt. Zuvor hatten das Oberverwaltungsgericht Münster und das Verwaltungsgericht Minden die Demonstration mit Blick auf die geschützte Sonn- und Feiertagsruhe verboten.

Auf der Demonstration am 24. Dezember 2006 hatte Marcus Winter vor gerade einmal 60 Neonazis für Silvester 2006 eine weitere in Minden angekündigt, die dann nicht stattfand. In der Silvesternacht wurde jedoch der Jüdische Friedhof in Obernkirchen geschändet, dabei wurden mehrere Grabsteine umgeworfen und beschädigt.

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Artikel-Einträge in der Datenbank:


Neue Westfälische 15 - Paderborn (Kreis), 15.12.2011:
Rechte Szene entdeckt das Stadion / Rechtsrock und rechte Jugendkultur in OWL: Gesinnung sieht man den Anhängern immer seltener an

Neue Westfälische, 15.12.2011:
Auch böse Menschen haben Lieder / Im Kreismuseum Wewelsburg: Themenabend über Rechtsrock und rechte Jugendkultur in OWL

Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt, 15.12.2011:
"Nicht nachlassen gegen Rechts" / Polizeipräsident informiert über Nazi-Szene

Blick nach Rechts, 15.12.2011:
Braune Heiligabend-Demo

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Neue Westfälische 15 - Paderborn (Kreis), 15.12.2011:

Rechte Szene entdeckt das Stadion / Rechtsrock und rechte Jugendkultur in OWL: Gesinnung sieht man den Anhängern immer seltener an

Von Annika Falk

Büren-Wewelsburg. Rechtsextremismus ist eine sich stetig verändernde Bewegung. Die Rechten sind lange nicht mehr nur als saufende Skinhead-Bande unterwegs. `"Ideologie erkennt man nicht an der Haarlänge", sagt Jan Raabe, der auf der Wewelsburg über Lifestyle, Symbole und Codes von neonazistischen Gruppen referierte. Auch in OWL leben aktive Rechtsextreme: bis zu 300 schätzt der Historiker Karsten Wilke.

Wie perfide die rechte Szene bestimmte Symbole nutzt oder andere Marken für ihre Zwecke missbraucht, war vielen der Gäste des Themenabends "Rechtsextremismus 2.0" neu. Auch wenn in den vergangenen Wochen viel über Rechtsextremismus berichtet wurde.

Auf den ersten Blick wirkt das T-Shirt, das Karsten Wilke mitgebracht hat, eher harmlos: "Hermannsland" ist aufgedruckt. Dabei handelt es sich um eine etablierte Marke in der Szene. Viele gibt es davon. Und wenn sie ihre eigenen nicht tragen, missbrauchen die Rechten zum Beispiel die Marke "Helly Hansen", dessen Abkürzung sie als "Heil Hitler" auslegen. "Heute sieht man es den Jugendlichen und jungen Erwachsenen oft nicht mehr an", sagte Jan Raabe, Sozialpädagoge und Aktiver im "Verein Argumente und Kultur gegen rechts".

Rechtsextremismus sei ein vielschichtiges Phänomen, so Karsten Wilke: "Er macht nicht Halt in der Mitte der Gesellschaft." Zwar stufe der Bielefelder Staatsschutz die Freien Kameradschaften - in Höxter, Gütersloh, Detmold und Bückeburg - als lose Gruppierungen und nicht als organisierte Vereinigungen ein.

Doch auch eine Mitgliedschaft in einer demokratischen Vereinigung wie einem Sportverein oder einer Gewerkschaft verhindere rechtes Gedankengut nicht, so Wilke. Erstaunt war Jan Raabe nach einer Schulung beim Technischen Hilfswerk: "Bei Kameradschaftsabenden wurde das Horst-Wessel-Lied gesungen."

Während noch in den 90er-Jahren das Bild des Skinheads vorherrschte, habe sich die Neonazi-Szene vor allem in den vergangenen zehn Jahren stark gewandelt. "Heute bezeichnet sich ein Großteil als autonome Nationalisten", sagt Karsten Wilke, der als Bildungsreferent beim AKE-Bildungswerk in Vlotho arbeitet.

Sie studieren Rechtswissenschaften, ergreifen pädagogische Berufe und legen Wert auf ein gewisses elitäres Erscheinungsbild. Man spricht vom intellektuellen Rechtsextremismus. Von der Bekleidung sind sie bis auf gewisse Buttons kaum von der linken Szene zu unterscheiden: schwarze Kapuzenpullis und Palästinenser-Tücher.

Und auch mitten unter uns sind sie aktiv: Ostwestfalen sei germanisches Kernland, so Wilke. "Es gibt einen regelrechten Neonazi-Tourismus in OWL: zum Hermansdenkmal, den Externsteinen und zur Wewelsburg." Seit 2009 gab es außerdem Konzerte in Augustdorf, Salzkotten-Scharmede, Warburg-Dössel und im Mindener Stadtteil Neesen. Die rechte Hochburg der Region sei derzeit Bückeburg. Doch auch in Paderborn gibt es eine Szene. "Sie war in Salzkotten angesiedelt, orientiert sich aber immer weiter Richtung Paderborn, rund um die Fußballfans", so Jan Raabe. Optisch seien sie von den Ultras nicht mehr zu unterscheiden.

Und da die Wewelsburg immer noch eng mit den Verbrechen der SS verbunden ist, wird sie gerne für rechte Wallfahrten missbraucht. Um das zu verhindern, wurde im Nordturm versucht, der Gruft und dem Obergruppenführersaal eine gewisse Mystik zu entziehen.

Die Hausordnung des Kreismuseums wird immer wieder angepasst, das Tragen gewisser Symbole verboten. "Sie übt leider eine Anziehungskraft für derartige Gruppen aus", sagt Museumsleiterin Kirsten John-Stucke. Auch deshalb organisierte sie zusammen mit der Dokumentationsstätte Stalag 326 Senne und dem Verein "Gedenktag 2. April" diesen Abend.

John-Stucke und die beiden Experten sind sich einig: Die NPD muss verboten werden, doch man müsse auch die Auffangstationen stoppen, so Wilke. Denn nachdem beispielsweise das Collegium Humanum 2008 verboten wurde - und damit auch die rechte Zeitschrift "Stimme des Gewissens" - arbeiten die Autoren fast unverändert für ein Blatt, das sie "Stimme des Reiches" nennen. Und frühere Aktive sind weiterhin auf anderen Plattformen tätig - vor allem auch im Internet.

Weit mehr als Rock

Den Nachwuchs lockt die rechte Szene häufig über die Musik. Diese vermittelt ideologische Schlagwörter, bietet Identität - und ist mittlerweile sehr vielseitig. Nicht nur den dröhndenen Rechtsrock bietet die Szene, sondern auch Ska, Kuschelrock, Blackmetal und sogar Rap. "Sie ist im Jetzt angekommen", so Jan Raabe. Auch aus Ostwestfalen kommen einige namhafte Musiker der Szene. Mehr als 100 Tonträger werden bundesweit jährlich veröffentlicht - die Untergrundscheiben nicht mitgerechnet. Experten schätzen rund 230 rechtsradikale Bands. Weit vorn: Die Schulhof-CDs der NPD, die eine Auflage von 30.000 erreichen.

Bildunterschrift: In der Paderborner Energieteam-Arena: Mitglieder der rechten Szene wollen sich unter "normale" Fans mischen.

Bildunterschrift: Historiker Karsten Wilke: Mit Antirassismus-Kalender.

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Neue Westfälische, 15.12.2011:

Auch böse Menschen haben Lieder / Im Kreismuseum Wewelsburg: Themenabend über Rechtsrock und rechte Jugendkultur in OWL

Von Annika Falk

Büren-Wewelsburg. Rechtsextreme sind längst nicht mehr nur in saufenden Skinhead-Banden unterwegs: "Ideologie erkennt man nicht an der Haarlänge", sagte Jan Raabe, der auf der Wewelsburg beim Themenabend "Rechtsextremismus 2.0" über Lifestyle, Symbole und Codes von neonazistischen und rechtsextremen Gruppen referierte. Auch in OWL leben viele aktive Rechte: Bis zu 300, schätzt der Historiker Karsten Wilke.

Wie perfide die Szene Symbole nutzt, zeigte Wilke an praktischen Beispielen. Auf den ersten Blick wirkt das T-Shirt, das er mitgebracht hat, harmlos: "Hermannsland" ist aufgedruckt. Dabei ist das eine der vielen Marken der Szene. Mitunter werden auch einfach andere Marken missbraucht - etwa "Helly Hansen", abgekürzt interpretiert als "Heil Hitler". "Heute sieht man jungen Leuten die Gesinnung nicht mehr an", sagte Raabe, Sozialpädagoge und aktiv im "Verein Argumente und Kultur gegen rechts".

Rechtsextremismus sei ein vielschichtiges Phänomen. Wilke: "Er macht nicht Halt in der Mitte der Gesellschaft." Zwar stufe der Bielefelder Staatsschutz die Freien Kameradschaften - in Höxter, Gütersloh, Detmold und Bückeburg - als lose Gruppierungen und nicht als organisierte Vereinigungen ein. Doch auch die Mitgliedschaft in eigentlich demokratischen Vereinigungen - etwa einer Gewerkschaft - schließe rechtes Gedankengut nicht aus. Selbst bei Kameradschaftsabenden des Technischen Hilfswerks hat Raabe erlebt, dass das Horst-Wessel-Lied gesungen wurde.

In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Neonazi-Szene stark gewandelt. "Heute bezeichnet sich ein Großteil als Autonome Nationalisten", so Wilke, Bildungsreferent in Vlotho. Sie studieren Jura, ergreifen pädagogische Berufe und legen Wert auf ein elitäres Erscheinungsbild - intellektuellen Rechtsextremismus nennt Wilke das. Die Kleidung unterscheidet sich oft bis auf kleine Buttons kaum von der linken Szene: schwarze Kapuzenpullis, Palästinenser-Tücher.

Ostwestfalen sei "germanisches Kernland", so Wilke. "Es gibt einen regelrechten Neonazi-Tourismus in OWL. Zum Hermansdenkmal, den Externsteinen und zur Wewelsburg." Seit 2009 gab es Konzerte in Augustdorf, Salzkotten-Scharmede, Warburg-Dössel und im Mindener Stadtteil Neesen. Die rechte Hochburg der Region ist derzeit Bückeburg.

"Wallfahrtsort der Rechten"

Und da die Geschichte der Wewelsburg immer noch eng mit den Verbrechen der SS verbunden ist, wird sie gerne für rechte Wallfahrten missbraucht. Um das zu verhindern, wurde im Nordturm versucht, der Gruft und dem Obergruppenführersaal Mystik zu entziehen. Die Hausordnung des Kreismuseums wird immer wieder angepasst, das Tragen mancher Symbole verboten. "Die Burg übt Anziehungskraft für derartige Gruppen aus", so Museumsleiterin Kirsten John-Stucke.

Sie und die beiden Experten sind sich einig: Die NPD muss verboten werden. Doch man müsse auch die Auffangstationen stoppen, so Wilke. Denn nachdem beispielsweise das Collegium Humanum 2008 verboten wurde - und damit auch die rechte Zeitschrift "Stimme des Gewissens" -, arbeiten die Autoren fast unverändert für ein Blatt, das sie "Stimme des Reiches" nennen.

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Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt, 15.12.201:

"Nicht nachlassen gegen Rechts" / Polizeipräsident informiert über Nazi-Szene

Bielefeld (hu). Die Nazi-Demonstration an Heiligabend kann vermutlich nicht verhindert werden. Mit Unterstützung aus der Stadt dürfen die Rechtsextremen jedoch kaum rechnen - die Szene in Bielefeld ist sehr überschaubar.

Das machten gestern Polizeipräsident Erwin Südfeld und Rudolf Frühling vom hiesigen Staatsschutz bei der Sitzung des Integrationsrates deutlich. Dessen Vorsitzender Yasin Sever hatte Südfeld eingeladen, um über die Strukturen der Nazis und die Arbeit des Staatsschutzes zu informieren. Sever: "Nach dem Bekanntwerden der Zwickauer Terrorzelle sind wir von vielen besorgten Menschen angesprochen worden. Deswegen wollten wir Auskunft von Experten."

In ganz OWL gibt es nach Erkenntnissen der Polizei etwa 230 Rechtsextreme. "150 sind Mitläufer, 50 sind aktiv und 30 zählen zu den äußerst aktiven, auch gewaltbereiten Szene", so Südfeld. Jedoch gebe es in OWL keine festen Kameradschaften, sondern allenfalls "lose Strukturen", und in Bielefeld nicht einmal diese. "In Bielefeld wissen wir von fünf Personen, die in hier früher präsenten Organisationen aktiv waren", erklärte Rudolf Frühling.

Die Zahl der rechtsextremen Straftaten ist laut Südfeld rückläufig. 2010 wurden in OWL 210 Fälle bekannt, 148 davon Propaganda-Delikte. In vier Fällen kam es zu Gewalt - wie bislang auch in diesem Jahr. In Bielefeld wurde lediglich ein Vorfall bekannt. "Eine betrunkene Frau hat jemanden in der Straßenbahn fremdenfeindlich beschimpft", sagte Frühling. Ein Auge habe der Staatsschutz aber auch auf Anwerbungsversuche der Nazis. Mit deren Aktivitäten im Internet Schritt zu halten, sei jedoch schwer. Und das aktuelle Geschehen um die Zwickauer Terrorzelle zeige, so Frühling: "Wir können bei unsere Arbeit gegen Rechts nicht nachlassen."

Zwickauer Liste

Auch Menschen, Parteien und Vereine aus Bielefeld hat die rechtsradikalen Terrorzelle aus Zwickau registriert. Eine konkrete Gefahr für sie gibt es derzeit aber nicht, sagte gestern Polizeipräsident Erwin Südfeld. Vier Einzelpersonen und etwa 20 Institutionen - darunter die CDU, die jüdische und die muslimische Gemeinde, stehen nach seinen Worten auf der Liste, die bei den Rechtsextremen entdeckt worden war. Mehr als zehn Beamte des Bielefelder Staatsschutzes waren an den Ermittlungen beteiligt, um Querverbindungen der Zwickauer Terrorzelle nach Ostwestfalen-Lippe zu prüfen. Bislang sind laut Südfeld jedoch keine Kontakte aufgetaucht.

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Blick nach Rechts, 15.12.2011:

Braune Heiligabend-Demo

Von Tomas Sager

Bielefeld. Neonazis wollen am 24. Dezember in Bielefeld aufmarschieren. Bei der Polizei hält man das für "reine Schikane".

Damit dürfte man im Bielefelder Polizeipräsidium richtig vermuten. Erstmals angekündigt worden war die Demonstration Anfang August. Auf ihrer Rückreise vom alljährlichen Aufmarsch der Szene im niedersächsischen Bad Nenndorf hatten Neonazis vor allem aus Nordrhein-Westfalen samstagabends auch noch in der ostwestfälischen Stadt auf die Straße gehen wollen. Ihr Vorhaben scheiterte jedoch, weil ihnen etwa 500 Gegendemonstranten am Hauptbahnhof den Weg versperrten. Die Polizei sah es als zu gefährlich an, die Gegendemonstration aufzulösen oder die rechte Truppe daran vorbeizuführen. Stattdessen boten die Beamten den Neonazis an, eine Kundgebung am Hauptbahnhof abzuhalten. Damit freilich gaben sie sich nicht zufrieden und verzichteten komplett auf ihren Bielefeld-Auftritt.

Die Polizei sei "völlig unwillens oder wohl eher unfähig" gewesen, "ein paar hundert Linkschaoten von der Straße zu räumen", hieß es anschließend in einem Veranstaltungsbericht auf Internetseiten der Szene. Eine Demonstration am 24. Dezember sei die "Antwort auf die polizeiliche Repression". "Euren Feierabend, den bestimmen wir!", drohten die Neonazis der Bielefelder Polizei.

Zunächst hatte Marcus Winter, einer der führenden Neonazis in Ostwestfalen und den benachbarten Teilen Niedersachsens, die Veranstaltung angekündigt. Seine Rolle als Anmelder hat inzwischen Sven Skoda aus dem Rheinland übernommen. Bielefelds Polizei hatte die Veranstaltung zunächst verboten: wegen des Feiertagsgesetzes, das Demonstrationen an Heiligabend nur bis maximal 16.00 Uhr erlaubt, wegen der Bedenken angesichts der angemeldeten Route, die unter anderem zum Autonomen Zentrum führen sollte, und schließlich, weil Skoda auf die Aufforderung zum Kooperationsgespräch nicht reagiert habe. Inzwischen aber hätten die Neonazis ihre Anmeldung "nachgebessert", meldete das "Westfalen-Blatt" am Mittwoch. Die Verbotsverfügung sei damit vom Tisch.

Weihnachtsgeschenke für die Teilnehmer

Nicht nur in der Bielefelder Öffentlichkeit hatte die Heiligabend-Demo für Diskussionen gesorgt. Auch in der Szene selbst wurde Kritik laut. "Ich weiß ja, dass es `ne nette Druckmaßnahme gegenüber den Behörden ist, aber ob man den Preis dafür bezahlen möchte ist unklar", kommentierte ein Neonazi aus dem Ruhrgebiet in einem einschlägigen Internetforum. "Heiligabend/Weihnachten/Julfest" hätten eine familiäre Bedeutung, meinte Kommentator "AN West", wie er sich nennt: "Auch unsere Aktivisten sollten den Tag lieber bei ihren Familien verbringen, als vormittags auf `ner unsinnigen Demo, und abends im Suff im WG-Zimmer mit bald 30 Jahren." Tenor der szeneinternen Kritiker: Heiligabend als Demo-Termin auszuwählen, komme in der "Zivilbevölkerung" nicht gut an; der "Kampf um die Straße" sei zwar wichtig, allerdings gebe es "364 andere Tage im Jahr und da muss nun nicht unbedingt der 24.12. gewählt werden".

Immerhin: Passend zu Heiligabend soll es nun Geschenke für die teilnehmenden Neonazis geben, die offenbar von zwei Szene-Versänden zur Verfügung gestellt werden. "Jeder Demonstrationsteilnehmer erhält ein(e) T-Hemd, oder CD gratis!!!!", verspricht in einem Internetforum ein Autor, den man zu den Organisatoren der Veranstaltung zählen darf.

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