Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische ,
08.09.2004 :
"Falsche Ratschläge" / Agentur für Arbeit "enttäuscht" über das Verhalten vieler Hartz IV-Bezieher
Paderborn (st). Karin Herta Trübner, Chefin der Paderborner Agentur für Arbeit, spricht von "aufgeputschter Stimmung" gegen Hartz IV und warnte: ,"Viele der künftigen Bezieher des Arbeitslosengeldes II hören auf falsche Ratschläge."
Einer der falschen Empfehlungen, die auch auf den Paderborner Montagsdemos zu hören war, lautet, mit der Antragstellung abzuwarten. Trübner: "Nachher ist das Geschrei groß. Denn wer erst im Dezember kommt, dem können wir nicht garantieren, dass seine Leistung zum 1. Januar gezahlt wird."
90 Prozent der rund 9.600 Arbeitslosenhilfe-Bezieher im Paderborner Agentur-Bezirk, den Kreisen Paderborn und Höxter , haben inzwischen von der Nürnberger Bundesagentur den Antrag auf Arbeitslosengeld II erhalten. Am Freitag soll der Versand abgeschlossen werden. Aber erst 25 Prozent der Angeschriebenen in den Kreisen Paderborn und Höxter haben nach Angaben Trübners den Antrag ausgefüllt zurückgegeben.
Zurückhaltung auch, was die immer montags angebotenen Info-Veranstaltungen der Paderborner Agentur zu Hartz IV angeht. Woche für Woche lädt sie dazu 960 Kunden ein – doch nur zehn Prozent nutzen das Angebot. Das sei ,"enttäuschend", sagte Agentur-Chefin Trübner und gebrauchte deutliche Worte: ,"Alle krakeelen an den Biertischen. Hier bei uns könnten sie autorisierte Antworten bekommen – und sie kommen nicht."
Durch den Beschluss der Bundesregierung, den ersten Auszahlungstermin von Ende auf Anfang Januar 2005 vorzuziehen, ist die rechtzeitige Rückgabe der Anträge laut Trübner ,"noch dringlicher" geworden. Im Oktober soll die Computersoftware für Hartz IV betriebsbereit sein. Dann will die Agentur mit der Bewilligung des Arbeitslosengeldes II beginnen.
Es bringe für Betroffene keinen Vorteil abzuwarten, ob noch Änderungen beim Arbeitslosengeld II vorgenommen werden, sagte die Agentur-Chefin. Es seien derzeit keine Änderungen mehr vorgesehen. Sollten sich in den nächsten Wochen noch Neuerungen in Teilbereichen ergeben, würden diese ,"in allen Fällen berücksichtigt, unabhängig, davon, ob der Antrag bereits abgegeben wurde".
Post auch für 5.500 Sozialhilfeempfänger
Betroffen von Hartz IV sind nicht nur die 9.600 Arbeitslosenhilfebezieher im Hochstift. Auch rund 5.500 Sozialhilfeempfänger in beiden Kreisen erhalten in Kürze Antragsformulare – von ihrem Sozialamt. 1.100 von ihnen (mit 990 die meisten im Kreis Paderborn) sind sogenannte Kombi-Bezieher, die bislang sowohl Arbeitslosen- als auch Sozialhilfe erhalten.
Die Bezieher des neuen Arbeitslosengeldes II bekommen ab 1. Januar einen neuen Ansprechpartner: Eine Arbeitsgemeinschaft, die die Agentur für Arbeit sowohl mit dem Kreis Paderborn als auch mit dem Kreis Höxter bilden will. Eine entsprechende Absichtserklärung hat Karin Herta Trübner mit beiden Landräten unterzeichnet. An den Details der Kooperation wird derzeit gefeilt. Fest steht, dass von Seiten der hiesigen Agentur für Arbeit und des Bundes etwa 125 Mitarbeiter in den Dienst der Paderborner und 55 zur Höxteraner AG wechseln.
Weiteres Personal kommt von den örtlichen Sozialämtern. Horst-Hermann Müller, Mitglied der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Paderborn, zum Sinn der AG‘s, für die noch ein treffender Name gesucht wird: ,"Dahinter steckt das Ziel der Betreuung aus einer Hand und der effektiven Vermittlung in Arbeit. Das ist doch ein großer Vorteil vor allem für die bisherigen Sozialhilfeempfänger."
Muss sich heute in der Paderborner Agentur für Arbeit de facto ein Vermittler um 500 Arbeitslose kümmern, wird laut Müller zum 1. Januar durch die Bildung der Arbeitsgemeinschaften ein Betreuungsschlüssel bei Jugendlichen von 1 zu 75, in der Vermittlung der übrigen Hartz IV-Bezieher von 1 zu 150 und in der Leistungsgewährung von 1 zu 140 erreicht.
Für die Beratung in Sachen Hartz IV hat sich in der Agentur diese Regelung bewährt: Jeder der dafür eingesetzten 48 Mitarbeiter (33 in Paderborn, 14 in Höxter und Warburg) nimmt sich für einen Antragsteller mindestens eine halbe Stunde Zeit zum gemeinsamen Ausfüllen des Formulars. Fehlen noch Unterlagen, wird gleich ein zweiter Beratungstermin vereinbart.
Klaus Stenow, Projektleiter Arbeitslosengeld II, bittet Betroffene, die den schriftlich angebotenen Termin für die Antragsrückgabe nicht einhalten können, unter Tel. (05251) 120 - 555 in Paderborn bzw. (05271) 972637 in Höxter einen neuen zu vereinbaren.
Ungeachtet der Antragsprobleme zeigt Hartz IV schon vor dem Inkrafttreten Wirkung: Das Interesse von Arbeitslosen an einer freien Stelle hat laut Horst-Hermann Müller "deutlich zugenommen". Wenn etwa in einem Supermarkt eine Kassiererstelle zu vergeben sei, bilde sich "auf einmal" eine Schlange von Bewerbern.
lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de
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