www.hiergeblieben.de

Ev. Kirchenkreis Paderborn , 15.01.2004 :

Jubiläum ohne Freude / 10 Jahre Abschiebehaftanstalt bei Büren

Büren. Die ehemalige NATO-Kaserne in Büren ist ein Gefängnis. Umgeben von einer Betonmauer bietet die Justizvollzugsanstalt im Landkreis Paderborn Platz für 530 Männer und männliche Jugendliche ab 16 Jahren. Keine Strafhaft verbüßen die derzeit rund 300 Inhaftierten aus über 50 Ländern. Sie müssen hier auf ihre Abschiebung in ihre Heimatländer warten.

Das Hafthaus Büren, im Volksmund "Abschiebeknast" genannt, ist nach Angaben der Anstaltsleitung das größte seiner Art in Deutschland und zählt zu den größten Abschiebegefängnissen in Europa. In Büren wurden die ersten Ausländer vor zehn Jahren, am 17. Januar 1994, untergebracht.

Für die Mitglieder des 1994 gegründeten Vereins "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren" ist dies ein trauriges Jubiläum. "Unser langfristiges Ziel ist die Abschaffung der Abschiebehaft, bis dahin bemühen wir uns um eine Verbesserung der Haftbedingungen", sagt Vereinsvorsitzender Frank Gockel.

Zusammen mit weiteren elf Ehrenamtlichen besucht Gockel fast täglich die Bürener Gefangenen aus Ländern wie der Türkei, dem früheren Jugoslawien, Indien, Sri Lanka oder Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Die Mitarbeiter des Vereins erklären ihnen, abgelehnten Asylbewerbern oder illegal Eingereisten, den Inhalt amtlicher Schreiben, helfen beim Abfassen von Briefen an Anwälte oder Behörden.

Der Leiter der JVA Büren, Peter Möller, begrüßt dieses Engagement. Die Besuche und intensiven Einzelgespräche schafften Vertrauen und trügen zu einer entspannteren Stimmung unter den Männern bei, sagt Möller. Grundsätzlich jedoch stehe er als Leiter der Einrichtung hinter dem Konzept der Abschiebehaft. "Ich glaube, dass der Staat Sanktionen braucht, um die Rechtsprechung durchzusetzen."

Paragraph 57 des Ausländergesetzes sieht vor, dass Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft genommen werden können. Vor allem, wenn sich ein Flüchtling der Abschiebung entzogen hat oder Gefahr besteht, dass er es tut.

Nach Angaben von Gockel, der auch Referent des Flüchtlingsrates NRW ist, liegt in vielen Fällen die "Schuld" nicht allein bei den betroffenen Ausländern. Manche Länder verzögerten die Ausstellung von Pass-Ersatzpapieren.
Auch führten Versäumnisse juristischer Fristen oder fehlende Briefkästen bei Asylbewerberunterkünften in vielen Fällen zur Inhaftierung. "Der Großteil der Bürener Gefangenen, rund 90 Prozent, ist nicht straffällig geworden", betont Gockel.

Die Unterbringung Minderjähriger in Abschiebehaft sorgt ebenfalls für Kontroversen. Zurzeit befinden sich nach Angaben der Bürener Anstaltsleitung neun Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren in Haft. Ein Erlass des NRW-Innenministeriums regelt das Mindestalter und empfiehlt, bei Minderjährigen die Haftzeit möglichst kurz zu halten.

Für Kritiker ist fraglich, ob in einer Haftanstalt eine altersgemäße Unterbringung möglich ist. JVA-Leiter Möller verweist auf den eigenen Jugendbereich, den er vor einem Jahr für junge Männer bis 25 einrichtete. Dies sei einzigartig in NRW. Für zwei Stunden, eine Stunde mehr als Erwachsene, dürfen in Büren die Jugendlichen ihre Zellen zur Freizeitgestaltung verlassen. Dann können sie fernsehen, Tischfußball spielen, basteln, Deutschkurse oder Gesprächsangebote besuchen. Drei Mitarbeiter von einem Privatunternehmen leisten psychosoziale Beratung.
Was die Anstaltsleitung als Errungenschaft bezeichnet, halten Kritiker wie der Hilfsverein um Gockel für nicht ausreichend. Der evangelische Seelsorger Burkhard Schmidt, der an drei Tagen pro Woche Gespräche und Gottesdienst anbietet, würdigt das Bemühen der JVA-Leitung, die Haft "so menschlich wie möglich" zu gestalten.

Gemeinsam mit JVA-Beamten hat der Pfarrer einen Verein gegründet, der Flüchtlingen mit kleinen Sach- und Geldspenden die Rückkehr ins Heimatland erleichtert. Der „Gefangenen-Fürsorge-Verein Büren“ wird auch vom Kirchenkreis Paderborn finanziell unterstützt. Die Perspektivlosigkeit der Insassen erschreckt Burkhard Schmidt: "Abschiebehaft ist menschlich höchst problematisch; mir bleibt nur, die Menschen auf ihrem schweren Weg bis zur Rückkehr zu begleiten."

Vertreter des Kirchenkreises Paderborn, und hier insbesondere der Ausschuss für Mission und Weltverantwortung, besuchte die JVA Büren bereits mehrmals, um sich ein Bild von der Situation der Häftlinge zu machen. Einzelne Mitglieder haben zum Beispiel Patenschaften für den Erwerb von Telefonkarten, die von den Gefangenen genutzt werden, übernommen. Im Rahmen der Dekade zur Überwindung der Gewalt wird sich der Kirchenkreis Paderborn auch weiterhin mit der Einrichtung und der Situation der Insassen beschäftigen. Das teilte die Vorsitzende des Ausschusses für Mission und Weltverantwortung, Dr. Irmgard Pöppel mit.


PAD-KK-Kreiskirchenamt@kkpb

zurück