Neue Osnabrücker Zeitung ,
22.05.2004 :
Aufnahmestelle erregte einmal mehr die Gemüter
Bramsche (vdt). Silke Stokar, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, fühlte sich zwischenzeitlich etwas deplatziert. "Wenn ihr untereinander diskutieren wollt, dann muss ich nicht dabei sein", reagierte Stokar genervt auf eine Debatte unter ihren Zuhörern, die sich über die Zustände in der Landesaufnahmestelle (LASt) in Hesepe stritten.
Der Osnabrücker Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen hatte zur Diskussion über ein gemeinsames europäisches Asylrecht in die Waldgaststätte Renzenbrink eingeladen und die Frage gestellt: "Weltoffenes Europa oder Abschottung?" Und während die Bundestagsabgeordnete den Schwerpunkt auf die europäischen Bemühungen und den Streit um das neue deutsche Zuwanderunsgesetz legte, entbrannte unter den Zuhörern eine Diskussion über die LASt.
Vom "größten Abschiebelager in ganz Europa", einer schlechten Beschulung der Kinder und absichtlicher Abschottung von der Bevölkerung sprach eine Vertreterin des Osnabrücker Bündnisses gegen Abschiebung. Ilka Marlen-Holtgrave, Vorstandsmitglied sowohl der Bramscher Initiative zum Miteinander der Kulturen als auch grüne Ratsfrau, wies die Vorwürfe zurück. "Das ist ja alles nicht wahr", nahm sie die LASt in Schutz.
Auch Silke Stokar verweigerte sich, eine "kleine radikale Minderheitenposition" vorzutragen. Zwar seien im Asylrecht zahlreiche Aspekte verbesserungswürdig, aber auch schwer durschsetzbar. "Man kann nicht Opposition in der Regierung sein", sagte die Hannoveranerin, die in diesem Zuge auch auf die schwierige Suche nach einem Kompromiss beim Zuwanderungsgesetz einging. Hier hätten die Grünen wegen ständig neuer Forderungen der Union jetzt die "Reißleine" ziehen müssen.
Und auf europäischer Ebene? Dort habe sich nach den Anschlägen in New York am 11. September 2001 ein Sinneswandel ergeben. Neuer Schwerpunkt sei seitdem "die Verhinderung von illegaler Einreise nach Europa" geworden. In den Augen Stokars ein Fehler: Stattdessen müssten die Fluchtursachen bekämpft werden. Das bedeute, auch außerhalb Europas "lebenswerte Lebensbedingungen" zu schaffen und Flüchtlinge "ortsnah anständig und gut zu versorgen".
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