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Neue Osnabrücker Zeitung , 05.07.2004 :

Für die Kinder bleiben viele Wünsche unerfüllt

Von Thomas Wübker

Bramsche-Hesepe. 20 Kinder aus der Landesaufnahmestelle in Bramsche-Hesepe haben einen Brief von Ministerpräsident Christian Wulff bekommen. Diese Antwort auf ein Schreiben Ende vergangenen Jahres hat die Mädchen und Jungen allerdings nicht erfreut.

Im November 2003 tagte in der Osnabrücker Stadthalle ein Kongress zum Thema Kinderrechte. In diesem Rahmen schrieben auch die 20 Kinder aus Bramsche dem Ministerpräsidenten, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Die Familie von Hayat (18), Hedil (16), Amina (15) und Türkan (10) hat beispielsweise zwei Räume zugewiesen bekommen, die je rund 40 Quadratmeter groß sind und die sie zu zehnt bewohnen. Es riecht nach Essen, an den Wänden stehen Doppelbetten, eine Rückzugsmöglichkeit, um allein zu sein, gibt es nicht. Da, wo sie wohnen und schlafen, werden auf einer kleinen Kochstelle auch Mahlzeiten zubereitet.
In ihrem bescheidenen Heim wohnen die vier kurdischen Schwestern seit zweieinhalb Jahren. Auf ihrem Flur leben insgesamt 25 Personen aus aller Herren Länder. Für sie gibt es zwei Sammel-Waschräume mit jeweils vier Waschbecken, drei Duschen und drei Toiletten. In den Waschräumen werden auch Geschirr und Kleider gewaschen.

Bei Sandra (12) ist es ähnlich. Sie lebt mit ihrer sechsköpfigen Familie in einem rund 40 Quadratmeter großen Raum. Zum Teil müssen ihre Geschwister auf Matratzen auf dem Fußboden schlafen; vorausgesetzt, sie können schlafen. Die Wände sind hellhörig, und nachts hören die Kinder oft den Lärm der Nachbarn.

In ihrem Brief an Christian Wulff haben sie zwölf Verbesserungsvorschläge gemacht und gehofft, der Ministerpräsident würde darauf eingehen. Mitglieder der Kinderkommission und vom Osnabrücker Bündnis gegen Abschiebung betätigten sich als Briefträger und sind vor kurzem nach Bramsche-Hesepe gefahren, um den Kindern die Antwort Christian Wulffs zu übergeben und sich über die Situation in der Landesaufnahmestelle zu informieren.

In ihrem Brief forderten die Kinder, dass Abschiebungen nicht mehr über Nacht geschehen dürften und am besten überhaupt nicht mehr stattfinden sollten. "Jeden Tag sagen welche Tschüss", sagt Hedil lapidar und fügt an: "Meistens kommen die Polizisten nachts um drei Uhr." Diese Beobachtung haben auch die anderen Kinder gemacht. Wulff schreibt in seiner Antwort: "Ihr braucht keine Angst davor zu haben, dass ihr von einer Heimreise überrascht werdet. Eure Familien erfahren dies mehrere Tage vor der Abreise."

Eine andere Forderung war, dass Krankheiten ernst genommen werden müssten. "Der Arzt gibt uns immer nur Paracetamol, egal, ob wir von der Schaukel fallen oder erkältet sind", erzählen die Mädchen. Wulff schreibt dazu: "Auf dem Gelände wird eine Sanitätsstation mit Sanitätern der Johanniter-Unfallhilfe unterhalten. Ein Arzt ist für Untersuchungen und Behandlungen zweimal wöchentlich für euch da ( ... )."

Ein wichtiges Thema für die Kinder ist das Essen. "Es schmeckt nur, wenn Mama es uns macht", meint Amina. Dienststellenleiter Konrad Bramm sagte, dass es Gespräche mit der Küche gibt, in denen auf die unterschiedlichen kulturellen Essenswünsche eingegangen wird. Um selber zu kochen, fehlt den Familien aber das Geld.

In ihrem Brief forderten sie weiter das Schulrecht, auch für Kinder, die älter als 16 Jahre alt sind. Die meisten Kinder gehen in der Landesaufnahmestelle zu einem Förderunterricht, in dem sie Deutsch lernen sollen. Allerdings sind sie dort nur zwei bis drei Stunden pro Tag. Sandra meint, dort würden sie Dinge lernen, die nicht altersgerecht seien.

Die Mädchen sprechen zwar alle gut Deutsch, aber mit dem Lesen und schreiben hapert es. Einige der 81 schulpflichtigen Kinder in der Landesaufnahmestelle sind in Bramsche zur Schule gegangen. Dort waren sie allerdings isoliert und wurden verhaltensauffällig. Die ausländischen Kinder seien von den anderen Kindern gehänselt worden, erzählen die Mädchen. "Die Rahmenbedingungen sind völlig unzureichend", sagte der Vorsitzende der Kinderkommission, Ulrich Sommer. Er betonte aber, dass er und die anderen Mitgereisten den Mitarbeitern der Landesaufnahme keine Schuld zuweisen wollten.

Auch die Kinder waren etwas enttäuscht von der Antwort Wulffs. Zwar müssen sie nach dem Aufstellen eines Wartehäuschens nicht mehr im Regen stehen, wenn sie auf den Bus warten. "Es ändert sich aber nichts", sagt Amina traurig. "Es hat nicht viel geholfen", meint Hedil. Auch Sandra ist enttäuscht: "Wir wollen im eigenen Zimmer wohnen. Wir sind doch auch Menschen, oder?"


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