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Lippische Landes-Zeitung , 19.08.2004 :

Relikte aus dem Kalten Krieg / In Oerlinghausen gibt es Sperren für die Landesverteidigung

Oerlinghausen. Eigentlich sehen sie aus wie gewöhnliche Gullideckel, aber im Ernstfall sollen sie zur Verteidigung dienen. "Vorbereitete Sperren im Rahmen der Landesverteidigung" heißen die Schächte im Fachjargon, die auch in Oerlinghausen noch zu finden sind. Fritz Bollhorst kann sich noch sehr gut an die Bohrungen der Sprenglöcher erinnern, denn mit seinem Widerstand handelte sich der frühere Stadtdirektor fast ein Disziplinarverfahren ein.

"Der zuständige Kommandeur des Bezirkskommandos 35, das damals noch in Detmold stationiert war, kam regelmäßig nach Oerlinghausen, um mich von der Wichtigkeit der Sprenglöcher zu überzeugen", erinnert sich Bollhorst an die Geschehnisse in den 70er Jahren. Bollhorst, der 30 Jahre lang die Geschicke Oerlinghausens als Helpuper Gemeindedirektor, Beigeordneter der Bergstadt und von 1973 bis 1991 als Stadtdirektor leitete, ließ sich jedoch nicht erweichen.

"Ich sah einfach keinen Sinn in diesen Sprenglöchern, weil schon damals das Kriegsgerät so weit fortentwickelt war, dass Sprenglöcher meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß waren", meint der 75-Jährige.

"Man drohte mir mit Disziplinarverfahren"
Fritz Bollhorst

Auch ein Verteidigungsausschuss, der damals noch zu den Pflichtausschüssen der Stadt gehörte, musste sich mit dem Thema befassen. Nachdem auch nach einem Jahr keine einvernehmliche Lösung gefunden werden konnte, kündigte sich eine Bundeswehrdelegation aus Münster an. "Das war wirklich formvollendet. Man drohte mir mit einem Disziplinarverfahren, wenn ich den Bau nicht erlauben würde", so Bollhorst.

Also legte die Verwaltung dem Rat eine entsprechende Vorlage vor, und die Bürgervertreter genehmigten die Sperren. In der Folge wurden an der Holter Straße in Höhe des Freibades, beim Königshof in Richtung Bielefeld und an der Detmolder Straße hinter der Birnerkurve die Bohrungen vorgenommen.

"Die Sperranlagen wurden während der Zeit des Kalten Krieges bis zur Wende errichtet", erklärt Kornelia Fischer, stellvertretende Pressesprecherin der Wehrbereichsverwaltung West in Düsseldorf. "Durch die Aktivierung der Sperreinrichtungen sollte im Zuge von Kampfhandlungen der Vormarsch gegnerischer Streitkräfte verzögert werden."

Zu sehen sind heute allerdings nur noch die vermeintlichen Kanaldeckel an der Detmolder Straße.

"Sperren werden zurückgebaut"
Sven Johanning

Einige Sperren sind mittlerweile zurückgebaut und bestenfalls noch an den Asphaltflicken zu erkennen. "Sämtliche Sperren werden voraussichtlich in zehn bis 15 Jahren zurückgebaut sein", meint Fischer. Wo gebaggert wird, wird aber nicht verraten. Bürgermeisterin Dr. Ursula Herbort ist über die Sperranlagen jedenfalls nicht informiert. "Wir wissen, wo sie sind, und sie werden nach Absprache zurückgebaut. Mehr darf ich nicht sagen, das ist Wehrgeheimnis", erklärt Sven Johanning, Pressesprecher des Landesbetriebes Straßenbau NRW in Bielefeld auf Anfrage.


sl@neue-westfaelische.de

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