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Schaumburger Zeitung , 12.08.2004 :

Achtzehn Menschen, die das gleiche Schicksal erlebten: Vertreibung / Rintelner Ausstellung findet Anerkennung bei Deutsch-Polnischen Gesellschaften

Rinteln (wm). Die Ausstellung "Vertreibungen", die noch bis zum 31. Oktober im Museum "Eulenburg" zu sehen ist, sei die bisher einzige in Deutschland, in der auch das Schicksal der Polen thematisiert werde, die ebenfalls nicht freiwillig ihre Häuser und Höfe in Ostpolen aufgegeben hätten, sondern zwangsweise in die von Deutschen bewohnten Gebiete umgesiedelt worden seien. Gerade vor dem Hintergrund des derzeit wieder entbrannten Entschädigungsstreites sei diese Ausstellung ein wichtiger Beitrag zur Versachlichung. So das Resümee von Annelies Langner, Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaften in Niedersachsen e.V. und Professor Andreas Nowak vom Fachbereich Informations- und Kommunikationswesen der Fachhochschule Hannover, die gestern unter Führung von Museumsleiter Stefan Meyer die Ausstellung besichtigten.

Am Beispiel der Stadt Neumarkt, heute Sroda Slaska, wird exemplarisch das Schicksal von neun deutschen Vertriebenen, die heute in den Landkreisen Schaumburg und Hameln-Pyrmont leben und neun polnischen Vertriebenen aus Ostgalizien, die heute in Sroda Slaska leben, gegenübergestellt. Dass in der Ausstellung die Geschichte der Deutschen und Polen nicht getrennt, sondern gemeinsam aufgearbeitet worden sei, sei ein auch für Polen einmaliges Konzept, betonten Annelies Langner wie Andreas Nowak. Vertreibung sei in Polen lange ein Tabu-Thema gewesen, vor allem auch die Vertreibung der Polen durch die Russen: "Ich habe gesehen, wie sich Polen und Russen um ein Feld mit Kohlköpfen ein Feuergefecht geliefert haben."

Noch heute, erläuterte Annelies Langner, streite man sich in Deutschland wie Polen über Begriffsfindungen, ob Vertreibung, Umsiedlung oder Flucht die richtige Vokabel für den vorliegenden Sachverhalt sei. Annelies Langner sieht das so: 80 Prozent aller Deutschen, die bis 1945 von Ost nach West geflohen seien, seien Flüchtlinge gewesen. Nowak und nennt als Beispiel mit Symbolcharakter die Festung Breslau: Deutsche hätten Frauen und Kinder verlasst, die Stadt zu verlassen. Erst nach 1945 seien Menschen systematisch vertrieben worden und zwar auf beiden Seiten: "Das war eine Verschiebung, die ganz Ostmitteleuropa erfasst hat." Ende 1947, so ist in der Chronik des Ausstellungskataloges nachzulesen, sind fast 1,5 Millionen Menschen aus den Ostgebieten Polens in den Kreis Neumarkt gekommen.

Zustimmung fand auch das Konzept der von Museumsleiter Stefan Meyer wie seinem polnischen Kollegen Grzegorz Borowski gemeinsam erarbeitete Konzept der Ausstellung, die ab 20. Januar in Sroda Slaska zu sehen sein wird. Die von den 18 Zeitzeugen erzählten Geschichten, die sich der Museumsbesucher über einen Kopfhörer anhören kann, ranken sich immer auch um die bei der Flucht geretteten Gegenstände, die auch im Museum ausgestellt sind, wie eine Lederaktentasche mit letzten, noch geretteten Dokumenten, einen in Sibirien hergestellten Koffer, einen Flachskamm oder einen Henkelbecher.

Der Tippl, wie man in Schlesien solche Becher nannte, gehörte Renate Fuhrmann. Sie hat ihn von Ober-Mois, heute Ujazd Gorny, bis nach Obernkirchen mitgebracht und über all die Jahre in ihrer Küche aufbewahrt. Jetzt ist er ein Museumsstück.


sz@schaumburger-zeitung.de

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