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Warburger Zeitung / Neue Westfälische , 12.08.2004 :

"Das Schlimmste ist die Ausgrenzung meiner Kinder" / Hilfsinitiative unterstützt Roma-Familie Kasumov bei ihrer Rückkehr nach Serbien

Von Sandra Wamers

Paderborn/Hardehausen/Zrehjanin. Die gesamte Familie Kasumov war am Sonntag nach Warburg gereist, um dort die Performance "Sarajevo - die vergessene Stadt" anzuschauen (die NW hatte ausführlich berichtet). Bewegt seien sie gewesen, nicht nur davon, dass der Erlös der Veranstaltung ihnen gewidmet sei, sondern auch von der Geschichte selbst, "was und wie es gezeigt wurde", erklärte Hasan Kasumov, "damit kann ich mich identifizieren".

Denn auch der Familienvater der siebenköpfigen Familie kennt die Nachbeben, die ein Krieg verursacht. Geboren und aufgewachsen ist der heute 37-Jährige in Skopje, der Hauptstadt von Mazedonien. Als Anfang der 90er Jahre die Stimmung in seinem Land sich nationalistisch aufheizte, beschloss Hasan zusammen mit seiner Frau Naslija (36) und dem damals erst ein paar Monate alten Avdulj zu fliehen.

Als Roma gehörten sie einer ethnischen Minderheit an, die im Land unerwünscht war. "Die Roma standen ganz oben auf der Liste, die die Serben nicht im Land haben wollten", erinnert sich Hasan an die Sanktionen: "Wir hatten keinen Pass und damit auch keine rechtmäßige Staatsbürgerschaft", übersetzt Jugendpfarrer Simo Marsic aus Sarajevo die Lebens- und Leidensgeschichte der Roma-Familie. Neben den bürokratischen Schikanen, war auch das Alltagsleben geprägt von Argwohn und offener Feindseligkeit. Als sich die politische Lage mehr und mehr zu spitzte, floh die damals dreiköpfige Familie nach Deutschland, um für acht Monate in Paderborn zu bleiben.

Natürlich stand es für die Familie damals fest, in ihr Heimatland zurück zu gehen. Bis 1995 hält es Familie Kasumov noch in Mazedonien aus, erst dann entschließen sie sich, alles zu verkaufen und nach Zrehjanin, einer Kleinstadt in Serbien, die rund eine Autostunde von Sarajevo gelegen ist, zu ziehen.

"Der Bruder meiner Frau lebte dort", führt Hasan die Gründe für den Wohnortwechsel an, "und wir dachten, wir hätten dort mehr Chancen auf Arbeit und auf ein besseres Leben" - eine Hoffnung, die sich leider nicht erfüllte.

Während der zwei Schuljahre, die der heute 14-jährige Avdulj in Zrehjanin absolvierte, habe man ihm deutlich seine Unerwünschtheit auf Grund der Ethnie spüren lassen: "Die anderen Kinder sprechen nicht mit Roma-Kindern", holt Naslija die traurigen Erinnerung zurück, "und das ist für mich das Schlimmste: Dass meine Kinder diese Ausgrenzung erfahren müssen." Den letzten Auslöser für eine erneute Flucht gab schließlich im Jahr 2000 die Bombardierung Serbiens durch die NATO wegen des Kosovo-Konfliktes. Als Luftangriffe auf das nahe gelegene Novi Sad geflogen wurden, bei dem die drei Donaubrücken und die örtliche Ölraffinerie gesprengt wurden, habe die Familie dem psychischen Druck kaum noch standhalten können. "Wir mussten den Kindern Tabletten geben, damit sie überhaupt schlafen konnten", erinnert sich der Familienvater an die lebenswidrigen Umstände.

Nachdem sie Montenegro hinter sich gelassen hatten, waren sie dann mit einem Flüchtlingsschiff nach Italien übergesetzt und verweilten dort die nächsten vier Tage in einem so genannten Auffanglager. Dort hörten sie auch von dem gesunkenen Schiff, das zwei Tage nach ihnen Montenegro ebenfalls mit Flüchtlingen am Bord verlassen hatte und vor der italienischen Küste gesunken war.

Von Italien führte der Weg erneut nach Deutschland, nach Paderborn, wo Hasan Kasumov als Asylsuchender schon anno 1990 verzeichnet war.
Während der vier Jahren in Paderborn kam die Familie, die 2002 durch die Geburt des kleinen Alfred auf sieben Köpfe angewachsen war, vorerst zur Ruhe.

Vor allem die drei ältesten Söhne Avdulj (mittlerweile 14 Jahre alt), Adam (12 Jahre) und der elfjährige Bilar hatten schnell unter den Paderborner Kindern Freunde gefunden. Als begeisterte Fussbalfans spielen sie in verschiedenen Paderborner Vereinen. Die Bundesliga interessiert daher wenig, denn für Avdulj ist der SC Grün-Weiß Paderborn der beste Club, denn "da spielen ich und meine Freunde". Es sei daher "eine ruhige Zeit" in Paderborn gewesen, erinnern sich die Eltern, da sie dort Aufnahme und Unterstützung gefunden hätten. Die älteren Kinder würden alle die Schule besuchen, und vor allem Avdulj hätte sich in der Realschule "pudelwohl gefühlt". Die anstehende Abschiebung löst daher Angst und auch Verzweiflung aus, da ihr Haus im serbischen Zrehjanin nicht nur zerstört, sondern vollkommen geplündert sei. "Nicht einmal die Steine sind noch dar", erklärt Simo Marsic, der der Familie bei der Rückkehr zur Seite stehen wird.

Der erste Termin für die Rückführung musste auf Grund des aufgebrochenen Kriegstraumas - das oft erst in zeitlicher und räumlicher Distanz den Traumatisierten einholt - von Naslija Kasumov um einen Monat verschoben werden. Aber der nächste Abschiebetermin, der 17. September, steht nun fest.

Mit Hilfe der Caritas, die von Belgrad aus eine Wiedereingliederungsinitiative für Serbien leitet sowie den beiden Jugendhäusern Hardehausen und Sarajevo soll der Familie Kasumov die Rückkehr erleichtert werden. Für den Wiederaufbau des Haus werden rund 10.000 Euro benötigt. Ein Teil der Summe wird durch die "Sarajevo"-Tournee aufgebracht. Aber auch private Spendengelder können helfen. Wer sich an dieser Hilfsaktion beteiligen will, kann auf das Konto der Bonenburger Pfarrgemeinde Kreuz-Erhöhung, Konto-Nr. 37 160 201, Bankleitzahl 472 603 07 bei der Bank für Kirche und Caritas Paderborn unter dem Kennwort: "Bosnien - Kasumov", Spenden einzahlen.


lok-red.warburg@neue-westfaelische.de

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