Manöverkritik - Chronologie - Aufrufe - Presseberichte (wird laufend weiter ergänzt) ,
14.08.2010 :
Bad Nenndorf, 14. August: Proteste gegen neonazistischen "Trauermarsch"
___________________________________________________
Manöverkritik:
( ... ) "Wäre der Klotz nur etwas weiter zur Fahrbahnmitte gelangt, dann wäre der Marsch ausgefallen", sagt eine Polizeisprecherin.
Quelle: open-report de vom 15. August 2010
___________________________________________________
Chronologie:
18.05 Uhr: Ein Großteil der Neonazis ist, nach Absingen eines verbotenes NS-Lied, bereits mit Zügen abgefahren. Die Polizei verzichtete auf Personalienfeststellung bei der Straftat.
17.51 Uhr: Die Neonazis halten ihre Abschlusskundgebung am Bahnhof ab.
17.10 Uhr: Die Kundgebung ist beendet, die Neonazis machen sich auf den Rückweg zum Bahnhof.
16.58 Uhr; Marcus Winter spricht. Zuvor musste ein "Kamerad aus Sachsen-Anhalt" auf Anordnung der Polizei seine Ansprache wegen NS-Verherrlichung beenden. Die Rede der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel wurde verlesen.
16.43 Uhr: "Wir erleben immer wieder Durchburchsversuche", so ein Polizei-Sprecher.
16.38 Uhr: Siren, Trillerpfeifen und Tröten aus einer Versammlung in der anliegenden Kramerstraße beeinträchtigen die Kundgebung der NS-Verherrlicher erheblich.
16.33 Uhr: Auf der Kundgebung spricht ein "Kamerad aus Chemnitz". Ein Neonazi, der einen Journalsiten gegen die Kamera geschlagen hatte, wurde festgenommen.
16.17 Uhr: Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei bei einem Blockade-Versuch in der Horster Straße / Bahnhofstraße.
16.01 Uhr: Die Neonazis bereiten eine Zwischenkundgebung am Wincklerbad vor, ein Transparent "Besatzer raus" wird von einem Wagen entrollt.
15.45 Uhr: Der Neonazi-Aufmarsch Zug zieht eingerahmt von SEK-Einheiten an der Pyramide unter "Nazis raus!"-Rufen vorbei.
15.38 Uhr: Die Polizei konnte die Pyramide mit einem Presslufthammer nicht zerstören. Die Neonazis müssen auf der anderen Fahrbahn vorbeigeführt werden.
15.29 Uhr: Der Demonstrationszug der Neonazis beginnt.
15.18 Uhr: Versammlungsleiter Sven-Skoda verliest die Auflagen.
15.12 Uhr: Eine zweite Sitzblockade befindet sich weiterhin vor dem "Parkhotel".
15.05 Uhr: Die Polizei macht den Neonazis zur Auflage, dass die Holocaust-Leugner Ursula Haverbeck-Wetzel und Rigolf Henning keine Reden halten dürfen.
14.41 Uhr: Polizeiliche Räumung der Sitzblockade, teilweise Festnahmen.
14.29 Uhr: Zusätzliche zur Beton-Pyramide gibt es nun eine Sitzblockade unmittelbar vor dem Wincklerbad.
14.15 Uhr: Die Polizei bestätigt ihre Angabe von 850 anwesenden Neonazis, mehrere Ordner wurden wegen erheblicher Vorstrafen abgelehnt. Die Blockade vor dem Wincklerbad hat Bestand.
13.45 Uhr: Pyramiden-Blockade aus Beton mit angeketteten Menschen vor dem Wincklerbad, keine Bewegung bei Neonazi-Versammlung am Bahnhof.
13.19 Uhr: Nach Angaben der Polizei haben sich inzwischen 850 Neonazis am Bahnhof versammelt.
12.20 Uhr: Unveränderte Situation, etwa 100 Neonazis sind bisher eingetroffen.
12.03 Uhr: Der Beginn des "Trauermarsches" wird sich erheblich verzögern, es sind nur wenige Neonazis mehr vor dem Bahnhof bisher erschienen. Weiterhin versammeln sich dort um die 1.000 Menschen zum Protest. Das Bahn-Gebäude, die Demonstrationsroute und sämtliche umliegenden Straßen sind von der Polizei mit Hundertschaften hermetisch abgeriegelt.
11.39 Uhr: Ungefähr 900 Menschen haben sich nach Beendigung der spontanen Demonstration vor dem Bahnhof versammelt. Dort sind zur Zeit etwa 20 Neonazis sichtbar anwesend.
11.00 Uhr: Die stationäre Kundgebung mit circa 1.250 Teilnehmenden ist vom Versammlungsleiter beendet worden. Mehrere Hunderte Menschen bewegen sich in einem Demonstrationszug, begleitet von starken Polizeikräften, zum Bahnhof.
10.17 Uhr: DGB-Sekretär und Versammlungsleiter Steffen Holz verkündet, dass nun über 1.000 Menschen an der Kundgebung teilnehmen.
09.50 Uhr: Verspäteter Beginn der Kundgebung von DGB und "Bad Nenndorf ist bunt" an der Einmündung Hauptstraße / Horster Straße. Zur Zeit etwa 260 Teilnehmende. Im Kurpark findet noch ein Ökumenischer Gottesdienst statt.
___________________________________________________
Aufrufe:
Aufruf von Bad Nenndorf ist bunt - Bündnis gegen Rechtsextremismus: Bunt statt Braun - Den Nazis entgegentreten!
Am 14. August 2010 planen Neonazis den 5. "Trauermarsch" zum Wincklerbad in Bad Nenndorf. Sie wollen das ehemalige britische Verhörzentrum (1945 bis 1947) zu einer überregionalen rechtsradikalen Gedenkstätte machen. Bis zum Jahre 2030 haben sie ihre "Gedenkmärsche" schon angemeldet.
Seit 2006 konnten die Nazis ihre Teilnehmerzahlen jedes Mal steigern. Im vergangenen Jahr versammelten sich bereits über 700 Rechtsradikale in dem Kurort. Inzwischen bewerben sie den "Trauermarsch" in ganz Deutschland und dem nahegelegenen Ausland. Es ist davon auszugehen, dass sie Bad Nenndorf zu einem Ersatz für die seit 2005 verbotenen Aufmärsche zugunsten des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess im bayerischen Wunsiedel machen wollen. Ihre Absicht ist die Verharmlosung der NS-Kriegsverbrechen und die Aufrechnung mit Misshandlungen von Gefangenen durch die Siegermächte.
Im Verhörzentrum Wincklerbad waren führende Nazis wie der SS-Obergruppenführer Oswald Pohl inhaftiert, Leiter des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes der SS. Er war unter anderem für die Organisation des Holocaust und die wirtschaftliche Ausbeutung der KZ-Häftlinge verantwortlich. Er wurde wegen der Ermordung Zehntausender unschuldiger Menschen in Nürnberg zum Tode verurteilt. In Bad Nenndorf landeten aber auch Menschen auf Grund vager Verdächtigungen und vermeintliche sowjetische Spione. Es kam dort zu Misshandlungen und Folterungen, weshalb das Lager 1947 von den Briten geschlossen wurde.
In Bad Nenndorf wächst der Widerstand gegen die Neonazis. 2009 waren mehr als 1.500 Menschen an Gegenaktionen beteiligt. Im Jahr 2010 mobilisieren Vereine, Institutionen und Organisationen gemeinsam für das Ziel: Nazis raus - Bad Nenndorf bleibt bunt!
Wir fordern ein Verbot der Nazi-Aufmärsche am Wincklerbad in Bad Nenndorf.
Wir stehen für eine weltoffene, demokratische und solidarische Gesellschaft.
Wir zeigen Zivilcourage, wir bekämpfen alle Spielarten des Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus.
Wir rufen alle Menschen auf, gemeinsam mit uns friedlich gegen den Nazi-Aufmarsch zu demonstrieren.
Internet: www.bad-nenndorf-ist-bunt.com
Aufruf vom Bündnis NS-Verherrlichung stoppen!: NS-Verherrlichung stoppen! - No pasaran!
Auch diesen August wollen wieder Hunderte Neonazis aus Deutschland und dem benachbarten Ausland ihren "Gedenk"- Marsch in Bad Nenndorf abhalten. Ihrer Darstellung nach trauern sie um die Menschen, die während ihrer Inhaftierung im Winklerbad verstorben sind. Das Winklerbad war nach dem Zweiten Weltkrieg Verhörlager der britischen Armee, in dem unter anderem Oswald Pohl, SS-General und Leiter des SS- Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes und somit zuständig für die Konzentrationslager inhaftiert war. In Wahrheit geht es ihnen aber nur darum, die Geschichte zu ihren Gunsten um zu deuten. Aus deutschen Tätern sollen Opfer "alliierter Gewaltherrschaft" werden. Die Teilnehmerzahlen an diesem Aufmarsch steigen von Jahr zu Jahr. Es ist der größte Aufmarsch Norddeutschlands und der drittgrößte in der BRD.
Gegenproteste
Seit dem ersten Aufmarsch gibt es auch Proteste dagegen und Versuche den Aufmarsch zu verhindern. Diese wurden aber, durch ein massives Polizeiaufgebot be- beziehungsweise verhindert. Nichtsdestotrotz gab es immer wieder einfallsreiche Aktionen die den Aufmarsch verzögerten oder stören konnten. Gänzlich verhindert werden konnte er leider bisher nicht.
Und 2010? Dresden nach Bad Nenndorf holen!
Der 13.02.2010 in Dresden hat gezeigt, dass es durchaus möglich ist, einen Nazi-Aufmarsch komplett zu verhindern. Was in einer Großstadt funktioniert, sollte doch in einem kleinen Dorf erst recht klappen. Wenn Tausende GegendemonstrantInnen Dresden lahm legen konnten, welche Wirkung hätten sie dann erst auf die Lage in Bad Nenndorf? Deshalb rufen wir zu Massenblockaden am 14.08.2ß10 in Bad Nenndorf auf!
Massenblockaden?
Das Konzept der Massenblockaden bedeutet einen öffentlich angekündigten "Regelverstoß". Die Teilnahme an dieser Aktion ist außerdem nicht mit großem Risiko verbunden, denn es handelt sich um eine offene Aktionsform, an der jede/r teilnehmen kann.
Uns ist wichtig, dass möglichst viele Menschen aus unterschiedlichen politischen Spektren und gerade auch die mit weniger Aktionserfahrungen teilnehmen können. Es gibt verschiedene Formen des Widerstandes gegen Nazi-Aufmärsche. Gerade die Vielfalt an Aktionsformen, die nicht gegeneinander, sondern neben- und miteinander stattfinden, kann dem Aufmarsch wirksam etwas entgegensetzen. So wird die Teilnahme an der Aktion auch für Unerfahrene berechenbar. Trotzdem ist das Konzept klar auf eine praktische Politik der Verhinderung des Nazi-Aufmarsches gerichtet.
Eine solche Massenblockade kann nur durch ein breites gesellschaftliches Bündnis von unterschiedlichen politischen Spektren, wie es in vielen anderen Städten existiert, realisiert werden.
Nazi-Aufmärsche zu Krisenherden! - Deswegen brauchen wir eure Unterstützung:
Unterstützt die Massenblockaden gegen den Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf! Verteilt diesen Aufruf! Organisiert Informationsveranstaltungen und Busse für den 14.08.2010. Unterschreibt den Aufruf auf badnenndorf.blogsport.de.
Kommt in Massen und unterstützt die Blockaden!
Internet: www.badnenndorf.blogsport.de
Den Aufruf "Gemeinsam blockieren!" unterstützen:
Antifa-Infoportal Weser/Deister/Leine
Antifa (rk) Wunstorf
Antifaschistische Bewegung Nienburg
Antifaschistische Jugend Minden
Autonome Antifa Bückeburg
Antifaschistische Aktion Hameln-Pyrmont
Antifaschistische Aktion Barsinghausen
Die Linke Barsinghausen
Linksjugend ('solid) Hannover
lLppe alternativ
LiVe – Linkes Vechta
Grüne Jugend Hannover
Jusos Minden-Lübecke
VVN-BdA Kreisvereinigung Göttingen
Campus Grün Hannover
Antifaschistische Initiative Höxter
Theaterkeller-Kollektiv Göttingen
Jano Berlin
Mindener Bündnis gegen Gewalt und rechtsradikale Propaganda
Bündnis für gerechte Bildung Minden
Die Linke / SDS-Hochschulgruppe an der Leibniz Universität Hannover
Aktionsbündnis Minden gegen Nazis
AStA der Fachhochschule Bielefeld
Basisgruppe Geschichte Göttingen
Cable Street Beat - strictly antifascist Gütersloh
Gruppe Sozialistische Kulturarbeit (SKA) Gütersloh
Antifaschistisches Kreisplenum Gütersloh
Courage gegen Rechts Gütersloh
Courage gegen Rechts Rheda-Wiedenbrück
Netzwerk gegen Rassismus im Kreis Warendorf
ver.di-Jugend Niedersachsen-Bremen
DGB-Jugend Hannover
Jugend der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. (DLRG-Jugend, Bundesjugendvorstand)
Arbeitskreis "Blumen für Stukenbrock"
Vorbereitungskreis Antifa-Workcamp Stukenbrock
Antifaschistisches Komitee Bremen
Die Linke, Ortsverband Bad Nenndorf/Rodenberg
VVN/BdA Landesvereinigung Niedersachsen e.V.
Bad Nenndorf Boys - Ska-Punk seit 2002
a.k.a Rabatz
Linksjugend ('solid) Niedersachsen
Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen
Junge antifaschistische Initiative Lüneburg (j.a.I.L.)
ver.di-Jugend Süd-Ost-Niedersachsen
ver.di-Jugend Göttingen
ver.di-Jugend Northeim
VVN/BdA Niedersachsen e.V.
Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t., Marburg
Grüne Jugend Göttingen
Jugend Antifa Kreis Osnabrück
Die Linke, Kreisverband Region Hannover
Antifa Syke
Grüne Jugend Niedersachsen
Grüne Jugend Hamburg
Landesarbeitsgemeinschaft Rechtsextremismus/Antifaschismus Die Linke Niedersachsen
Bündnis 90 / Die Grünen Göttingen
ver.di-Bezirk Region Süd-Ost-Niedersachsen, Ortsverein Göttingen
Linksjugend ('solid) Northeim-Göttingen
Pia Zimmermann, Sprecherin der Linksfraktion im Niedersächsischen Landtag
Die Linke Linden-Limmer
Antifa Heinsberg
Antifa Bremen
Antifaschistische Aktion Paderborn
Infoladen Paderborn
Antifa Bad Oldesloe
Antifaschistische Praxis in Bielefeld
SDAJ Gütersloh
Projekt Farbenfroh
Basisgruppe Medizin Göttingen
Landesverband Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen
Sozialistische Jugend - Die Falken, Kreisverband Wolfsburg
Antifa Teltow-Fläming
Dortmund stellt sich Quer
a Gauche - Linke Jugendgruppe Bremen
Red and anarchist Skinheads (RASH) Berlin-Brandenburg
Siempre Antifascista Bündnis
Antifaschistische Aktion Hamm
Antifa-Café Oldenburg
ver.di Jugend Niedersachsen-Bremen
Antifaschistische Union Dortmund
Jusos - Stadtverband Göttingen
Jusos - Unterbezirk Göttingen
Die Linke Stadtverband Versmold
Linksjugend ('solid) Kreis Gütersloh
Linksjugend ('solid) Soltau
Die Linke Kreisverband Gütersloh
Juso-Hochschulgruppe Göttingen
Juso AG Seelze
Juso AG Langenhagen
Antifa Jugend Plauen
___________________________________________________
Pressespiegel - Übersicht Artikel:
Schaumburger Zeitung, 17.08.2010:
Klagen oder Beschwerde: DGB gönnt den Anwälten eine Pause
Antifa (rk) Wunstorf, 16.08.2010:
Nach Aufmarsch: Versuchter Nazi-Angriff
Blick nach Rechts, 16.08.2010:
Aufmarschmüde NS-Nostalgiker
Recherche Nord, 16.08.2010:
Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, 16.08.2010:
Pressemitteilung / Beschwerdeverfahren zu den Demonstrationen in Bad Nenndorf
Schaumburger Zeitung, 16.08.2010:
1.000 Neonazis marschieren einmal hin und wieder zurück
Lübbecker Kreiszeitung / Westfalen-Blatt, 16.08.2010:
Störungsfreier Zwischenstopp
Mindener Tageblatt, 16.08.2010:
Ewiggestrige bitte umsteigen! / Großaufgebot der Polizei begleitet Zugwechsel brauner Demonstranten am Bahnsteig
Vlothoer Anzeiger, 16.08.2010:
Haverbeck-Wetzel reist zum Aufmarsch in Bad Nenndorf an
junge Welt Online, 15.08.2010:
Polizeisperre umfahren
Evangelische Zeitung Online, 15.08.2010:
Initiative gegen Rechts soll im Dezember in Bad Nenndorf gegründet werden
Norddeutscher Rundfunk, 15.08.2010:
Festnahmen und Verletzte nach Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
Bild.de, 15.08.2010:
Streit zwischen Grünen und Schünemann wegen Demo
redok, 15.08.2010:
"Trauermarsch" mit 1.000 Neonazis in Bad Nenndorf
Störungsmelder, 15.08.2010:
1.000 Neonazis marschieren durch Bad Nenndorf
open-report de, 15.08.2010:
Mit Luftballons und bunten Fahnen gegen Rechts / Bad Nenndorf zeigt Flagge gegen Neonazis
Norddeutscher Rundfunk, 15.08.2010:
Festnahmen und Verletzte nach Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
die tageszeitung Online, 15.08.2010:
Rechte Demo in Bad Nenndorf / Aufmarsch in SA-Manier
Welt Online, 15.08.2010:
Bürger stören Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
NPD-BLOG.INFO, 15.08.2010:
Bad Nenndorf gegen Nazis
Bündnis NS-Verherrlichung stoppen!, 15.08.2010:
Pressemitteilung / Polizei sorgte für "national befreite Zone" in Bad Nenndorf
Schaumburger Nachrichten Online, 14.08.2010:
Nazi-Marsch und Gegenprotest: Polizei mit Großeinsatz zufrieden, wird aber von linken Aktivisten "übertölpelt"
Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke, 14.08.2010:
Rückreise der Rechtsextremen ohne Zwischenfälle
Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg, 14.08.2010:
Versammlungsrechtliche Aktionen in Bad Nenndorf am 14.08.10 nehmen einen positiven Verlauf
Schaumburger Nachrichten Online, 14.08.2010:
Kampf gegen Nazi-Aufmärsche geht weiter
Spiegel Online, 14.08.2010:
Neonazis in Bad Nenndorf / "Es ist eine Schande"
Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg, 14.08.2010:
Einladung zur Pressekonferenz
Norddeutscher Rundfunk, 14.08.2010:
Demo gegen Neonazis in Bad Nenndorf
Neue Westfälische Online, 14.08.2010:
Polizei begleitet Neonazis vorsorglich / Rechtsextreme auf dem Weg nach Bad Nenndorf
Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke, 14.08.2010:
Aufmarsch von Rechtsextremen fordert auch Mindener Polizei
Bild.de, 14.08.2010:
Demonstranten stören Auftakt der Rechten
Agence France-Presse, 14.08.2010:
Proteste gegen Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
Bild.de, 14.08.2010:
Proteste gegen Neonazi-Demo In Bad Nenndorf
Evangelische Zeitung Online, 14.08.2010:
Rund 1.200 Menschen protestieren in Bad Nenndorf gegen Aufmarsch von Rechtsextremisten
Norddeutscher Rundfunk, 14.08.2010:
Demo gegen Neonazis in Bad Nenndorf
Welt Online, 14.08.2010:
Mehr als 1.200 Teilnehmer bei Demo gegen Rechts
Radio Westfalica, 14.08.2010:
Bahnhof im Blick
WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 14.08.2010:
Polizei zeigt Präsenz
Schaumburger Zeitung, 14./15.08.2010:
Fröhlich gegen die geheuchelte Trauer
Schaumburger Zeitung, 14./15.08.2010:
Holz: "Der Bürgerprotest wird marginalisiert"
NPD-BLOG.INFO, 13.08.2010:
Bad Nenndorf: Zwei Stunden Protest genehmigt
Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg, 13.08.2010:
Oberverwaltungsgericht Lüneburg gestattet dem DGB eine stationäre Kundgebung in Bad Nenndorf
Evangelische Zeitung Online, 13.08.2010:
DGB darf gegen Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf demonstrieren
Norddeutscher Rundfunk, 13.08.2010:
Gericht erlaubt Demo gegen Neonazis nun doch
dener Tageblatt Online, 13.08.2010:
Umstrittenes Urteil aufgehoben / DGB darf nach viel Kritik nun doch in Bad Nenndorf gegen Neonazis demonstrieren
Süddeutsche Zeitung Online, 13.08.2010:
Thierse empört über Urteil zu Neonazi-Aufmarsch
Norddeutscher Rundfunk, 13.08.2010:
Empörung wegen Nazi-Aufmarschs in Bad Nenndorf
Störungsmelder, 13.08.2010:
"Ein trauriger Tag für die Zivilgesellschaft": Gericht erlaubt Neonazi-Aufmarsch
Norddeutscher Rundfunk, 13.08.2010:
Empörung wegen Nazi-Aufmarschs in Bad Nenndorf
Blick nach Rechts, 13.08.2010:
Ansporn zum Protest
Blick nach Rechts, 13.08.2010:
Militante Neonazis dürfen marschieren
Bild.de, 13.08.2010:
Landkreis wehrt sich gegen Neonazi-Demonstration
Bündnis NS-Verherrlichung stoppen!, 13.08.2010:
Bündnis "Nie wieder Faschismus" meldet Gegenkundgebung an
Schaumburger Zeitung, 13.08.2010:
Neonazis dürfen marschieren - DGB-Protest untersagt
Spiegel Online, 12.08.2010:
Gerichtsentscheidung / Neonazi-Marsch genehmigt - Gegendemo verboten
DGB Region Niedersachsen-Mitte, 12.08.2010:
Unglaublicher Vorgang: Verwaltungsgericht lässt Nazi-Aufmarsch zu und bestätigt Verbot der Gegendemonstration
Norddeutscher Rundfunk, 12.08.2010:
Neonazis dürfen in Bad Nenndorf marschieren
Bild.de, 12.08.2010:
Gericht: Neonazis dürfen marschieren
indi-rex - Informationsdienst Rechtsextremismus, 12.08.2010:
Neonazis dürfen marschieren, DGB-Demo vorerst weiter verboten
Verwaltungsgericht Hannover, 12.08.2010:
Entscheidungen zu den Demonstrationen in Bad Nenndorf / Wincklerbad
Bündnis NS-Verherrlichung stoppen!, 12.08.2010:
Pressemitteilung / Widerstand lässt sich nicht verbieten!
Schaumburger Zeitung, 12.08.2010:
DGB und Bündnis wollen friedlichen Protest
Schaumburger Zeitung, 12.08.2010:
Ganze Hundertschaften fehlen der Polizei
Schaumburger Zeitung, 12.08.2010:
Landkreis verbietet Nazi-Aufmarsch
NPD-BLOG.INFO, 11.08.2010:
"Trauermarsch" verboten - SA-Bezug aber kein Thema
Norddeutscher Rundfunk, 11.08.2010:
Landkreis verbietet Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
Blick nach Rechts, 11.08.2010:
Landkreis verbietet militanten "Trauermarsch"
Störungsmelder, 11.08.2010:
Landkreis verbietet Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
stern.de, 11.08.2010:
Landkreis verbietet geplante Neonazi-Demo in Bad Nenndorf am Samstag
DGB Region Niedersachsen-Mitte, 11.08.2010:
Bad Nenndorf: Verbot der Nazi-Veranstaltung am 14.08.2010 ein großer Erfolg / Kritik an Verbot für DGB-Veranstaltung / Neue Quellen: Nazi-Aufmarsch am 14.08. steht in NS-Tradition
Deutscher Depeschendienst, 11.08.2010:
DGB will Verbot von Anti-Neonazi-Demonstration nicht akzeptieren
indi-rex - Informationsdienst Rechtsextremismus, 11.08.2010:
"Trauermarsch" in Bad Nenndorf vorerst verboten
Norddeutscher Rundfunk, 11.08.2010:
Bad Nenndorf: Landkreis verbietet Demonstrationen
Schaumburger Wochenblatt, 11.08.2010:
Den Protest gegen Nazis nicht kriminalisieren
Schaumburger Wochenblatt, 11.08.2010:
Farbenfroher Protest gegen den Aufmarsch der Rechten / "Bündnis" organisiert Protestkundgebungen am Freitag und am Sonnabend
Schaumburger Nachrichten Online, 10.08.2010:
Landkreis erwägt Verbot für "Trauermarsch"
Norddeutscher Rundfunk, 10.08.2010:
Versammlungsverbot für Neonazis in Bad Nenndorf?
die tageszeitung, 10.08.2010:
Neonazis / Die Wahrheit des Badehauses
NPD-BLOG.INFO, 09.08.2010:
"Trauermarsch": Winnie Pooh und DGB vor Gericht
Norddeutscher Rundfunk, 09.08.2010:
Gerichtstermin für Neonazis und Gegendemonstranten
Schaumburger Nachrichten Online, 09.08.2010:
Demokraten treffen sich zum Frühstück
Radio Lippe, 09.08.2010:
DGB gegen Rechts
Bündnis 90 / Die Grünen - Stadtverband Hannover, 09.08.2010:
Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf verhindern! / Grüne beteiligen sich am gemeinsamen Frühstück auf der Nazi-Strecke
___________________________________________________
Schaumburger Zeitung, 17.08.2010:
Klagen oder Beschwerde: DGB gönnt den Anwälten eine Pause
Bad Nenndorf (rwe). Die Hundertschaften sind schon lange wieder daheim, Sperrgitter und Polizeiwagen verschwunden. Zwei Tage nach dem größten Polizeieinsatz in der Geschichte des Landkreises Schaumburgs erinnert nichts mehr an den Aufmarsch der etwa 1.000 Neonazis und die daraus folgenden Gegenproteste und das Aufgebot von 2.000 Ordnungskräften.
Auch beim DGB in Hannover, der für das Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" als Anmelder der friedlichen Gegendemonstration fungiert, herrscht erst einmal Durchatmen. Doch wie geht es weiter in dem Rechtsstreit um das Verbot, das der Landkreis Schaumburg verhängt hatte und das Verwaltungsgericht Hannover bestätigte? Regionsvorsitzender Sebastian Wertmüller will den Bielefelder Fachanwälten eine Pause gönnen. Diese hätten vergangene Woche zum Teil bis nachts um ein Uhr ihre Schriftsätze in dem Eilverfahren gegen das Demonstrationsverbot verfasst. Auch Wertmüller selber hat noch andere Aufgaben auf dem Schreibtisch, als in Bad Nenndorf den bürgerlichen Protest gegen die rechtsextremen "Trauermärsche" zu unterstützen. Zumindest bei den Anwalts- und Gerichtskosten sieht es gut aus. Auf 2.000 bis 2.500 Euro schätzt er diese. Eine spontane Sammlung bei der Kundgebung erbrachte 1.850 Euro. Wertmüller: "Das ist ein gutes Ergebnis."
Er lässt offen, in welcher Form der DGB nun juristisch vorgeht. Sein Kollegen Steffen Holz hatte in einer Rede sogar eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt. "Wir wollen den besten Weg erst mit den Anwälten suchen", so Wertmüller. Das könne eine Musterklage sein, möglicherweise gehe er auch auf dienstlichen Wegen gegen das Verfahren vor.
Mit dem friedlichen Verlauf sei "das eingetroffen, was wir prophezeit haben". Die Gefahrenprognose von Polizei und Landkreis "war übertrieben". Ob sich wie von der Polizei genannt 300 Linksextremisten im Einsatzraum befanden, kann er nicht sagen. Er habe mit 300 bis 400 Menschen in der Kramerstraße laut protestiert. Gut die Hälfte rechnet er der Antifa-Szene zu. Aber Gewalttäter konnte er darunter nicht ausmachen. Ohnehin hätten diese überhaupt nichts mit der friedlichen Bündnis-Veranstaltung zu tun.
Die von Rednern geäußerte Forderung, wie in Wunsiedel per Gesetz künftig Nazi-Ausmärsche in Bad Nenndorf zu verbieten, teilt Wertmüller nicht. "Die werden sich dann einen anderen Ort suchen. Ich bin für ein liberales Versammlungsrecht." Vielmehr sieht er nach den Diskussionen die Gefahr, dass die vom Landkreis verhängten und vom DGB beklagten Auflagen künftig per Gesetz allgemeingültig würden für jede Demonstration. "Bei Rechtsextremisten müssen wir in die Köpfe rein, das ist die eigentliche Arbeit."
Im Kreishaus wird davon ausgegangen, dass es ohne Verbot eine andere Lage gegeben hätte. Dadurch hätten wohl viele davon Abstand genommen, nach Bad Nenndorf zu kommen, so Ordnungsdezernentin Ursula Müller-Krahtz. Bei 2.000 Gegendemonstranten hätte die Situation möglicherweise anders ausgesehen. Ob sich tatsächlich 300 gewaltbereite Linksextreme in Bad Nenndorf befanden, kann sie nicht einschätzen. "Die Polizei muss sagen, wer da unterwegs war." Jedenfalls müsse ihre Behörde bei der Gefahrenabwehr "auf Nummer sicher" gehen. Sie rät dazu, dass sich der DGB künftig noch deutlicher von der linken Szene absetzen sollte und keine Gewalttäter dulden dürfe.
Zufrieden mit dem Verlauf ist auch Samtgemeindebürgermeister Bernd Reese. Die Polizei habe gute Arbeit geleistet, soweit er das beurteilen könne. Nun bleibe abzuwarten, wie die rechtlichen Verfahren weitergehen und der Gesetzgeber auf das von Bürgern als Skandal empfundene Urteil des Verwaltungsgerichtes reagiert. Enttäuscht zeigt er sich über viele Politiker aus dem Stadtrat und dem Samtgemeinderat. Beide Gremien hatten einstimmig Resolutionen gegen den Neonazi-Aufmarsch beschlossen und auch zur Teilnahme am friedlichen Protest dagegen aufgefordert. Von den Ratsleuten selber fehlten aber viele beim "Einstehen gegen Rechts" am Freitag und der Kundgebung am Sonnabend.
Bildunterschrift: Legt eine Verschnaufpause ein: DGB-Regionsvorsitzender Sebastian Wertmüller.
___________________________________________________
Antifa (rk) Wunstorf, 16.08.2010:
Nach Aufmarsch: Versuchter Nazi-Angriff
Nach dem Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf, welcher durch verschiedenste Formen des antifaschistischen Protestes gestört und verkürzt wurde, versuchten circa 40 der "friedlichen Trauermarschteilnehmer", das Kultur- und Kommunikationszentrum "Wohnwelt" in Wunstorf anzugreifen.
Gegen 22.00 Uhr, nachdem die in Minden von den Nazis angedrohte Demo um 20.00 Uhr nicht stattgefunden hat und die Faschisten um Marcus Winter "nach Hause" geschickt worden sind, bemerkten Personen, welche sich vor dem Kultur- und Kommunikationszentrum "Wohnwelt" in Wunstorf befanden, wie mehrere Autos in rasantem Tempo auf den gegenüberliegenden Deutsche Bahn-Parkplatz fuhren.
Man konnte beobachten, wie aus jedem Auto mehrere Personen mit Gegenständen in den Händen ausstiegen und sich ins Dunkel der weiter hinten liegenden Bäume verzogen. Innerhalb weniger Minuten kamen noch mehrere Autos hinzu, die Anzahl wuchs auf geschätzte 9 bis 10 Fahrzeuge, aus denen jeweils mehrere Personen ins Dunkel gingen. Sie leuchteten sich gegenseitig mit Taschenlampen an und die Gruppe wuchs auf eine erhebliche Anzahl an. Einige der Personen schienen vermummt und mit länglichen Gegenständen bewaffnet.
In Anbetracht der Tatsache, dass sich zu benanntem Zeitpunkt nur etwa 15 Personen in dem Autonomen Zentrum befanden und dieses bereits im März 2009 Ziel eines Angriffs von Neonazis geworden ist, bei welchem zwei Personen erheblich verletzt worden sind (*), entschlossen sich die Verantwortlichen, die Polizei zu verständigen.
Als dann ein Streifenwagen mit Blaulicht auf den Vorplatz des Zentrums fuhr, zerstreute sich die Gruppe auf dem Parkplatz schlagartig, überall gingen Autolichter an und mehrere Fahrzeuge rasten in verschiedene Richtungen davon. Während die PolizistInnen ausstiegen, hörte man auf einmal einen lauten Knall. Sowohl Polizei als auch Wohnwelt-BesucherInnen rechneten damit, dass ein Schuss gefallen sei. Die BeamtInnen griffen sofort zu ihren Waffen und rannten in die Richtung. Es stellte sich jedoch heraus, dass lediglich ein von den Nazis gezündeter Böller explodiert war.
Inzwischen waren mehrere Polizeiwagen angekommen und durchsuchten die Umgebung nach weiteren Fahrzeugen der Nazis. Augenscheinlich konnten 2 Fahrzeuge samt Insassen von den PolizistInnen festgesetzt werden.
Wie "friedlich" die Neonazis sind, welche in Bad Nenndorf am Mittag des benannten Tages marschiert sind, zeigt dieser zum Glück vereitelte Angriffs-Versuch auf ein Jugendzentrum wenige Kilometer von Bad Nenndorf entfernt.
Auch Nazis "im Anzug" (oder in weißen Hemden) sind und bleiben Nazis, Gewalttäter, Menschenverachter. In Bad Nenndorf und überall: Nazis entgegentreten! Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln!
(*) http://rk.blogsport.de/2009/03/20/wunstorf-da-geht-noch-was/
___________________________________________________
Blick nach Rechts, 16.08.2010:
Aufmarschmüde NS-Nostalgiker
Von Andrea Röpke
Zum fünften Mal in Folge seit dem Jahr 2006 zogen Neonazis durch Bad Nenndorf, um an angebliche "Kriegs- und Nachkriegsverbrechen" der Alliierten zu erinnern. Innerhalb der Szene erwies sich die Demonstration allerdings als Rückschlag.
Augenscheinlich stößt der "Kampf um die Straße" bei Freien Kameradschaften und NPD zur Zeit an seine Grenzen. Intern ist von "Aufmarschmüdigkeit" die Rede. Denn trotz umfangreicher, langfristiger und bundesweiter Mobilisierungs-Bemühungen schaffte es das Neonazi-Gedenkbündnis für Bad Nenndorf nur, rund 70 Anhänger mehr als im Jahr zuvor auf die Straße zu locken. Mit etwa 870 Teilnehmern blieb der "Trauermarsch" 2010 weit hinter den Erwartungen zurück.
Unterstützt von führenden Jungen Nationaldemokraten und Freien Kräften aus Nordrhein-Westfalen zogen die Neonazis um Marcus Winter zum fünften Mal vor das Wincklerbad in der Kurstadt um an angebliche "Kriegs- und Nachkriegsverbrechen" der alliierten Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg zu erinnern. Zwei Jahre lang, von 1945 bis 1947 hatte die britische Armee im Wincklerbad dort eine Verhörzentrale betrieben.
Mit komödiantischem Trick die Polizei getäuscht
Knapp 2.000 Polizeibeamte waren im Einsatz. Das Aufgebot galt allerdings eher den vielfältigen Gegenaktionen. Seit Monaten hatte die Polizeiführung versucht, auf das "Bündnis Bad Nenndorf ist bunt" und andere Organisationen mit einem möglichen Horror-Szenario von links einzuwirken. Von brutaler Gewalt autonomer Gruppen war immer wieder die Rede. Jugendliche Antifaschisten wurden bereits im Vorfeld verkriminalisiert. Manche reagierten eingeschüchtert. Doch die meisten Bad Nenndorfer ließen sich nicht beirren, sie unterstützten die Bemühungen von DGB, Bündnis, Grünen, SPD und der Linken.
Als es vier Gegendemonstranten mit einem komödiantischen Trick gelang, die Polizei zu täuschen, und sich auf der Demoroute der Neonazis an eine Beton-Ppyramide zu ketten, solidarisierten sich rund 20 Bad Nenndorfer, darunter fast der gesamte Vorstand des VfL Bad Nenndorf. Sie setzten sich zur Blockade auf die Straße. Zuvor hatten die vier engagierten Neonazi-Gegner die Behördenvertreter mit einfachsten Mitteln geneppt: Die Zeitschrift "Polizei Heute" auf dem Armaturenbrett ihres dunklen Transporters, Hamburger Gitter verdeckten die Pyramide auf dem Anhänger, uniformähnliche Kleidung und ein dem Landeswappen ähnliches Emblem der "Freien Republik Wendland" reichten, um ungehindert durch drei Absperrungen zu gelangen.
Redeverbot für verurteilte Holocaust-Leugner
Obgleich die Gegendemonstration zunächst verboten, dann in eine stationäre Kundgebung verwandelt wurde, ließen es sich die rund 1.000 Engagierten nicht nehmen mit bunten Einfällen vom Trauermarsch der Braunen abzulenken. Mit lauten Tröten, Vuvuzelas, Gesängen und Tanz zeigten sie ihren Protest. Auch Politiker, darunter einige Landtagsabgeordnete aus Hannover sowie der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy, waren vor Ort.
"Herr Schulz" bitte zu mir, hieß es dagegen immer wieder von Seiten der Polizeieinsatzleitung am Bahnhof. NPD-Mann Matthias Schulz aus Verden musste als Anmelder des Trauermarsches die Kameraden lange vertrösten. Zudem gab es immer wieder Auflagen und Ermahnungen der Beamten. Weiße Shirts mit einem Spruch des NS-Dichters Heinrich Anacker sollten auf links gezogen werden, zahlreiche Neonazis liefen daher mit den Innennähten nach außen herum. Andere trugen weiße Hemden. Ähnlich hatten es die Nationalsozialisten 1932 während eines kurzzeitigen Verbots der SA gemacht. Zahlreiche Ordner wurden abgelehnt. Unter den Aufmarsch-Gästen waren unzählige Straftäter. Besonders erbost reagierten viele Neonazis auf das erteilte Redeverbot für die beiden verurteilten Holocaust-Leugner Rigolf Hennig und Ursula Haverbeck.
NPD-Ordnungsdienst in Hemden mit Adlerkopf
"Für die Opfer alliierter Kriegs- und Nachkriegsverbrechen" konnte sich der Zug dann um Stunden verspätet in Bewegung setzen. Als nationale Frauengruppen präsentierten sich dabei die "Düütschen Deerns" aus der Lüneburger Heide und der "Ring Nationaler Frauen" mit seiner Vorsitzenden Edda Schmidt aus Baden-Württemberg. Freie Kräfte und rund 200 Autonome Nationalisten unter anderem aus der Altmark, Kiel, Schleswig Berlin und Brandenburg, Dresden, Leipzig und Chemnitz, München, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und dem Südharz waren angereist.
NPD-Vorständler wie Thomas Wulff und Thorsten Heise fehlten ebenso wie Organisatoren der Vorjahre. Dafür übernahmen führende JNler einen Teil der Aufgaben. Der Landesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten in Sachsen-Anhalt Andy Knape, von Beruf Ökonom für Personalmanagement, führte den NPD-Ordnungsdienst in eigenen Hemden mit Adlerkopf als Zeichen an. Ihm assistierte Christian Fischer aus Vechta.
Drohungen und Angriffe gegen Medienvertreter
Die Route über die Bahnhofstraße war kurz. Eine angrenzende Schule, die Jüdische Gemeinde, Sportstätten und Privatgärten waren geschmückt mit bunten Socken, Plakaten oder eigenen Transparenten. Auch ältere Bürger riefen diesmal ihren Abscheu heraus.
Am Kundgebungsort vor dem Wincklerbad kam es immer wieder zu Drohungen und kleinen Angriffen gegen Medienvertreter, einem ausländischen Fernsehteam wurde die Kamera beschmiert. Einschüchterungsversuche reichten von angedrohten Hausbesuchen bis hin zu Schlägen. Zahlreiche jüngere Neonazis liefen mit "Medienbinden" ungestört herum, fotografierten Gegendemonstranten, Journalisten und Polizeibeamte.
"Die parlamentarische Demokratie zum Wanken bringen"
Die Redebeiträge der Nationalisten ähnelten denen der Vorjahre. Patrick Fischer aus Chemnitz lehnte in einer theatralisch vorgetragenen Ansprache den "Kampf um die Parlamente" der NPD ab, so sei es "utopisch das System als Fliegengewicht" verändern zu wollen. Eher sei es ihre Aufgabe die parlamentarische Demokratie zu stören, "sie zur Weißglut zu bringen". Doch dies sei "nur mit wahrhaftigen Nationalsozialisten" möglich, so Fischer. Organisator Winter beklagte die Redeverbote von Haverbeck und Hennig.
Schnell waren die Neonazis zurück am Bahnhof. Dort stimmten zahlreiche Teilnehmer, darunter auch Winter, das zuvor untersagte NS-Lied "Ein junges Volk steht auf" an - Ermittlungen wurden aufgenommen. Insgesamt kam es zu 17 Festnahmen in Bad Nenndorf. Polizeikräfte sicherten den Abzug der Neonazis in den Zügen und angrenzenden Bahnhöfen. Auch eine angekündigte kurze Spontan-Demonstration des unzufriedenen Marcus Winter im nahen Minden konnte nicht über den Rückschlag innerhalb der Szene hinwegtäuschen.
___________________________________________________
Recherche Nord, 16.08.2010:
Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
Bad Nenndorf: Am vergangenen Samstag versammelten sich 870 Neonazis, vorwiegend aus dem Spektrum der freien Kameradschaften und der autonomen Nationalisten, im niedersächsischen Bad Nenndorf zu einem "Trauermarsch". Zu der von Matthias Schulz angemeldeten Veranstaltung erschienen neben niedersächsischen Neonazis auch TeilnehmerInnen aus dem Ruhrgebiet, Berlin, Sachsen, Bayern und anderen Regionen.
Einige Führungskader, die in bei dem jährlichen Aufmarsch bisher zentrale Aufgaben wahrgenommen hatten, etwa Thomas Wulff, fehlten allerdings in diesem Jahr.
Während es den Neonazis zunächst gelang die Demonstration im Stil eines Trauermarsches zu halten, zeigte sich gegen Ende die provokante Attitüde der autonomen Nationalisten. So wurde kurz vor Auflösung der Versammlung ein verbotenes HJ-Lied angestimmt. Anschließend versammelten sich 150 Neonazis unter Führung von Marcus Winter erneut in Minden zu einer Spontan-Demonstration.
Der Trauermarsch in Bad Nenndorf fand bereits zum fünften Mal statt. Begleitet wurde die Veranstaltung auch in diesem Jahr von zahlreichen GegendemonstrantInnen, die ihren Protest in vielfältiger Form zum Ausdruck brachten, so unter anderem durch die erneute Platzierung einer Beton-Pyramide auf der Route der Neonazis sowie die offensichtlich zur WM in Mode gekommenen Vuvuzelas, und damit eine gewisse zeitliche Verzögerung verursachten.
Bilder: www.recherche-nord.com/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=476&Itemid=149
___________________________________________________
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, 16.08.2010:
Pressemitteilung / Beschwerdeverfahren zu den Demonstrationen in Bad Nenndorf
Das OVG Niedersachsen hat mit Beschlüssen über die Beschwerden des Landkreises Schaumburg und des DGB gegen die Beschlüsse des VG Hannover vom 12.08.2010 entschieden.
Die Beschwerde des DGB hatte teilweise Erfolg: Nach der Entscheidung des Senats muss dem DGB die Durchführung einer stationären Versammlung gestattet werden. Der konkrete Ort muss noch vom Landkreis bestimmt werden. Die Beschwerde des Landkreises, die darauf gerichtet war, die Vollziehbarkeit seiner Verbotsverfügung gegen die Demonstration der Rechten bestätigen zu lassen, ist hingegen erfolglos geblieben. Auch diese Demonstration darf aber nur auf einer eingeschränkten Route stattfinden.
Das bedeutet, dass letztlich beide Demonstrationen in eingeschränkter Form in Bad Nenndorf stattfinden können. Einen polizeilichen Notstand, auf den der Landkreis seine Totalverbote gestützt hatte, hat der Senat weder feststellen noch ausschließen können. Er ist deshalb im Wege der Abwägung zu den genannten Entscheidungen gelangt.
Die Entscheidungen des Senats können nicht mit einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
Az.: 11 ME 313/10 und 11 ME 315/10
___________________________________________________
Schaumburger Zeitung, 16.08.2010:
1.000 Neonazis marschieren einmal hin und wieder zurück
Bad Nenndorf. 1.000 Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet haben sich am fünften so genannten Trauermarsch zum ehemaligen Verhörzentrum Wincklerbad beteiligt, 200 davon rechnet die Polizei den autonomen Nationalisten zu.
Auch Funktionäre der NPD, Führungskader vom Ring Nationaler Frauen und verbotenen Organisationen wie der Heimattreuen Deutschen Jugend oder der FAP waren dabei. Mitglieder einer Kameradschaft aus München haben bereits in Zusammenhang mit einem geplanten Bombenanschlag auf das Jüdische Zentrum von sich Reden gemacht.
In Bad Nenndorf erwartete sie kein leichter Weg: Durch eine erneute Blockade auf der Bahnhofstraße mussten die Rechtsextremisten mehrere Stunden warten, um ihren erstmals nur auf die Bahnhofstraße beschränkten Marsch zu starten. Zudem wurden viele ihrer Ordner von der Polizei abgelehnt. Die Suche nach Ersatzkandidaten ohne Vorstrafen gestaltete sich schwierig.
Schon bei der Kontrolle im Sichtungszelt hinter dem Bahnhof mussten sie ihre 2009 von der Polizei verteilten weißen T-Shirts auf links drehen oder der Polizei aushändigen. Der Grund: ein von den Nazis aufgebrachter Aufdruck mit einem Gedicht in SA-Tradition. Auch die Rednerliste wurde eingedampft. Zwei wurden komplett ausgeschlossen: der wegen Volksverhetzung verurteilte Arzt und NPD-Kreistagsabgeordnete Rigolf Henning (Verden) und Ursula Haverbeck-Wetzel, Geschichtsrevisionistin und Vorsitzende des inzwischen verbotenen Collegium Humanum. Ein Nazi aus den Niederlanden musste seine Frisur im Adolf-Hitler-Look ändern. Neonazi-Kader und Wortführer Sven Skoda (NRW) witterte angesichts der Verzögerungen Schikane und drohte dem Einsatzleiter: "Geben Sie die Straße frei, sonst kommen wir jeden Tag und überallhin." Der Tross zog in weißen Hemden mit schwarzen Fahnen in SA-Manier flankiert von Polizisten zum Wincklerbad, vorbei an bunten Transparenten und Schmährufen der Anwohner. Am Wincklerbad erwarteten sie Sirenengeheul und das Tröten von Vuvuzelas. Polizisten schirmten die Gegendemonstranten in der Pyramide ab und führten den Trauerzug daran vorbei. Per Hubwagen entblätterten die Neonazis ein Transparent und überwachten in luftiger Höhe das Dach des Wincklerbads, um nicht, wie 2009, im Konfetti-Regen zu stehen.
Der Lärm aus der Kramerstraße machte die Neonazis zunehmend nervös. Als Anmelder und einer der Initiatoren des Trauermarsches erinnerte Marcus Winter die Polizei in zahllosen Aufrufen an ihre Pflicht und warnte die Stadtoberen vor dem polizeilichen Notstand. Die Polizei unterbrach die Ansprache des sachsen-anhaltischen Landesvorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten, Andy Knape, wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen Paragraph 130 Strafgesetzbuch durch Glorifizierung der Waffen-SS. Damit nicht genug: Bei der Abschlusskundgebung am Bahnhof sangen die Rechtsextremisten ein Lied der Hitlerjugend. Wegen des Verdachts einer Straftat intervenierte die Polizei erneut. Entsprechende Lautsprecherdurchsagen beantworteten die Nazis durch noch lauteren Gesang. Auch hier werde ein Strafverfahren eingeleitet, sagte Einsatzleiter Frank Kreykenbohm in der Pressekonferenz am Abend. Um 18.30 Uhr war der Spuk vorbei, die Neonazis ließen sich von der Polizei in die S-Bahnen leiten, nicht ohne Drohgebärden in Richtung der Gegendemonstranten hinter den Absperrgittern.
Bildunterschrift: Lauter Protest gegen die Neonazis: In der Kramerstraße machten die Gegendemonstranten viel Lärm.
___________________________________________________
Lübbecker Kreiszeitung / Westfalen-Blatt, 16.08.2010:
Störungsfreier Zwischenstopp
Minden (WB). Ein Aufmarsch von Rechtsextremen im niedersächsischen Bad Nenndorf hat am Samstag auch die Polizei des Kreises Minden-Lübbecke in Alarmbereitschaft versetzt. Denn rund um den Mindener Bahnhof wurde die Anreise von etwa 260 Teilnehmern erwartet. Dies verlief nach Angaben der Polizei störungsfrei. Am Abend erwarteten die Beamten auch die Rückkehrer an ihrem Umsteigebahnhof Minden. Um kurz nach 19 Uhr traf der Regionalexpress mit rund 250 Anhängern der rechten Szene in Minden ein. 70 Fußballanhänger aus Bremen, die von einem Pokalspiel in Ahlen kamen, wurden von den Rechtsextremen fern gehalten. Um 21.30 Uhr war Einsatzende.
___________________________________________________
Mindener Tageblatt, 16.08.2010:
Ewiggestrige bitte umsteigen! / Großaufgebot der Polizei begleitet Zugwechsel brauner Demonstranten am Bahnsteig
Von Jürgen Langenkämper
Minden (mt). "Löhne umsteigen!" Der Drillruf aus dem Roman "Im Westen nichts Neues" war einmal. "Minden umsteigen" lautete die Parole für einen Haufen Ewiggestriger am Samstag auf ihrem Weg nach Bad Nenndorf.
Ein Großaufgebot der Polizei hatte die mit rückwärts gewandten Absichten organisierte Zeitreise zu sichern. Unterwegs waren rund 200 zum Teil als gewaltbereit geltende Reisende, die sich aus so genannten Freien Kameradschaften und anderen Neonazi-Gruppen rekrutierten. Für die aus dem Ruhrgebiet anreisenden Gruppen endete der Regionalexpress aus Düsseldorf auf Gleis 11. Von hier aus sollte es mit der S-Bahn in Richtung Hannover weitergehen.
Ab 9 Uhr zeigte die Einsatzhundertschaft der Polizei aus Bielefeld Präsenz. Das reichte allemal aus, um den zwei Dutzend meist schwarz-weiß gekleideten Männern mit Sonnenbrillen und den wenigen Frauen Paroli zu bieten.
Verwundert waren viele ahnungslose Reisende über die zahlreichen Polizisten in voller Montur. Wenn Polizeisprecher Ralf Steinmeyer ihnen die Zusammenhänge erklärte, zeigten sich die Reisenden geradezu beruhigt und warfen einen vorsichtig neugierigen und skeptisch bis abschätzigen Blick in Richtung der Gruppe.
Aber nicht alles klappte wie geplant. Statt der Gesinnungsgenossen stiegen um 10.30 Uhr lediglich Wochenendtouristen aus der Bahn. Dafür kam gegen 11 Uhr eine weitere Einsatzhundertschaft, diesmal von der Bundespolizei aus Osnabrück und in blauer Uniform, mit Kameras und sogar Feuerlöschern für alle Eventualitäten ausgerüstet. Werder Bremen-Fans auf dem Weg zum Pokalspiel nach Ahlen wunderten sich.
Etwas besser informiert als mancher Mitläufer, traf Marcus Winter kurzfristig am Bahnhof ein. Er ist der Initiator der zweifelhaften NS-Nostalgie-Demos. Der früher in Schaumburg lebende Neonazi soll sich nach seiner Haftentlassung wieder in Minden niedergelassen haben.
Kurz nach 11.30 Uhr spuckte der Regionalexpress rund 200 Neonazis aus. Die Polizei sorgte dafür, dass die S-Bahn nach Hannover nicht ohne den Pulk startete. Dabei kam es zu einer Verzögerung des Fahrplans.
Auf eine zunächst unscheinbare alte Dame hatte ein weiterer stadtbekannter Neonazi aus Minden ein Auge: Mathias Schwier, Betreiber einer braune Szene-Plattform im Internet, achtete darauf, dass Ursula Haverbeck-Wetzel vom verbotenen Collegium Humanum in Vlotho den richtigen Waggon erwischte. Die ergraute Regional-Ikone all jener, die dem Tausendjährigen Reich hinterher trauern, umklammerte in ihrer Hand bereits eine vorbereitete Rede.
Die durfte die einschlägig vorbestrafte Holocaust-Leugnerin in Bad Nenndorf jedoch nicht selbst beim "Trauermarsch", so die Selbstbezeichnung der Rechten, halten. Statt dessen verlas Winter den Text.
"Same Procedure" am Abend: Großes Polizeiaufgebot, aber einige Neonazis hatten den Zug verpasst - unter anderem, weil die Polizei in Bad Nenndorf Strafverfahren gegen den dortigen Versammlungsleiter und einige Teilnehmer wegen Absingens eines verbotenen Liedes einleitete.
Marcus Winter versuchte diese Gelegenheit zu nutzen, um sich selbst in Szene zu setzen und auf der Rückreise eine Spontandemo am Bahnhof Minden kurz nach 19 Uhr anzumelden. Das passte nicht allen der 250 Gesinnungsgenossen in den persönlichen Fahrplan, um nach langem Reisetag noch die letzte Eisenbahn heimwärts zu erwischen. Bis 21.15 Uhr hatte die Polizei ein Auge darauf, dass nach und nach alle Demonstranten ihre Anschlusszüge in Richtung Bielefeld und ins Ruhrgebiet nahmen.
Auch rund 70 Fußballanhänger aus Bremen legten auf der Heimreise aus Ahlen einen Zwischenstopp ein. Die Einsatzkräfte sorgten dafür, dass sich beide Gruppierungen nicht zu nahe kamen, teilte Steinmeyer mit.
Mit den Worten "Zwischenfälle wurden auch am Abend nicht verzeichnet", endete der Polizeibericht um 21.30 Uhr. "In Minden nichts Neues."
Bildunterschrift: Vor laufender Kamera: Ursula Haverbeck-Wetzel aus Vlotho sucht auf dem Bahnhof Minden Anschluss an Gesinnungsgenossen auf dem Weg nach Bad Nenndorf.
___________________________________________________
Vlothoer Anzeiger, 16.08.2010:
Haverbeck-Wetzel reist zum Aufmarsch in Bad Nenndorf an
Vlotho/Minden/Bad Nenndorf (va). Der Aufmarsch von Rechtsextremen im niedersächsischen Bad Nenndorf zu einem so genannten "Trauermarsch" am vergangenen Samstag hat auch die Polizei in Minden gefordert. Die Beamten sorgten am Vormittag während der Anreise und am Abend während der Abreise der Demonstrationsteilnehmer im und um den Mindener Bahnhof für die nötige Sicherheit. Zu Zwischenfällen kam es nicht.
Auch die Vorsitzende des inzwischen verbotenen, rechtsextremen Vereins Collegium Humanm aus Vlotho, Ursula Haverbeck-Wetzel, war vor Ort (Foto). Sie sollte eigentlich in Bad Nenndorf eine Rede halten, dieses wurde ihr kurzfristig verwehrt. Ihre Rede wurde von einem Vertreter verlesen.
___________________________________________________
junge Welt Online, 15.08.2010:
Polizeisperre umfahren
Im niedersächsischen Kurort Bad Nenndorf haben am Samstag etwa 1.200 Menschen gegen einen Aufzug von rund 1.800 Neofaschisten protestiert. Die Polizei sorgte mit 2.000 Beamten dafür, dass die Rechten durch die Stadt ziehen konnten. Es kam aber zu stundenlangen Verzögerungen.
Spektakulär und erfolgreich zugleich war vor allem eine Blockadeaktion etwa 100 Meter vom Ort der Abschlusskundgebung der Neonazis entfernt. Vier in polizeiähnlichen Uniformen gekleidete Männer hatten Sicherheitssperren mit einem Kleinlaster umfahren, eine 1,30 Meter hohe Betonpyramide auf der Route abgeladen und sich daran festgekettet. Die Polizei war nicht in der Lage, den Block samt Antifaschisten von der Straße zu räumen. Es gelang ihr auch nicht, die vier Männer von der Pyramide zu trennen. Rund 30 Bürgerinnen und Bürger aus dem Ort unterstützten die Aktion, setzten sich dazu und sangen Friedenslieder. Viele klatschten Beifall. Schließlich sicherten sie die vier Blockierer ab und führten die Neofaschisten an ihnen vorbei.
Zuvor hatten kleinere Gruppen von Antifaschisten mehrfach versucht, auf die Route der Nazis, die durch Protestbanner geschmückt war, zu gelangen. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Diese meldete am Abend 17 Verhaftungen. Ihnen würden Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch, Körperverletzung und Widerstand vorgeworfen. Nach Behördenangaben wurde auch gegen den Versammlungsleiter der Neonazis und Teilnehmer von deren Veranstaltung Ermittlungsverfahren eingeleitet. Sie hatten "strafrechtlich relevantes" Liedgut gesungen.
Um den Aufmarsch, der von den Rechten offenbar als jährliche Ersatzveranstaltung für die verbotenen Heß-Gedenkmärsche etabliert werden soll, hatte es im Vorfeld ein juristischen Tauziehen gegeben. Am Ende durften die Neonazis durch den Ort marschieren, während dem Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" nur eine stationäre Kundgebung am Bahnhof zugestanden wurde. Zunächst waren beide Veranstaltungen verboten worden. Begründet wurde der Erlass mit einem angeblichen "polizeilichen Notstand". In zweiter Instanz wurde der Nazi-Aufmarsch erlaubt, weil die Richter der Meinung waren, eine Veranstaltung sei abzusichern. Sie entschieden sich für den rechten Aufmarsch, weil auf der Gegenseite mehr Gewalttäter zu erwarten seien. Erst am Freitag Abend wurden dem DGB und dem Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" eine Kundgebung genehmigt. Der DGB-Regionsvorsitzende Sebastian Wertmüller bezeichnete es als "Skandal", dass Kirchen und Gewerkschaften "wie Aussätzige behandelt" würden.
Auch die niedersächsischen Grünen zeigten sich unzufrieden mit der Genehmigungsprozedur. "Das war ein abstruser Vorgang, wenn man bedenkt, dass Jahr für Jahr 10.000 Polizisten für den Castor nach Gorleben aufgeboten werden", sagte der Grünen-Politiker Stefan Wenzel.
___________________________________________________
Evangelische Zeitung Online, 15.08.2010:
Initiative gegen Rechts soll im Dezember in Bad Nenndorf gegründet werden
Hannover/Bad Nenndorf (epd). Die hannoversche Landeskirche will im Dezember in der Bad Nenndorfer Godehardi-Kirche eine Initiative gegen Rechtsextremismus gründen. Die Auswahl der Kurstadt bei Hannover habe auch damit zu tun, dass Bad Nenndorf ein von den Rechtsextremisten "gebeutelter Ort" sei, sagte der evangelische Superintendent Andreas Kühne Glaser (Rinteln) am Wochenende in Bad Nenndorf. Die Initiative mit dem Namen "Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" solle in der gesamten Landeskirche zwischen Hann. Münden und Cuxhaven wirken.
Es gehe unter anderem darum, vorhandene Aktivitäten besser miteinander zu vernetzen, sagte Kühne-Glaser: "Vor allem will die Initiative in jeder Hinsicht helfen, unser aller Einsatz aufrechtzuerhalten und zu stärken." Der Superintendent hatte am Wochenende in mehreren Veranstaltungen mit mehr als 1.200 Teilnehmern gegen den Aufmarsch von rund 1.000 Neonazis in Bad Nenndorf protestiert. In einem Ökumenischen Gottesdienst am Samstagmorgen sagte er, bei aller Wut im Bauch dürfe dennoch nicht der Hass gegen andere Menschen das Handeln bestimmen.
Die Rechtsextremisten hatten zum fünften Mal zu einem "Trauermarsch" aufgerufen. Im Wincklerbad, das heute von der Kurverwaltung genutzt wird, befand sich von 1945 bis 1947 ein britisches Militärgefängnis für Nazis. Dort sollen Gefangene auch gefoltert worden sein. Diese Misshandlungen sind dem DGB zufolge damals umgehend geahndet und von der Öffentlichkeit in Großbritannien verurteilt worden.
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 15.08.2010:
Festnahmen und Verletzte nach Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
15.08.2010 - 18.05 Uhr
Nach dem Aufmarsch von Rechtsextremisten und einer Gegendemonstration am Sonnabend in Bad Nenndorf hat die Polizei am Sonntag Bilanz gezogen. Etwa 2.000 Beamte waren im Einsatz. Etwa 870 Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet seien durch die Stadt marschiert, davon etwa 200 autonome Nationalisten.
Mehrere Beamte verletzt
Nach Angaben der Polizei hielten sich zudem etwa 300 Linksextremisten in der Stadt auf. Einige hätten immer wieder versucht, Polizeiabsperrungen zu durchbrechen, um den Aufzug der Rechten zu stören. Dabei seien mehrere Beamte verletzt worden. Insgesamt wurden 17 Menschen vorläufig festgenommen. Vor der Aktion der Rechten hatten sich etwa 1.000 Menschen friedlich versammelt, um gegen deren "Gedenkmarsch" zu demonstrieren. Auf Transparenten war zu lesen: "Bad Nenndorf wehrt sich" und "Deutsche Täter sind keine Opfer".
Politisches Nachspiel
Unterdessen geht der Streit um das vorläufige Verbot der Anti-Nazi-Demonstration weiter. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel bezeichnete die Erklärung des polizeilichen Notstandes als "Offenbarungseid" für den Innenminister. Die Gegendemonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sollte verboten werden, weil es nicht gelungen sei, 500 weitere Polizisten aufzubieten. Angesichts des großen Polizeiaufgebots bei den Castor-Transporten sei das ein "abstruser Vorgang".
Juristisches Tauziehen und Streit über Demo-Verbot
Im Vorfeld der beiden Demonstrationen hatte es ein juristisches Tauziehen um deren Genehmigungen gegeben. Erst am Freitagabend erteilte das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg seine Erlaubnis für die Protestaktionen gegen die Neonazis. Der Marsch der Rechten war bereits genehmigt. Beide Kundgebungen fanden zeitlich und räumlich getrennt voneinander statt. Der Landkreis Schaumburg hatte zunächst beide Kundgebungen am Mittwoch verboten mit der Begründung, es herrsche polizeilicher Notstand. Am Donnerstag entschied das Verwaltungsgericht Hannover aber, dass die Neonazis demonstrieren dürfen, während die DGB-Veranstaltung zunächst unter anderem mit dem Argument abgelehnt wurde, dass mit mehr gewalttätigen Anhängern der linksextremen Szene zu rechnen sei. Die Entscheidung hatte in der Politik und bei der Gewerkschaft zu empörten und teilweise wütenden Reaktionen geführt.
Rechte marschieren seit fünf Jahren in Bad Nenndorf
Im vergangenen Jahr hatten sich mehr als 800 Neonazis in der Kurstadt versammelt. An Gegendemonstrationen beteiligten sich 2009 etwa 1.500 Menschen. Neonazis veranstalten in Bad Nenndorf bereits seit fünf Jahren so genannte Trauermärsche zum Bad Nenndorfer Wincklerbad. Dort hatte die britische Armee von 1945 bis 1947 ein Verhörzentrum für Nationalsozialisten eingerichtet. Die Neonazis protestieren gegen angebliche "Kriegs- und Nachkriegsverbrechen" der alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkrieges.
___________________________________________________
Bild.de, 15.08.2010:
Streit zwischen Grünen und Schünemann wegen Demo
15.08.2010 - 16.53 Uhr
Hannover (dpa/lni). Bei der Beurteilung des Aufmarsches von Rechtsextremen in Bad Nenndorf gibt es einen Schlagabtausch zwischen der Fraktion der Grünen im Landtag und Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Die Erklärung des polizeilichen Notstandes sei ein "Offenbarungseid" für den Innenminister gewesen, teilten Grünen-Fraktionsvorsitzender Stefan Wenzel sowie die Abgeordneten Ursula Helmhold und Helge Limburg am Sonntag mit. Es sei Schünemann nicht gelungen, ausreichend viele Polizisten aufzubieten. Angesichts des großen Polizeiaufgebots bei den Castor-Transporten sei das ein "abstruser Vorgang". Schünemann wies diesen Vorwurf als "absurd" zurück.
___________________________________________________
redok, 15.08.2010:
"Trauermarsch" mit 1.000 Neonazis in Bad Nenndorf
Bad Nenndorf. Rund 1.000 Neonazis sind am Samstag im niedersächsischen Kurort Bad Nenndorf aufmarschiert. Gegendemonstranten gelang es, den Aufmarsch zu verzögern. 2.000 Polizisten sicherten die Neonazi-Demo ab.
Ähnlich wie Polizisten gekleidet, gelang es vier Nazi-Gegnern auf der nur einen knappen Kilometer langen Aufmarsch-Strecke eine Beton-"Pyramide" von einem Fahrzeug zu laden und sich daran fest zu ketten. Währenddessen sammelten sich vor dem Bahnhof des 10.000-Einwohner-Ortes im Kreis Schaumburg Hunderte Rechte. Da die Polizei die Pyramiden-Blockade nicht schnell genug entfernen konnte, wurde der Neonazi-Aufzug an den Gegendemonstranten vorbeigeleitet.
Erst am Vorabend war eine vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angemeldete Demo vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht erlaubt worden. Der Landkreis hatte am Mittwoch sowohl die DGB-Versammlung als auch den Neonazi-"Trauermarsch" auf Grund eines angeblichen "polizeilichen Notstands" verboten, ein Gericht hob das Verbot des rechten Marsches auf, die Gegendemo blieb jedoch untersagt. Erst in letzter Minute ließ das Oberverwaltungsgericht am Freitagabend eine stationäre DGB-Kundgebung zu. Trotzdem kamen laut Polizei etwa 900 Demonstranten zu der Versammlung. Insgesamt wurden 17 Menschen festgenommen und sechs Personen verletzt.
Der geschichtsrevisionistische "Trauermarsch" der Neonazis konnte nicht nur wegen der Blockade nicht reibungslos ablaufen. Außerdem hatten die Rechten zu wenig Ordner ohne Vorstrafen. Erst mit über drei Stunden Verspätung liefen die Neonazis los zum Wincklerbad, einem ehemaligen britischen Militärgefängnis.
Als Organisations-Trio traten Versammlungsleiter Matthias Schulz aus Verden, der Düsseldorfer Neonazi Sven Skoda und Marcus Winter aus Minden auf. Winter ist der Initiator des "Trauermarschs", konnte an den letzten beiden jedoch nicht teilnehmen, da er eine Haftstrafe - unter anderem wegen Volksverhetzung - verbüßen musste.
Sogar einen Hubwagen hatten sich die Nazis geliehen, um vor dem Wincklerbad ein zehn Meter langes Transparent mit der Forderung "Besatzer raus" zu hissen. Reden hielten Patrick Fischer aus Leipzig, Andy Knape aus Magdeburg und Winter. Moderiert wurde von Skoda. Zwei Redner ließ die Polizei nicht ans Mikrofon: Die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel aus Vlotho (Kreis Herford) und das Verdener NPD-Kreistagsmitglied Rigolf Hennig.
Seitdem die regionale Neonazi-Szene 2006 das Thema Wincklerbad entdeckt hat, gibt es jährlich die inzwischen bundesweit bedeutenden "Trauermärsche". In dem britischen Internierungslager Wincklerbad wurden 1945 bis 1947 anfangs NS-Funktionäre und später mutmaßliche Sowjet-Spione vom Geheimdienst verhört und gefoltert. Drei Menschen starben an der Folter, es kam zu Prozessen gegen die Verantwortlichen. Die Regierung schloss nach Aufdeckung der Geschehnisse durch das britische Parlament das Gefängnis. An Hand dieses Einzelfalles wollen die Neonazis die "Befreierlüge" entlarven und die Alliierten als die wahren Verbrecher darstellen. 2006 zogen zum ersten "Trauermarsch" knapp 100 Rechte durch Bad Nenndorf, zwei Jahre später waren es über 400, im Jahr 2009 dann rund 800 Teilnehmer. Der Aufmarsch zum "Folterlager" ist bundesweit eines der wichtigsten Neonazi-Events.
Vor allem "Kameradschaften" kamen in den Kurort. Unter den Teilnehmern war Roy Armstrong-Godenau, ein aus den USA stammender Antisemit. Auch wieder dabei: Zahlreiche ehemalige Aktivisten der verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) und eine Trommlergruppe. Neonazi-Funktionäre wie Thomas "Steiner" Wulff und Christian Worch blieben dem Aufmarsch hingegen fern. Bis 2030 sind die Märsche jährlich angemeldet.
Die Stimmung unter den größtenteils weiß gekleideten Rechtsradikalen war aggressiv. Während der Kundgebung am Wincklerbad schlug ein "Trauernder" plötzlich auf einen Pressevertreter ein. Einen weiteren Fotografen sollen Neonazis nach der Demonstration attackiert haben.
Wieder am Bahnhof sangen die "Trauermarsch"-Teilnehmer das HJ-Lied "Ein junges Volk steht auf", das in Nenndorf per Auflage verboten worden war. Die Polizei drohte zwar in einer Durchsage Konsequenzen an, doch nahm sie nicht die Personalien der Singenden auf - weil zu wenig Einsatzkräfte vor Ort waren, wie es auf der Pressekonferenz am Abend hieß.
Mit der Bahn reiste der Großteil der Neonazis abends aus Bad Benndorf ab. Marcus Winter meldete in Minden noch eine Demonstration an, die um 20 Uhr am Bahnhof starten sollte. So wollte er die Polizei dazu zwingen, die noch eingekesselten Rechtsradikalen am Umsteigebahnhof in Haste bei Bad Nenndorf in Zügen abfahren zu lassen - mit Erfolg. In Minden sammelten sich etwa 50 Neonazis am Bahnhof, marschierten jedoch nicht. Rund 50 Neonazis versuchten in der Nacht in Wunstorf (Region Hannover) ein Jugendzentrum anzugreifen. Jugendliche verbarrikadierten sich, die Polizei verhinderte Schlimmeres.
Bildunterschrift: Insgesamt waren über 1.000 Nazigegner am Samstag in Bad Nenndorf auf der Straße.
Bildunterschrift: Die Organisatoren Schulz, Skoda und Winter (von links) bei Gesprächen mit den Ordnungskräften.
Bildunterschrift: Der "Trauermarsch" ist ein fester Termin in den Kalendern der bundesdeutschen Neonazis.
Bildunterschrift: Besonders viel Mühe haben sich diese Neonazis gegeben: Die "al(l)iierte Umerziehung" hat offenbar ihre Spuren hinterlassen.
Bildunterschrift: Initiator Winter bei seiner Rede vor dem Wincklerbad.
Bildunterschrift: Rund 1.000 Neonazis kamen nach Bad Nenndorf in Niedersachsen.
___________________________________________________
Störungsmelder, 15.08.2010:
1.000 Neonazis marschieren durch Bad Nenndorf
15.08.2010 - 15.15 Uhr
Von Kai Budler
Die Bahnhofstraße in Bad Nenndorf ist am Abend des 13. August bunt geschmückt: farbige Stoffe wechseln sich an den Straßenseiten ab mit aufgehängten Kleidungsstücken und Spruchbändern. Doch die Gäste, die auf der langen Straße des Kurortes erwartet werden, sind alles andere als willkommen: rund 1.000 Neonazis sind am 14. August zum mittlerweile fünften "Trauermarsch" in die Kleinstadt westlich von Hannover gekommen. In diesem Jahr sorgte der Aufmarsch für besonderes Aufsehen, denn im Vorfeld war die vom Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" geplante Gegendemonstration in der ersten Instanz verboten worden. Auch das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg untersagte dem Bündnis am Vorabend seine Demonstration, gestattete aber eine zweistündige Kundgebung.
Ein buntes, mehrere Meter langes Transparent ziert schon am Vorabend des Neonazi-Aufmarschs das 1930 erbaute Wincklerbad in der Ortsmitte von Bad Nenndorf. "Neonazis stoppen! Schaumburger gegen rechts" - eine deutliche Absage an die ungebetenen Besucher des Kurortes. "Bad Nenndorf hat die Nase voll von Nazis", sagt Jürgen Übel, der Mitbegründer des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt", und spricht von einem "Heuchlermarsch" der Neonazis.
Der hagere Mann betreibt eigentlich eine Apotheke - jetzt aber trägt er einen roten Arbeitsoverall, denn gerade eben hat er mit seinen Mitstreitern noch Plakate gegen die Rechtsextremen aufgehängt. Als vor fünf Tagen die ersten Plakate an den Wänden hingen, rissen Nazis sie noch in der Nacht wieder ab. Doch Übel lässt sich auch von den vermehrten Drohungen gegen ihn nicht beirren. Er will auch weiter verhindern, dass die Neonazis "versuchen, uns ihr Geschichtsbild über zu stülpen". Dass die Gerichte der Bündnis-Demonstration einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, sei ein "untragbarer Zustand".
Demonstrationsverbot als "verheerendes Signal"
Das Demonstrationsverbot habe nicht nur eine verheerende Signalwirkung - wie solle man vor diesem Hintergrund Schüler an die Demokratie heran führen, wenn das Gericht ihnen vor Augen führe, dass ein Engagement mit Verboten bestraft werde. Beifall und Applaus sind Übel in seinem Heimatort für seine Rede sicher. Auch Steffen Holz vom DGB in Bad Nenndorf ist die Empörung noch anzumerken: es sei eine bittere Erfahrung nach einer langjährigen Arbeit im Bündnis und politisch eine vollständige Katastrophe, kommentiert er die Entscheidung. Der Gewerkschafter befürchtet, dass das Gefahrenpotenzial sich durch das Verbot der Gegendemonstration noch erhöht. Die Polizeidirektion Göttingen teile die Einschätzung, erklärte ein Sprecher der Behörde am Vortag des Aufmarschs. Der Beschluss bewirke außerdem, dass die Bürger zu einer "nicht hinnehmbaren Tatenlosigkeit" verdammt würden, heißt es in dem Papier. Auf den einschlägigen Seiten im Internet jubeln die Neonazis über den Gerichtsbeschluss. Am folgenden Morgen gleicht Bad Nenndorf einer Festung: Absperrgitter säumen die Aufmarschroute der Neonazis, Reiterstaffeln patrouillieren durch die Straße, ein Hubschrauber kreist über der Stadt. Kleinere Personengruppen werden in den Seitenstraßen kontrolliert, rund 2.000 Polizisten sind im Einsatz. Apotheker Übel spricht von einer Demarkationslinie, die Bad Nenndorf zu einer geteilten Stadt mache.
Protest gegen Nazis am Katzentisch
Noch am Vorabend um 20.30 Uhr hatte das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg dem Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" eine zweistündige Kundgebung fernab der Bahnhofstraße erlaubt, der Ort stand erst kurz vor Mitternacht fest. Doch mit etwa 1.000 Personen bleibt die Teilnehmerzahl deutlich unter den Erwartungen. "Es ist ein Protest am Katzentisch", sagt der Regionsvorsitzende des DGB Hannover Mitte, Sebastian Wertmüller. Durch ihr Verhalten im Vorfeld hätten sich Polizei und Verfassungsschutz kräftig angestrengt, die Veranstaltung so klein wie möglich zu halten, kritisiert er. In einer Einschätzung des Verfassungsschutzes heißt es, Linksextremisten hätten generalstabsmäßig geplant, die Bündnis-Demonstration für ihre Zwecke zu nutzen, die Rede ist von Brandsätzen und einer "militanten Kleingruppentaktik". Wertmüllers Bilanz: junge militante Neonazi-Kader dürften mit richterlicher Genehmigung in der Tradition der SA aufmarschieren, während der Jüdischen Gemeinde vor Ort die Gegenwehr untersagt werde.
Dem ansonsten beherrschten DGB Chef ist seine Empörung in den Schlussworten deutlich anzumerken: die Neonazis sollten sich "schlicht und einfach verpissen". Auch die Auflösung der Kundgebung geschieht nicht ohne Schwierigkeiten: mit Absperrgittern hindert die Polizei die Teilnehmer daran, den Ort Richtung Bahnhofstraße zu verlassen.
Freude bei Neonazis: Schikanen gegen Journalisten
Nur 30 Minuten nach dem Kundgebungs-Ende treffen am Bahnhof die ersten Neonazis aus Berlin ein. Wie später alle anderen nimmt die Polizei sie in Empfang und schleust sie durch ein Kotrollzelt auf den Bahnhofsvorplatz. Kurz nach 12.00 Uhr trifft der erste mit Neonazis gefüllte Zug auf dem Bad Nenndorfer Bahnhof ein, auf dem Vorplatz richten rechtsextreme Kader eine Bühne auf dem mitgebrachten Lkw ein.
Der Platz ist hermetisch abgeriegelt, auch die Presse darf das Gelände zuerst nicht betreten, später eskortieren Beamte die Journalisten auf die gegenüber liegende Seite des Platzes. Empörung, als der Einsatzleiter erklärt, die Pressevertreter könnten nicht wieder zurück geleitet werden, weil nicht für ihre Sicherheit garantiert werden könne. Auch Bilder von dem Aufmarsch seien vor dem Wincklerbad nicht möglich, heißt es zuerst. Die Neonazis feixen: "Auf unserer Veranstaltung bestimmen wir, wer darüber berichtet." Rechtsextreme mit "Medien"-Binden am Arm filmen und fotografieren die Journalisten. Nach längeren Verhandlungen darf die Presse wieder zurück, Polizisten eskortieren die Journalisten durch die stetig wachsende Masse der Neonazis.
Doch der Beginn ihres Aufmarschs verzögert sich immer wieder: erst müssen neue Ordner gesucht werden, weil ein Teil des vorgesehenen Personals wegen Vorstrafen abgelehnt wurde. Zwei Sitzblockaden auf der Strecke verzögern den Auftakt ebenso wie eine Beton-Pyramide, an der sich vier Männer angettet haben. Währenddessen singt ein Liedermacher auf der Bühne vom "besseren Deutschland", im Hintergrund erklingen immer wieder "Nazis raus!"-Rufe. Zu den Reden von Ursula Haverbeck und Rigolf Hennig kommt es nicht mehr: die Polizei lässt die Holocaust-Leugner als Redner nicht zu.
Aufmarsch-Verzögerung durch Protest
Die Stimmung unter den inzwischen knapp 900 Neonazis wird aggressiver, die Megaphon-Durchsagen von Sven Skoda ähneln versteckten Drohungen. Immer wieder müssen die Versammlungsleiter Matthias Schulz aus Verden und Marcus Winter aus Minden zu Besprechungen am Wagen des Einsatzleiters antreten. Unter dumpfen Trommelschlägen beginnt der Aufmarsch dreieinhalb Stunden später als vorgesehen. Er führt die rund 1.000 Neonazis zum Wincklerbad, das der britische Geheimdienst nach dem Zweiten Weltkrieg als Gefängnis für die NS-Führungselite benutzt hatte. Zum Großteil in weiße Hemden gekleidet, marschieren die Neonazis die 800 Meter zum Wincklerbad. Die seit Mai über das Internet vertriebenen "Soli T-Hemden" werden vorsorglich auf links gedreht, so dass der aufgedruckte Vierzeiler nicht auffällt. Am Vortag hatte die Polizei begonnen, zu prüfen, ob die Zeilen des NS-Schriftstellers Heinrich Anacker den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Begleitet von Polizei und dem Protest der Anwohner zieht der rechtsextreme "Trauermarsch" 30 Minuten über die bunt geschmückte Bahnhofstraße. Zum Entsetzen vieler wird der Aufmarsch an der Pyramide vorbei geleitet, wenige Polizisten stehen zum Schutz rund um die vierköpfige Gruppe. Auf der Kundgebung vor dem ehemaligen Kurgebäude weht vom Kran eines Hubwagens ein Transpartent "Besatzer raus" gleich neben dem dort angebrachten Spruchband "Nazis stoppen". Neben pathetischen Reden schimpft Skoda auf die Behörden und den "undeutschen" Protest. Im Hintergrund erklingen jenseits der Absperrungen Sprechchöre, eine Megaphonsirene sorgt durchgehend für Unmut. Nach 60 Minuten ist der Spuk am Wincklerbad vorbei und die Neonazis ziehen zurück zum Bahnhof. Bei der dortigen Abschlusskundgebung erklingt ein strafrechtlich relevantes Lied, die Polizei leitet Strafverfahren gegen den Versammlungsleiter und die Teilnehmer Strafverfahren ein. Doch auch nach dem Abschluss schlendern kleinere Gruppen von Neonazis durch die Innenstadt und pöbeln vermeintliche Gegner an. Gegen 22.00 Uhr versammeln sich rund 60 Rechtsextreme vor dem soziokulturellen Zentrum "Wohnwelt" im nahe gelegenen Wunstorf - nach mehreren Anrufen greift die Polizei ein.
"Wir haben es satt"
In Bad Nenndorf erinnern am Abend nur noch die Plakate gegen Nazis und das Transparent am Wincklerbad an den Aufmarsch der 1.000 Neonazis wenige Stunden zuvor. Das Bündnis bereitet sich bereits auf das kommende Jahr vor, denn der so genannte "Trauermarsch" ist bis zum Jahr 2030 angemeldet. Herrscht also auch Anfang August 2011 der Ausnahmezustand in Bad Nenndorf? Ginge es nach dem Bündnis, "muss der Aufmarsch auf jeden Fall verboten werden", sagt Organisator Jürgen Übel, Sein Kollege Dietmar Buchholz verweist auf das, was die Grüne Landesvorsitzende Anja Piel ein "demokratisches Dilemma" genannt hatte: ähnlich wie schon der NS-Politiker Joseph Goebbels 1928 empfohlen hatte, lehne auch die die heutigen Nazis die Demokratie ab, versorgten sich aber "aus dem Waffenkabinett der Demokratie" mit ihren Waffen. Ein Verbot sei unabdingbar, so Buchholz und dann "Wir haben es satt, satt, satt".
Bildunterschrift: Transparent am Wincklerbad.
Bildunterschrift: Protest gegen das Demonstrationsverbot.
Bildunterschrift: Protestkundgebung am 14.08.
Bildunterschrift: Transparent gegen Geschichtsrevisionismus.
Bildunterschrift: Neonazis am 14.08.
Bildunterschrift: "Herr Schulz, bitte zum Einsatzleiter kommen."
Bildunterschrift: Fronttransparent des Nazi-Aufmarschs.
Bildunterschrift: Nazi-Kundgebung am Wincklerbad.
___________________________________________________
open-report de, 15.08.2010:
Mit Luftballons und bunten Fahnen gegen Rechts / Bad Nenndorf zeigt Flagge gegen Neonazis
15.08.2010 - 13.43 Uhr
Bad Nenndorf (ddp-nrd). Die Szene mutet gespenstisch an. Rund 900 Rechtsextremisten sind am Samstag nach Bad Nenndorf zu einem sogenannten Trauermarsch gekommen. Viele von ihnen tragen strahlend weiße Hemden oder T-Shirts und Sonnenbrillen. Auf dem Bahnhof werden sie zunächst von der Polizei in Empfang genommen, die an diesem Tag mit 2.000 Mann im Einsatz ist. Die aus Richtung Hannover oder Minden Angereisten werden nach Waffen und Schlaggegenständen durchsucht. Auch nach Kleidung mit volksverhetzenden Aufdrucken werde geschaut, sagt Martin Ackert von der Bundespolizei Hannover.
Rund 1.000 sind es letztlich, die zum Wincklerbad, etwa 800 Meter vom Bahnhof entfernt, ziehen. Dort hatte die britische Armee von 1945 bis 1947 ein Verhörzentrum für Nationalsozialisten eingerichtet, in dem es auch zu Misshandlungen kam. Die Neonazis möchten diesen Ort zu einer Wallfahrtsstätte machen und beklagen bei ihrem so genannten Trauermarsch "alliierte Nachkriegsverbrechen".
Der Marschbeginn der Rechten hatte sich immer wieder verzögert. Gegendemonstranten gelingt es, sich auf der Bahnhofstraße an eine Beton-Pyramide zu ketten. Das Losschneiden der Demonstranten dauert bis in den Abend. "Wäre der Klotz nur etwas weiter zur Fahrbahnmitte gelangt, dann wäre der Marsch ausgefallen", sagt eine Polizeisprecherin. So aber umstellen die Beamten letztendlich die Gegendemonstranten, damit die Rechtsradikalen links und rechts an ihnen mit schwarzen Fahnen und dumpf trommelnd vorbeiziehen können.
Auch mehrere Sitzblockaden gibt es auf der Marschstrecke. Es herrscht Stille. Die Leute hören der Durchsage der Polizei zu und singen das jüdische Lied "Hevenu schalom alejchem - Wir wünschen Frieden euch allen". Rund 30 Einwohner des Kurortes unterstützen die Blockade, unter ihnen ist auch Thomas Winkler. "Es kann nicht sein, dass diese braunen Horden unseren Kurort für ihre Zwecke missbrauchen", sagt er.
Mit Luftballons, Transparenten und bunten Stoffen am Gymnasium, an Häusern und Zäunen protestieren die Einwohner gegen den rechten Spuk. Auch am Wincklerbad hängen Girlanden und Transparente. Am Vormittag hatte es bereits eine Gegendemonstration des DGB mit rund 1.000 Teilnehmern gegen den Neonazi-Aufzug gegeben.
"Ihr könnt nach Hause gehen", singen etwa 30 Mitglieder des Vfl Bad Nenndorf auf der Terrasse des Parkhotels. Als die Rechten an ihnen vorbeilaufen, drehen sie ihnen den demonstrativ den Rücken zu. "Wir schauen euch mit dem Arsch nicht an", sagt einer der dort sitzenden Bad Nenndorfer. Mittendrin ist Bernd Reese. Der SPD-Politiker ist Bürgermeister des Ortes und fürchtet, dass das Ansehen Bad Nenndorf wegen des Auftretens der Neonazis leidet. Der so genannte Trauermarsch sei wie eine Geißel über den Ort gekommen. "Wir sind hier, damit die Demokratie nicht über den Deister geht", sagt Reese.
Erst am Freitagabend hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Gegendemonstration des DGB in Bad Nenndorf zugelassen. Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel gibt Innenminister Uwe Schünemann (CDU) eine Mitverantwortung für den Umgang mit dieser Demonstration. Er kündigt an, deswegen im Landtag nachfassen zu wollen.
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 15.08.2010:
Festnahmen und Verletzte nach Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
15.08.2010 - 10.49 Uhr
Nach dem Aufmarsch von Rechtsextremisten und einer Gegendemonstration am Sonnabend in Bad Nenndorf hat die Polizei am Sonntag Bilanz gezogen. Etwa 2.000 Beamte waren im Einsatz. Rund 1.000 Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet seien durch die Stadt marschiert, davon etwa 200 autonome Nationalisten.
Mehrere Beamte verletzt
Nach Angaben der Polizei hielten sich zudem etwa 300 Linksextremisten in der Stadt auf. Einige hätten immer wieder versucht, Polizeiabsperrungen zu durchbrechen, um den Aufzug der Rechten zu stören. Dabei seien mehrere Beamte verletzt worden. Insgesamt wurden 17 Menschen vorläufig festgenommen. Vor der Aktion der Rechten hatten sich etwa 1.000 Menschen friedlich versammelt, um gegen deren "Gedenkmarsch" zu demonstrieren. Auf Transparenten war zu lesen: "Bad Nenndorf wehrt sich" und "Deutsche Täter sind keine Opfer".
Juristisches Tauziehen und Streit über Demo-Verbot
Im Vorfeld der beiden Demonstrationen hatte es ein juristisches Tauziehen um deren Genehmigungen gegeben. Erst am Freitagabend erteilte das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg seine Erlaubnis für die Protestaktionen gegen die Neonazis. Der Marsch der Rechten war bereits genehmigt. Beide Kundgebungen fanden zeitlich und räumlich getrennt voneinander statt. Der Landkreis Schaumburg hatte zunächst beide Kundgebungen am Mittwoch verboten mit der Begründung, es herrsche polizeilicher Notstand. Am Donnerstag entschied das Verwaltungsgericht Hannover aber, dass die Neonazis demonstrieren dürfen, während die DGB-Veranstaltung zunächst unter anderem mit dem Argument abgelehnt wurde, dass mit mehr gewalttätigen Anhängern der linksextremen Szene zu rechnen sei. Die Entscheidung hatte in der Politik und bei der Gewerkschaft zu empörten und teilweise wütenden Reaktionen geführt.
Rechte marschieren seit fünf Jahren in Bad Nenndorf
Im vergangenen Jahr hatten sich mehr als 800 Neonazis in der Kurstadt versammelt. An Gegendemonstrationen beteiligten sich 2009 etwa 1.500 Menschen. Neonazis veranstalten in Bad Nenndorf bereits seit fünf Jahren sogenannte Trauermärsche zum Bad Nenndorfer Wincklerbad. Dort hatte die britische Armee von 1945 bis 1947 ein Verhörzentrum für Nationalsozialisten eingerichtet. Die Neonazis protestieren gegen angebliche "Kriegs- und Nachkriegsverbrechen" der alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkrieges.
___________________________________________________
die tageszeitung Online, 15.08.2010:
Rechte Demo in Bad Nenndorf / Aufmarsch in SA-Manier
Trotz behördlicher Schikanen schaffen es Hunderte Demonstranten, den braunen "Trauermarsch" in Bad Nenndorf um Stunden zu verzögern - mit einem Polizeitrick.
Von Andreas Speit
Bad Nenndorf (taz). Am Samstag marschierten mehr als 1.000 Neonazis in Bad Nenndorf auf. Unter Trommelschlägen zogen sie in ihrem "Trauermarsch" unter dem Motto "Für die Opfer alliierter Kriegs- und Nachkriegsverbrechen" schweigend vom Bahnhof in der niedersächsischen Kurstadt bis zum Winklerbad. Kreative Aktionen der Gegendemonstranten und ihr spontanes Engagement auf der Route überraschte die Polizei und verzögerte den Marsch um mehrere Stunden.
Die 800 Meter vom Bahnhof zum Winklerbad, das von 1945 bis 1947 der britischen Armee als Gefängnis für Nationalsozialisten diente, waren gänzlich abgesperrt. Knapp 2.000 Polizeibeamte standen bereit, Absperrgitter waren aufgestellt, Reiterstaffeln patrouillierten, ein Hubschrauber kreiste. Fast nur Beamte bewegten sich auf der Marschroute, an der überall Transparente "Deutsche Täter sind keine Opfer" oder Plakate "Bunt statt Braun" hingen. Doch plötzlich stand sie vor dem Mittag dennoch da: Eine Beton-Pyramide, an der sich vier Gegendemonstranten angekettet hatten. "Wir haben Zeit mitgebracht", sagte einer dessen Hand in der Pyramide steckte.
Sie schafften, was eigentlich hätte unmöglich sein sollen: Mit einem blauen Kleinbus und einem Anhänger mit Absperrgitter waren sie durch die Polizeisperren bis knapp 100 Meter vor das "Bad" gekommen. Die Zeitung Polizei heute hinter der Windschutzscheibe und ein Papierschild mit Landeswappen und einer Nummer machten den Weg frei. Wohl auch, weil die Gruppe ähnlich wie Beamte gekleidet waren: dunkle Kappe, schwarzes T-Shirt, grüne Hose. "Die hätten wir auch durchgelassen", meinte prompt ein höherer Polizeibeamter. "Ja, Respekt" ergänzte ein Kollege.
Schnell sollte nun Werkzeug zum entfernen der Pyramide geholt werden. Doch schnell ging jetzt gar nichts mehr. "Bitte gehen sie zwanzig Meter zurück", fordert die Polizei Anwohner und Mitglieder des Sportvereins "VfL Bad Nenndorf" auf, die den Angeketteten applaudierten. Die Sportfreunde hatten sich an der Route auf einer Hotelterrasse zum Frühstück verabredet. Gehen? Nein. Zur erneuten Überraschung der Polizei setzen sich die rund 30, meist weit über 40-Jährigen, einfach auf die Straße und stimmten Friedenslieder an. "Ich habe so was noch nie gemacht, es reicht aber einfach", sagte ein 65-jähriger Anwohner. Ein Frau mit T-Shirt des "VfL" meinte: "Diesen braunen Mob lässt man in SA-Manier marschieren und wir werden schikaniert."
Noch deutlichere Töne fielen bereits am Morgen an einer Straßenecke bei der Fußgängerzone. Über 1.200 Menschen protestierten hier. Erst am Freitagabend um 20 Uhr hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg kurzfristig doch noch die Kundgebung des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" von 9 bis 11 Uhr genehmigt. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Hannover allein das vom Landkreis Schaumburg ausgesprochene Verbot des "Trauermarsch" aufgehoben, die vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) für das Bündnis angemeldete Gegendemonstration blieb zunächst verboten.
Dietmar Bucholz vom Bündnis betonte unter großem Applaus: Die Behörden haben "unseren Protest massiv behindert, kastriert". Ihr friedlicher Protest wäre durch die vermeintliche Gefahrenprognose von Polizei und Verfassungsschutz kriminalisiert worden. "Das Bündnis, aus Sportvereinen, Kirchen, Parteien und Gewerkschaften, wird behandelt wie die Aussätzigen", hob der DGB-Regionalvorsitzende Sebastian Wertmüller hervor. Bürgermeister Bernd Resse betonte, wie sehr ihn freut, dass "trotzdem so viele gekommen sind". Vor Ort, mitten im Gegenprotest, sagte Stefan Wenzel, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag, der taz: "Innenminister Uwe Schünemann hat mitzuverantworten wie die Behörden mit dem Bündnis umgegangen sind." Im Landtag will er nachfassen.
Am Bahnhof trafen gegen Mittag dann die ersten Neonazis ein. Etliche Frauen reihten sich bei dem von militanten Kameradschaften vorbereiteten Marsch ein. Viele Rechte hatten weiße Hemden oder T-Shirts an. Nicht ohne Grund: Als 1932 die SA kurz verboten war, marschieren sie mit weißen Hemden auf. Aus jener Zeit stammt eine Strophe des Nazi-Dichters Heinrich Anacker, welches das offizielle Mobilisierungs-Shirt zierte: "Im braunen Hemd, im weißen Hemd. Brennt gleich für Deutschland unser Blut.". Beim Marsch fiel das Shirt nicht auf. Die Veranstalter um Sven Skoda und Marcus Winter dürften geahnt haben, dass mit dem SA-Bezug der Weg zum "Bad" rechtlich heikel werden könnte. Das Warten verstimmte sie umso mehr.
Die spontane Sitzblockade der Anwohner erhob sich gelassen und gemächlich nach der zweiten Polizeiaufforderung. Später applaudierte der VfL "ihrer Jugend" zu. Die Straße weiter runter hatten sie sich mit Antifaschisten hinsetzen können. Nach der zweiten Aufforderung gingen auch sie - unter Jubel. An einer Polizeisperre sollen Demonstranten derweil am Gitter gerüttelt haben. Daraufhin setzte die Polizei Pfefferspray ein.
Die Pyramide konnten die Beamten aber nicht gleich entfernen. So leitete die Polizei den "Trauermarsch" dann auch an der Gruppe vorbei. Fassungslosigkeit bei Anwohnern und Sportfreuden. Vor dem Winklerbad wehte von einem Hubwagen ein Transparent "Besatzer raus". Skoda wetterte gegen die "Lüge der Befreiung" und schimpfte, dass Redebeiträge untersagt wurden. Die betagte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck sollte das Geschichtsbild zurechtrücken. Die Neonazis haben für die nächsten 20 Jahre den Marsch angemeldet. "Wir wurden wie Verbrecher behandelt", sagte Jürgen Übel vom "Bündnis" und versichert "Wir protestieren dennoch wieder."
Bildunterschrift: Weiße Shirts, schwarze Flaggen: Rechte marschieren durch Bad Nenndorf.
Bildunterschrift: Zu gut gebaut: Die Polizei leitete schließlich die Neonazis an der Pyramide vorbei.
Bildunterschrift: Spontane Sitzblockaden auf der Marschroute.
___________________________________________________
Welt Online, 15.08.2010:
Bürger stören Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
14.08.2010 - 10.26 Uhr
Mit Aktionen und spontanen Sitzblockaden haben Gegendemonstranten am Samstag einen Aufmarsch von Neonazis in Bad Nenndorf bei Hannover gestört.
Die Rechten starteten mit deutlicher Verspätung zu ihrem "Trauermarsch", am Abend hatten die meisten der rund 900 Neonazis den Kurort wieder verlassen. Nach Polizeiangaben kam es zu keinen größeren Zwischenfällen. 2.000 Beamte waren im Einsatz.
Zur Gegendemonstration unter dem Motto "Bad Nenndorf ist bunt" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) kamen am Vormittag mehr als 1.200 Teilnehmer. Am Mittag gelang es einer Gruppe, mit einem Kleinbus samt Anhänger hinter die Polizeiabsperrung zu fahren und eine etwa 1,30 Meter hohe Beton-Pyramide abzuladen. An diese ketteten sich vier Menschen, etwa 100 Meter vom geplanten Kundgebungsort der Rechten - dem Wincklerbad - entfernt. Die Neonazis möchten diesen Ort zu einer Art Wallfahrtsstätte machen. Im Wincklerbad hatte die britische Besatzungsmacht von 1945 bis 1947 ein Verhörzentrum eingerichtet, in dem etliche Häftlinge misshandelt wurden. Die Briten selbst deckten die Folterungen auf und schlossen das Zentrum wieder.
Der "Trauermarsch" der Neonazis setzte sich am Nachmittag in Bewegung. "Ihr könnt nach Hause gehen", sangen etliche Gegendemonstranten, als die Rechten an ihnen vorbeiliefen. Beamte schirmten die vier Festgeketteten ab und führten den Aufmarsch an der Beton-Pyramide vorbei. Rund 30 Einwohner des Kurorts unterstützten die Angeketteten: Sie kamen spontan zu einer Sitzblockade zusammen und sangen Friedenslieder. Etliche Zuschauer klatschten laut Beifall. Mehrfach kam es zu weiteren Sitzblockaden der Gegendemonstranten entlang der geplanten Marschroute der Rechten. Nach mehrmaliger Aufforderung durch die Polizei erhoben sich die Teilnehmer aber von der Straße.
Mit zahlreichen Luftballons, Transparenten und bunten Stoffen an Hauswänden und Zäunen protestierten die Einwohner gegen den rechten Aufmarsch. Auch das Wincklerbad war mit vielen Fahnen und Transparenten geschmückt. Die Gegenkundgebung des DGB war erst am Freitagabend vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg erlaubt worden, nachdem das Verwaltungsgericht Hannover sie verboten hatte. Den Aufmarsch der Rechten in dem Kurort hatten die Hannoveraner Richter jedoch erlaubt. "Kirchenverbände und Gewerkschaften werden behandelt wie die Aussätzigen, das ist ein Skandal", sagte der DGB-Regionsvorsitzende Sebastian Wertmüller.
Bildunterschrift: Im niedersächsischen Bad Nenndorf haben Bürger sich einem Neonazi-Aufmarsch entgegen gestellt.
___________________________________________________
NPD-BLOG.INFO, 15.08.2010:
Bad Nenndorf gegen Nazis
15.08.2010 - 08.49 Uhr
In Bad Nenndorf haben laut NDR am Sonnabend etwa 1.000 Menschen gegen einen Gedenkmarsch von Rechtsextremisten demonstriert. Auf Transparenten war zu lesen: "Bad Nenndorf wehrt sich" und "Deutsche Täter sind keine Opfer". Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hatte erst am Freitagabend seine Erlaubnis für die Protestaktion gegen die Neonazis gegeben. Zuvor hatten die Richter eine Aktion der Rechten genehmigt. Beide Kundgebungen fanden zeitlich und räumlich getrennt voneinander statt.
Im Anschluss an die friedliche Protestveranstaltung "Bad Nenndorf ist bunt", an der sich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund beteiligte, sammelten sich etwa 850 Rechtsextreme zu ihrem Aufmarsch. Der DGB kritisierte, dass die Neonazis wie geplant durch den Kurort ziehen konnten. Die Polizei war mit etwa 2.000 Beamten im Einsatz. Sie musste zwei Sitzblockaden räumen, mit denen Linke den Aufmarsch der Neonazis verhindern wollten. Außerdem hatten sich vier Menschen auf der Strecke an eine Betonpyramide angekettet und mussten losgeschnitten werden.
___________________________________________________
Bündnis NS-Verherrlichung stoppen!, 15.08.2010:
Pressemitteilung / Polizei sorgte für "national befreite Zone" in Bad Nenndorf
Am 14. August d. J. nahmen knapp 1.000 militante Neonazis völlig unbehelligt an dem geschichtsrevisionistischen "Trauermarsch" in der Innenstadt von Bad Nenndorf teil. Während die Polizei auf der Bahnhofstraße und in ihrer Umgebung für eine "national befreite Zone" sorgte, hagelte es Knüppel und Pfefferspray gegen den friedlichen Protest.
Für das Bündnis "NS-Verherrlichung stoppen!" stellte Saskia Grunert fest: "Die Polizei hat heute handgreiflich gezeigt, wer ihrem Feindbild entspricht. Angesichts von 25 festgenommenen AntifaschistInnen und mehreren Verletzten durch Pfefferspray und Polizeigewalt haben die BeamtInnen den Neonazis einen Bärendienst erwiesen."
Schon in der Nacht zu Samstag war die Bahnhofstraße nahezu hermetisch abgeriegelt, die Polizei halluzinierte mit ihrem Fuhrpark ein völlig absurdes Gewaltszenario herbei. Ein Gerücht, dass vorher von der Polizeidirektion Göttingen und vom Landkreis Schaumburg in die Welt gesetzt worden war.
Am Samstagmorgen wurde Interessierten der Weg zur kurzfristig organisierten Protestkundgebung an der Hauptstraße schwergemacht. Auch die Auflösung der Veranstaltung gestalte sich als fast unmöglich: immer wieder wurden AntifaschistInnen von der Polizei zurück gewiesen und körperlich angegangen. Der gewalttätige Polizeieinsatz gegen friedlich Protestierende an einer Sperre hinter dem Wincklerbad beweist, dass die Gewalt am heutigen Tag von der Polizei ausging.
Trotz einer erneut direkt vor dem Wincklerbad abgestellten Betonpyramide und an ihr angeketteten AktivistInnen, konnten knapp 1.000 Nazis aus dem gesamten Bundesgebiet ungestört ihren Aufmarsch über die Bahnhofstraße durchführen und so zu einem erneuten Erstarken der Veranstaltung beitragen.
Auch nach dem Ende des Neonazi-Aufmarschs konnten faschistische Gruppen in der Innenstadt von der Polizei unbehelligt AntifaschistInnen bedrohen und anpöbeln.
"Sollte dies auch die künftige die Taktik der Polizei sein, dürften sich die Nazis schon auf ihren Aufmarsch im nächsten Jahr freuen, wenn die Staatsmacht ihnen den Weg frei räumt und den Protest mit Füßen tritt", so Grunert. Der heutige Tag zeigt wieder einmal, dass der Widerstand gegen Nazis sich weder auf Gerichte noch die Polizei verlassen darf.
___________________________________________________
Schaumburger Nachrichten Online, 14.08.2010:
Nazi-Marsch und Gegenprotest: Polizei mit Großeinsatz zufrieden, wird aber von linken Aktivisten "übertölpelt"
14.08.2010 - 22.49 Uhr
Bad Nenndorf (rwe). Der Spuk für die Menschen in Bad Nenndorf ist vorbei. Was lief am Sonnabend in der Kurstadt. Die SN haben die Vorgänge protokolliert. Lesen Sie hier den Mitschnitt aus dem Internet und am Ende die Bilanz der Polizei.
Wie berichtet, hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg dem DGB am Freitag als Anmelder eine stationäre Demonstration gegen den Neonazi-Aufmarsch genehmigt. Diese darf von 9 bis 11 Uhr auf der Ecke Hauptstraße / Horster Straße vor dem "Bayern Stadl" stattfinden.
Bildunterschrift: Die Polizei überlistet: Vier als Einsatzkräfte getarnte Aktivisten von links schafften es mit ihrer Betonpyramide durch die Absperrung bis auf die Bahnhofstraße vor das Wincklerbad.
___________________________________________________
Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke, 14.08.2010:
Rückreise der Rechtsextremen ohne Zwischenfälle
14.08.2010 - 22.37 Uhr
Minden, Bad Nenndorf (ots). Nachdem unter dem Schutz starker Polizeikräfte am Samstagmorgen rund um den Mindener Bahnhof die Anreise von rund 260 Rechtsextremen zu einem Aufmarsch in Bad Nenndorf störungsfrei verlief, erwartete die Polizei am Abend die Rückkehrer erneut an ihrem Umsteigebahnhof in Minden. Um kurz nach 19.00 Uhr traf der Regionalexpress mit rund 250 Anhängern der rechten Szene in Minden ein. Bis gegen 21.15 Uhr sorgten die Beamten dafür, dass die Demonstrationsteilnehmer nach und nach ihre Anschlusszüge in Richtung Bielefeld und weiter ins Ruhrgebiet störungsfrei bekamen.
Auch als zwischenzeitlich ein Zug mit rund 70 Fußballanhänger aus Bremen auf der Heimreise von einem Pokalspiel in Ahlen einen Zwischenstopp in Minden einlegten, sorgten die Einsatzkräfte dafür, dass sich beide Gruppierungen nicht zu nahe kamen.
Für kurze Anspannung bei der Polizei sorgte noch die Ankündigung eines polizeibekannten Rechtsaktivisten auf dem Bahnhof eine so genannte Spontanversammlung abhalten zu wollen. Als Grund dafür führte er an, dass angeblich mehrere Sympathisanten von ihm auf der Heimreise von der Polizei in Niedersachsen festgehalten würden. Da sich dieser Umstand schnell klärte, kam es zu keinen demonstrativen Aktionen.
Um 21.30 Uhr konnte die Polizei schließlich ihren Einsatz rund um den Bahnhof beenden. Zwischenfälle wurden auch am Abend nicht verzeichnet.
___________________________________________________
Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg, 14.08.2010:
Versammlungsrechtliche Aktionen in Bad Nenndorf am 14.08.10 nehmen einen positiven Verlauf
14.08.2010 - 22.30 Uhr
Nienburg (ots) - Bad Nenndorf (mie). Die am 14.08.2010 in Bad Nenndorf stattfindenden demonstrativen Veranstaltungen haben nach der Bewertung des Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Göttingen Robert Kruse und dem Gesamteinsatzleiter Frank Kreykenbohm einen positiven Verlauf genommen.
An der Veranstaltung des DBG, die als stationäre Kundgebung in der Hauptstraße vor der Fußgängerzone abgehalten wurde, nahmen rund 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer teil. Die Versammlung war polizeilich unproblematisch und verlief ohne Vorkommnisse.
Auch der Ökumenische Gottesdienst und die Aktion der Rodenberger Bürger fanden eine gute Resonanz.
An dem Trauermarsch nahmen 1.000 Rechtsextreme aus dem gesamten Bundesgebiet teil, davon um die 200 Autonome Nationalisten.
"Wir gehen von aus, dass sich rund 300 Linksextremisten im Einsatzraum aufgehalten haben", führt Frank Kreykenbohm aus. Diese versuchten in Kleingruppentaktik Absperrungen zu durchbrechen, um auf die Aufzugstrecke des Trauermarsches zu gelangen.
Auf der Bahnhofstraße kam es zu zwei Sitzblockaden durch Bürgerinnen und Bürger, die sich nach Aufforderung durch die Polizeikräfte von der Fahrbahn entfernten.
Zudem gelang es einer vierköpfigen Gruppe auf der Marschroute, kurz vor dem Wincklerbad, eine Betonpyramide hinzustellen und sich daran zu befestigen. Die Gruppe wurde durch starke Polizeikräfte abgeschirmt und der Aufzug an der Pyramide vorbei geführt.
Während des gesamten Aufmarsches kam es aus der linken Szene immer wieder zu Durchbruchsversuchen an den Polizeiabsperrungen. Bei diesen Aktionen wurden mehrere Polizeibeamte verletzt.
"Beim Trauermarsch haben wir besonders auf die Einhaltung der Auflagen geachtet und Verstöße konsequent verfolgt", erklärt der Einsatzleiter. So wurde entgegen der Ansage der Polizei bei der Abschlusskundgebung ein strafrechtlich relevantes Lied gesungen, mit der Folge, dass gegen den Versammlungsleiter und den Teilnehmern Strafverfahren eingeleitet wurden.
Insgesamt wurden 17 Personen vorläufig in Gewahrsam genommen und Strafanzeigen wegen Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbruch, Körperverletzung sowie Widerstand gefertigt.
"Nur durch konsequentes Einschreiten und flexibles Zusammenziehen von Polizeikräften konnten größere gewalttätige Auseinandersetzungen vermieden und damit der Einsatzerfolg sichergestellt werden", bilanziert der Gesamteinsatzleiter Frank Kreykenbohm abschließend.
___________________________________________________
Schaumburger Nachrichten Online, 14.08.2010:
Kampf gegen Nazi-Aufmärsche geht weiter
!4.08.2010 - 19.25 Uhr
Bad Nenndorf (rwe). Allen juristischen Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten im Vorfeld zum Trotz haben sich am Sonnabend mehr als 1.000 Menschen der friedlichen Gegenveranstaltung des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" angeschlossen.
Der DGB als Veranstalter, der 1.200 Teilnehmer angibt (Polizei: 900), hatte sich dem Urteil des Oberverwaltungsgericht Lüneburg und der Vorgabe des Landkreises Schaumburg gefügt, sich mit einer zweistündigen Kundgebung vor dem "Bayern Stadl" in Bad Nenndorf zufrieden geben zu müssen (unsere Zeitung berichtete). Ursprünglich hatte die bürgerliche Bewegung mit einem Marsch und einem Kulturprogramm gegen die Versammlung der Rechtsextremisten protestieren wollen.
Dass die Neonazis sechs Stunden lang marschieren dürfen und dem DGB von den Richtern nur ein zweistündiger Protest zugebilligt wird, hat auch die Reden auf dem Platz bestimmt. Schaumburgs Bundestagsabgeordneter Sebastian Edathy, zugleich innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, war "entsetzt". Zum ersten Mal seit zwölf Jahren sehe er sich zu einer Urteilsschelte veranlasst. Das Gericht habe den Neonazis Tür und Tor geöffnet. Das Signal nannte er verheerend für den bürgerlichen Protest gegen das Treiben der braunen Kameradschaften. "Wir brauchen mehr Leute." Der Rechtsextremismus sei Realität, "aber wir werden ihn nie als Normalität hinnehmen".
Ähnlich klang CDU-Landratskandidat Klaus-Dieter Drewes, der sich in seiner kurzen Rede über den Einsatz und das breite Bündnis gegen Rechts freute. "Wir wollen die Rechten nicht in Bad Nenndorf, nicht in Schaumburg, nicht in Niedersachsen und nicht in der Bundesrepublik." Auch sein Mitbewerber um das Landratsamt, Jörg Farr, lobte den Zusammenhalt der Zivilgesellschaft. "Prävention und Aufklärung" nannte er als beste Mittel, um Extremismus zu vermeiden. Er forderte, vor allem bei Jugendlichen die Sinne für rechte Umtriebe zu schärfen, weil die nicht immer so gut zu erkennen seien wie bei einem offenen Aufmarsch am Wincklerbad. Die Herausforderungen der Zukunft können wir "nur gemeinsam und demokratisch lösen".
Das brachte auch Schaumburgs SPD-Chef Karsten Becker zum Ausdruck. Das Verwaltungs- und Versammlungsrecht seien nicht die Mittel, um einen Aufmarsch zu verhindern. Politische Lösungen müssten her. Er forderte ein NDP-Verbot, um den Neonazis die finanziellen und organisatorischen Strukturen zu nehmen. Es sei unerträglich, dass der braune Zauber aus Steuergeld bezahlt werde. Zudem müsse ein Verbot des so genannten Trauermarsches in Bad Nenndorf her.
Klare Worte auch von Sebastian Wertmüller, Regionsvorsitzender des DGB, der für das "Bündnis" die Veranstaltung organisiert. Er forderte, die Veranstaltung der Rechtsextremisten nicht nur förmlich, sondern auch inhaltlich zu prüfen. Das Urteil nannte er "unangemessen" und "inakzeptabel". Kritik übte er an Polizeidirektion und Verfassungsschutz, die in ihrer Lagebeobachtung von Brandsätzen und krimineller Kleingruppentaktik geschrieben habe. Dabei seien der DGB und das Bündnis seit Jahren bekannt. Wertmüller sprach von einem "Skandal" und einer "Ohrfeige" für die Bürger. "Wir werden behandelt wie Aussätzige", beklagte er die Entscheidung, dass ein Bündnis aus demokratischen Parteien, Kirchen. Gewerkschaften, Vereine und Verbänden sich nicht mehr frei bewegen darf.
Doch Wertmüller zeigte sich nicht entmutigt und kündigte unter lautem Beifall an, den Protest fortzusetzen und auszuweiten. "Solange, bis die Neonazis hier nicht mehr marschieren dürfen."
Sein DGB-Kollege Steffen Holz, der als Anmelder des friedlichen Gegenprotestes fungierte, kündigte an, dass der DGB gegen das Urteil juristisch vorgehen werde. Zugleich forderte er ein generelles Verbot der NDP und rechtsextremistischer Aufzüge. Pia Zimmermann, Landtagsabgeordnete der Linken, kritisierte ebenfalls, dass der zivile Protest von den Behörden kriminalisiert worden sei. Der Kampf gegen Rechts müsse vor allem in der Mitte der Gesellschaft geführt werden. Sie wehrte sich dagegen, Rechts und Links vorab gleichzusetzen.
Deutliche Kritik am Urteil, aber auch Lösungsansätze kamen von Ursula Helmhold. Die Grünen-Landtagsabgeordnete forderte, schon in den Schulen anzusetzen. Ihre Kollegin Katja Keul aus dem Bundestag freute sich über die große Bereitschaft, "die Demokratie zu verteidigen". Die Gesellschaft dürfe es nicht zulassen, dass für Kinder von heute die Nazi-Aufmärschen normal werden. Auch wenn die Rechten "brav und artig" daher kämen, müsse klar sein, dass sie außerhalb des Grundgesetzes stehen.
Die beiden Abgeordneten sowie Mitglieder der Grünen und Grünen Jugend hatten angesichts der massiven Absperrung auf das geplante Frühstück auf der Bahnhofstraße verzichten müssen. Dort waren schon nach dem kleinen Protestmarsch am Vorabend die Zugänge von der Polizei dicht gemacht worden, sehr zum Leidwesen vieler Passanten und Fahrer, die keine Anlieger waren. Sie mussten Umwege in Kauf nehmen.
Ärgerlich war auch Jannis Goudoulakis, Chef der Szenebar "Bodega" direkt am Bahnhof. Einige seiner Gäste seien zum Teil erst nach Ausweiskontrolle oder gar nicht durchgelassen worden. "Das war anders abgesprochen", klagt der Gastronom, in dessen Lokal am Freitag viele Plätze leer blieben. Über die Bornstraße sollte der Zugang frei bleiben. Das schien in seinen Augen aber nicht alle Einsatzkräfte an den Sperrgittern zu wissen.
Dass nicht nur Goudoulakis unter den Auswirkungen des so genannten "Trauermarsches" leidet, sondern die ganze Stadt, machte auch Samtgemeindebürgermeister Bernd Reese deutlich. Der "Trauermarsch" sei wie eine "Geißel" über Bad Nenndorf gekommen. Er setzt bei dem Protest mit auf die Wirkung der Medien. Schon 1946 sei es ein Bericht in der Hannoverschen Presse über das "Kurbad hinter Stacheldraht" gewesen, der die Gerichtsbarkeit und auch die Aufmerksamkeit der britischen Politik auf das Verhörzentrum gelenkt und so zu dessen Schließung geführt habe.
___________________________________________________
Spiegel Online, 14.08.2010:
Neonazis in Bad Nenndorf / "Es ist eine Schande"
Aus Bad Nenndorf berichtet Dominik Peters
Ein kleiner Ort wird von Rechtsextremisten geplagt: 850 Neonazis marschieren durch Bad Nenndorf in Niedersachsen, eine Gegendemonstration wurde erst verboten und im letzten Moment doch noch genehmigt. Tausende Polizisten sind im Einsatz - die Einwohner empört.
Sechs Stunden lang sind die Rechtsextremisten in Bad Nenndorf. Straßen und Kreuzungen in dem kleinen Kurort in der Nähe von Hannover sind von Polizei-Hundertschaften abgesperrt. Eine Gegendemonstration wurde erst verboten, schließlich doch noch genehmigt. Rund 2:000 Polizisten schirmen die Neonazis ab.
850 Rechtsextreme sind zu dem Aufmarsch gekommen, darunter Anhänger der gewaltbereiten "Kameradschaft 73" aus Celle, aber auch Rechtsextreme aus dem Ruhrgebiet und den Niederlanden. Ihr Ziel: das Wincklerbad. Dort hatte die britische Armee nach dem Krieg Nationalsozialisten verhört. Weil dabei Insassen misshandelt wurden, sprechen die Neonazis von einem "Trauermarsch" und beklagen "alliierte Nachkriegsverbrechen".
Doch der Marsch der Rechten kann nicht wie vorgesehen starten: Mit einem Kleinbus samt Anhänger schafft es eine Gruppe Gegendemonstranten, die Polizei zu überraschen. Sie stellen eine Pyramide aus Beton auf die Straße, 1,30 Meter hoch, vier von ihnen ketten sich daran fest. Die Polizei kann wenig ausrichten: Das Losschneiden der Demonstranten dauert, der Klotz versperrt den Weg.
"Nazis stoppen", steht auf einem großen Banner, das Einwohner von Bad Nenndorf aufgehängt haben und das den Schriftzug des Wincklerbads verdeckt. Für einen Moment haben sie es geschafft: Ein Bündnis aus Bürgern, Gewerkschaft, Parteien und Kirchen, das zum Protest gegen die "Verdrehung der Geschichte" aufgerufen hat, die sich dagegen wehren, dass die Neonazis "Täter zu Opfern" stilisieren will.
"Es ist eine Schande"
Ursprünglich hatte das Verwaltungsgericht Hannover die Gegendemonstration verboten und nur den Aufmarsch der Neonazis erlaubt. Im letzten Moment genehmigte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg doch noch eine zweistündige Kundgebung. Viele Einwohner von Bad Nenndorf sind empört: "Es ist eine Schande, dass diese braunen Horden mehr Rechte haben als wir. Das ist eine katastrophale Entscheidung. Wir werden wie Verbrecher behandelt, unerträglich", sagt Jürgen Uebel. Er hat hier eine Apotheke, ist Mitbegründer der Initiative "Bad Nenndorf ist bunt".
Zusammen mit rund dreihundert Einwohnern und Kurgästen nimmt er am Ökumenischen Gottesdienst teil, den die Katholische und Evangelische Kirche mit der Jüdischen Gemeinde im Kurpark am Samstagmorgen organisiert haben. Dort sitzen auf weißen Plastikstühlen ältere Kurgäste, daneben Familien mit ihren Kindern - und eine Handvoll Jugendlicher mit Dreadlocks, die auf dem Steinboden hockend selbstgedrehte Zigaretten rauchen und Mohnbrötchen mit Karotten essen.
Im gesamten Kurpark stehen Polizei-Einsatzwagen, Reiterstaffeln traben auf den Wegen mit Kieselsteinen und mittendrin wuselt Marina Jalowaja herum. Die stämmige Mittfünfzigerin ist die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde im Ort. Sie findet den Aufmarsch der Neonazis "entsetzlich". Die Juristin kam vor 16 Jahren nach Deutschland, nie habe sie Angst gehabt hier zu wohnen, erzählt sie mit ihrem russischen Akzent. Für ihre Gemeinde sei der Aufmarsch der Neonazis eine Katastrophe. Viele ältere Mitglieder hätten die Kriegszeit noch erlebt und müssten jetzt miterleben, wie deutsche Behörden Neonazis einen Aufmarsch genehmigen, sagt sie traurig.
Während des Gottesdienstes herrscht Stille. Die Leute hören der Predigt der evangelischen Pastorin zu und singen zum Abschluss das jüdische Lied, "Hevenu schalom alejchem" - "Wir wünschen Frieden euch allen". Der katholische Pfarrer bittet dann gemeinsam mit Bernd Resse, Bürgermeister von Bad Nenndorf, friedlich auf den Weg zur DGB-Kundgebung zu gehen.
Wettrennen durch die Schrebergärten
Rund 1.200 Menschen haben sich dort versammelt, um gegen den Gedenkmarsch der Neonazis zu demonstrieren. Jugendliche und ein paar schwarz gekleidete Autonome bestimmen das Bild. Von einem Lkw aus wettert der regionale DGB-Chef Sebastian Wertmüller gegen den "braunen Sumpf", den "unsäglichen Richterspruch" und nennt das Verbot der Gegendemonstration "einen Skandal". "Sie sollen sich verpissen und bleiben wo sie sind" , ruft Wertmüller der Menge entgegen, die klatscht.
Eine Gruppe Autonomer macht sich schließlich in eine Richtung auf, in die sie eigentlich nicht gehen soll: Zur Marschstrecke der Neonazis, querfeldein. Auf ein Kommando rennen die schwarz Vermummten los, die Polizei hinterher. Die Einsatzkräfte, selbst nicht ortskundig, wollen die Gruppe einkesseln und suchen auf ihren Karten nach einem geeigneten Ort. Der ist schnell gefunden und heißt Bornstraße - eine Einbahnstraße.
Dort ist man wenig begeistert vom Wett-Trampeln durch die Schrebergärten. Silke Kraus kommt wild gestikulierend in ihrem rosa Trainingsanzug mit den farblich abgestimmten Hausschuhen auf die Straße gerannt und versucht, die Gegendemonstranten von ihrem Grundstück fernzuhalten. Eine ältere Nachbarin mit grauem Dutt schließt ihren Gartenzaun ab, die Polizei macht ihn wieder auf.
Katz-und-Maus-Spiel
"Antifaschista" schreien die schwarz Gekleideten auf der einen Straßenseite, die Polizisten schauen von der anderen herüber, während sich ihre Kollegen mit den versprengten Gegendemonstranten ein Katz-und-Maus-Spiel liefern. Es ist das altbekannte Demo-Ritual, das hier aufgeführt wird. Aus dem Schutz ihrer Häuser betrachten Anwohner die Auseinandersetzungen in ihren Gärten. Auf Obstbäumen und hinter Brombeerhecken verstecken sich die Linken - doch die Polizei findet sie nach und nach alle. Nur die Gruppe mit der Steinpyramide konnte die Beamten austricksen: Zur Mittagszeit sitzen sie immer noch festgekettet mitten auf der Marschroute. Schließlich umstellen die Beamten die Gegendemonstranten - damit die Rechtsradikalen links und rechts an der Blockade vorbeimarschieren können. Und dabei trommeln.
Bilanz: Vier Beamte wurden durch Fußtritte und eine Fahnenstange verletzt, mehrere Gegendemonstranten in Gewahrsam genommen.
___________________________________________________
Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg, 14.08.2010:
Einladung zur Pressekonferenz
14.08.2010 - 18.15 Uhr
Nienburg (ots) - Nienburg/Bad Nenndorf (Det). Anlässlich der am heutigen Samstag, 14.08.2010, in Bad Nenndorf durchgeführten Versammlungen, lädt die Polizeiinspektion Nienburg / Schaumburg heute um 19.30 Uhr zu einer Pressekonferenz ein.
Die Pressekonferenz wird um 19.30 Uhr im Bad Nenndorfer Kurhaus, Haus Kassel stattfinden.
Teilnehmer der Pressekonferenz werden der Präsident der Polizeidirektion Göttingen, Robert Kruse, und der Gesamteinsatzleiter, Leitender Polizeidirektor Frank Kreykenbohm sein.
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 14.08.2010:
Demo gegen Neonazis in Bad Nenndorf
14.08.2010 - 15.16 Uhr
In Bad Nenndorf haben sich am Sonnabend etwa 1.000 Menschen versammelt, um gegen einen Gedenkmarsch von Rechtsextremisten zu demonstrieren. Auf Transparenten war zu lesen: "Bad Nenndorf wehrt sich" und "Deutsche Täter sind keine Opfer". Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hatte erst am Freitagabend seine Erlaubnis für die Protestaktion gegen die Neonazis gegeben. Beide Kundgebungen mussten allerdings zeitlich und räumlich getrennt voneinander stattfinden. Die Demonstration "Bad Nenndorf ist bunt" war deshalb schon um 11 Uhr beendet.
Demonstranten laden Betonpyramide ab
Im Anschluss sammelten sich etwa 800 Rechtsextreme zu ihrem Aufmarsch. Der DGB kritisierte, dass die Neonazis wie geplant durch den Kurort marschieren konnten. Eine Gruppe von Gegendemonstranten gelangte hinter die Polizeiabsperrung und lud eine etwa 1,30 Meter hohe Betonpyramide ab, an die sich vier Menschen festketteten.
Streit um Demo-Verbot
Der Landkreis Schaumburg hatte zunächst beide Kundgebungen am Mittwoch verboten, weil polizeilicher Notstand herrsche. Am Donnerstag entschied das Verwaltungsgericht Hannover aber, dass die Neonazis demonstrieren dürfen, während die DGB-Veranstaltung unter anderem mit dem Argument abgelehnt wurde, dass mit mehr gewalttätigen Anhängern der linksextremen Szene zu rechnen sei. Die Entscheidung hatte in der Politik und bei der Gewerkschaft zu empörten und teilweise wütenden Reaktionen geführt.
"Das ist ein Skandal"
"Kirchenverbände und Gewerkschaften werden behandelt wie die Aussätzigen, das ist ein Skandal", sagte der DGB-Regionsvorsitzende Sebastian Wertmüller. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in Hannover, dass die Gefahr vonseiten der DGB-Demo größer wäre als von rechts, sei eigenartig.
Auch die SPD hatte das Demo-Verbot für den DBG scharf kritisiert. Die Grünen hatten dazu aufgerufen, am Sonnabend an der Strecke des genehmigten Nazi-Aufmarsches zu frühstücken. Auch der Landkreis Schaumburg hatte Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt. Die Behörde wollte damit auch den Marsch der Rechten verbieten lassen - der Antrag wurde aber abgelehnt.
Ziel der Neonazis ist das Wincklerbad
Im vergangenen Jahr hatten sich mehr als 800 Neonazis in der Kurstadt versammelt. An Gegendemonstrationen beteiligten sich 2009 etwa 1.500 Menschen. Neonazis veranstalten in Bad Nenndorf bereits seit fünf Jahren sogenannte Trauermärsche zum Bad Nenndorfer Wincklerbad. Dort hatte die britische Armee von 1945 bis 1947 ein Verhörzentrum für Nationalsozialisten eingerichtet.
___________________________________________________
Neue Westfälische Online, 14.08.2010:
Polizei begleitet Neonazis vorsorglich / Rechtsextreme auf dem Weg nach Bad Nenndorf
Minden (brm). Etwa 230 Rechtsextreme mussten am Samstagvormittag auf dem Mindener Bahnhof umsteigen, um zum Aufmarsch ins niedersächsische Bad Nenndorf zu reisen. Die Mindener Polizei stand am Bahnhof bereit und hatte zusätzlich aus Bielefeld Verstärkung durch eine Hundertschaft bekommen.
Auch dreißig Neonazis aus Minden stiegen in den Zug nach Bad Nenndorf. Die Polizei begleitete die Neonazis. Zu Ausschreitungen kam es auf der Anreise aber nicht, teilte die Mindener Polizei am Samstag mit.
___________________________________________________
Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke, 14.08.2010:
Aufmarsch von Rechtsextremen fordert auch Mindener Polizei
14.08.2010 - 16.01 Uhr
Minden, Bad Nenndorf (ots). Der Aufmarsch von Rechtsextremen im Niedersächsischen Bad Nenndorf zu einem so genannten "Trauermarsch" am heutigen Samstag (14.August) hat auch die Polizei in Minden gefordert. Die Beamte sorgten am Vormittag während der Anreise der Demonstrationsteilnehmer im und um den Mindener Bahnhof für die nötige Sicherheit. Zu Zwischenfällen kam es nicht.
Da der Bahnhof als Umsteigeort für die Reisenden gilt, waren rund 100 Beamte, darunter auch Polizeikräfte der Bielefelder Hundertschaft, im Einsatz. Unterstützt wurde dieses Großaufgebot noch von zahlreichen Beamten der Bundespolizei. Bereits gegen 9.00 Uhr postierten sich die ersten Einsatzfahrzeug auf dem Bahnhofsvorplatz, um ein mögliches Zusammentreffen von gewaltbereiten Anhänger der rechten oder linken Szene frühzeitig zu verhindern.
Gegen 11.30 Uhr trafen etwa 200 Personen, augenscheinlich dem rechten Spektrum zugehörig, mit einem Zug aus dem Ruhrgebiet im Bahnhof ein. Hier stiegen sie gemeinsam mit weiteren Sympathisanten, die bereits auf sie am Bahnhof in Porta Westfalica und Minden gewartet hatten, in die S-Bahn in Richtung Bad Nenndorf um. Um 11.40 Uhr verließ die Bahn mit rund 260 Demonstranten unter Begleitung eines massiven Polizeiaufgebotes den Mindener Bahnhof.
Der Einsatzleiter der Mindener Polizei, Oberrat Karsten Attin zog anschließend eine erste Zwischenbilanz: "Unser Konzept, durch die Präsenz von starken Einsatzkräften Ausschreitungen schon im Ansatz zu verhindern, ist aufgegangen." Für die Rückreise der Demonstranten am späten Nachmittag hoffen die Beamten auf einen ähnlich ruhigen Verlauf.
___________________________________________________
Bild.de, 14.08.2010:
Demonstranten stören Auftakt der Rechten
14.08.2010 - 14.21 Uhr
Gegendemonstranten haben am Samstag den geplanten Aufmarsch von Neonazis in Bad Nenndorf bei Hannover gestört. Am Mittag gelang es einer Gruppe, mit einem Kleinbus samt Anhänger hinter die Polizeiabsperrung zu fahren und eine etwa 1,30 Meter hohe Betonpyramide abzuladen. An diese ketteten sich vier Menschen. Das geschah etwa 100 Meter vom geplanten Kundgebungsort der Rechten entfernt. Deren Protestzug hatte sich allerdings noch nicht in Bewegung gesetzt. Nach Polizeiangaben waren am frühen Nachmittag rund 850 Anhänger der rechten Szene in der Stadt und sammelten sich am Bahnhof. Die Gegenkundgebung des DGB war am Vormittag zu Ende gegangen.
___________________________________________________
Agence France-Presse, 14.08.2010:
Proteste gegen Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
Bad Nenndorf. Mehrere hundert Menschen haben im niedersächsischen Bad Nenndorf gegen einen Aufmarsch von Neonazis demonstriert. An der vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) organisierten Protestkundgebung beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter rund 1.100 Menschen. Die Polizei sprach von bis zu 900 Teilnehmern. Nach Polizeiangaben verlief die Protestaktion weitgehend friedlich, es gab aber einige Zwischenfälle. Rund 50 Anhänger der linksautonomen Szene versuchten am Morgen, eine Polizeisperre zu durchbrechen. Vier Polizisten wurden den Angaben zufolge unter anderem durch Fußtritte und eine Fahnenstange verletzt. Eine Frau wurde vorläufig in Gewahrsam genommen.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hatte die Protestveranstaltung eines breiten Bündnisses gegen Rechts erst am Samstagabend genehmigt und damit eine Verbotsentscheidung des Landkreises Schaumburg aufgehoben. Genehmigt wurde allerdings nur eine stationäre Kundgebung.
Gegen Mittag versammelten sich am Bahnhof in Bad Nenndorf mehrere hundert Rechtsextreme. Sie wollten am Nachmittag durch die Stadt marschieren.
Wegen eines polizeilichen Notstandes und der räumlichen Enge in dem kleinen Kurort bei Hannover hatte der Landkreis Schaumburg am Mittwoch zunächst beide Demonstrationen verboten. Das Verwaltungsgericht hob anschließend das Verbot des Neonazi-Aufmarsches wieder auf, bestätigte aber zunächst das Verbot der Gegendemo. Dagegen legte der DGB erfolgreich Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein.
Im Jahr 2006 hatten sich Neonazis erstmals in Bad Nenndorf zu einem so genannten "Trauermarsch" getroffen, weil es in der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg ein Verhörzentrum der britischen Truppen gab, in dem nachweislich deutsche Häftlinge misshandelt wurden. Danach wuchs die Zahl der Teilnehmer in jedem Jahr. Aus Sicht des DGB geht es darum, die Neonazis daran zu hindern, in Bad Nenndorf langfristig eine Nachfolgeveranstaltung zu etablieren für die bis vor wenigen Jahren übliche Gedenkveranstaltung für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß in Wunsiedel. Diese war höchstrichterlich verboten worden.
___________________________________________________
Bild.de, 14.08.2010:
Proteste gegen Neonazi-Demo In Bad Nenndorf
14.08.2010 - 11.31 Uhr
In Bad Nenndorf (Niedersachsen) haben mehrere hundert Menschen gegen Rechtsextremismus demonstriert. Der Protest richtete sich gegen einen für denselben Tag geplanten Marsch von Neonazis durch die Stadt. Der DGB als Mitveranstalter sprach von 1.000, die Polizei von 900 Teilnehmern der Gegendemonstration.
Demonstrationsteilnehmer trugen Transparente mit der Aufschrift "Bad Nenndorf wehrt sich" und "Deutsche Täter sind keine Opfer". Die Polizei sprach von einem friedlichen Verlauf der Veranstaltung. Anschließend wollten Rechtsextremisten einen genehmigten Marsch durch die Stadt antreten.
Die rechtsextreme Szene veranstaltet bereits seit fünf Jahren so genannte Trauermärsche zum Bad Nenndorfer Wincklerbad. Dort hatte die britische Armee von 1945 bis 1947 ein Verhörzentrum für Nationalsozialisten eingerichtet.
___________________________________________________
Evangelische Zeitung Online, 14.08.2010:
Rund 1.200 Menschen protestieren in Bad Nenndorf gegen Aufmarsch von Rechtsextremisten
Bad Nenndorf/Kr. Schaumburg (epd). Mehr als 1.200 Menschen haben am Samstagvormittag nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Bad Nenndorf gegen einen geplanten Aufmarsch von Neonazis protestiert. Für den Nachmittag wurden etwa 1.000 Rechtsextremisten in dem Kurort bei Hannover erwartet. In einem Ökumenischen Gottesdienst sagte der leitende evangelische Theologe Andreas Kühne-Glaser, Bad Nenndorf sei ein durch die Rechtsextremen gebeutelter Ort: "Bei aller Wut im Bauch, die auch ich empfinde, darf der Hass aber nicht mein Handeln bewegen."
Die Kundgebung des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" war erst am Freitagabend in einer Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg genehmigt worden. Es gab einer Beschwerde des DGB gegen ein zuvor vom Verwaltungsgericht Hannover verhängtes Demonstrationsverbot teilweise statt. Das Bündnis durfte sich zu einer Kundgebung treffen, aber nicht in einer Demonstration durch den Ort ziehen.
Der DGB-Regionsvorsitzende Sebastian Wertmüller nannte die Umstände, unter denen die Kundgebung stattfand "skandalös": "Kirchenverbände und Gewerkschaften werden behandelt wie die Aussätzigen." Er kündigte an, dass sich das Bündnis auch weiter für ein Verbot der rechtsextremen Aufmärsche einsetzen werde.
Das Verwaltungsgericht Hannover hatte die Gegendemonstration am Donnerstag verboten. Zur Begründung hieß es, die Einsatzkräfte der Polizei reichten nur für eine Kundgebung aus und die Rechten hätten ihre Veranstaltung zuerst beantragt. Die Neonazis haben bis 2030 einen "Trauermarsch" zum ehemaligen britischen Militärgefängnis Wincklerbad im Ort angemeldet.
Die Grünen im Bundestag begrüßten am Samstag die Entscheidung des Lüneburger Gerichts. "Es wäre den Bürgern nicht zuzumuten gewesen, den von den Nazis für die nächsten Jahrzehnte angemeldeten Aufmärschen jeweils tatenlos zusehen zu müssen", hieß es in einer Erklärung. Eine solche Entscheidung hätte das Vertrauen der Menschen in den demokratischen Rechtsstaat "nachhaltig beschädigt". Gegen das Verbot der Gegendemonstration hatte es am Freitag massive Kritik von Politikern, Parteien und Kirchen gegeben. Unter anderen hatte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) protestiert.
Im Wincklerbad, das heute von der Kurverwaltung genutzt wird, befand sich von 1945 bis 1947 ein britisches Militärgefängnis für Nazis. Dort sollen Gefangene auch gefoltert worden sein. Diese Misshandlungen sind dem DGB zufolge damals umgehend geahndet und von der Öffentlichkeit in Großbritannien verurteilt worden.
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 14.08.2010:
Demo gegen Neonazis in Bad Nenndorf
14.08.2010 - 10.51 Uhr
In Bad Nenndorf haben sich heute etwa 1.000 Menschen versammelt, um gegen einen geplanten Gedenkmarsch von Rechtsextremisten zu demonstrieren. Die Veranstalter hatten mit etwa 3.000 Teilnehmern gerechnet. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hatte erst am Freitagabend seine Erlaubnis für eine Protestaktion gegen die Neonazis gegeben. Beide Kundgebungen müssen allerdings zeitlich und räumlich getrennt voneinander stattfinden. So muss die Demonstration "Bad Nenndorf ist bunt" laut Urteil um 11 Uhr beendet sein - dann beginnt die Kundgebung der Rechtsextremen. Der DGB kritisierte, dass die Neonazis wie geplant durch den Kurort marschieren können.
Streit um Demo-Verbot
In erster Instanz war die DGB-Demo vom Verwaltungsgericht Hannover mit dem Argument verboten worden, die Einsatzkräfte der Polizei reichten nur für eine Kundgebung aus. Die Entscheidung hatte in der Politik und bei der Gewerkschaft zu empörten und teilweise wütenden Reaktionen geführt. Das Verwaltungsgericht hatte aber am Donnerstag einem Eilantrag der Rechtsextremen stattgegeben und entschieden, dass die Neonazis demonstrieren dürfen. Ein entsprechendes Verbot des Landkreises Schaumburg wurde damit gekippt.
DGB wollte bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen
Der DGB hatte angesichts der Urteile beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg Beschwerde eingelegt. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in Hannover, dass die Gefahr vonseiten der DGB-Demo größer wäre als von rechts, sei eigenartig, hatte der Regionsvorsitzende Sebastian Wertmüller am Freitag in Hannover beklagt. "Wir demonstrieren seit Jahren ohne jedes Problem." Die Gewerkschafter wollten sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Auch die SPD hatte das Demo-Verbot für den DBG scharf kritisiert. Die Grünen hatten dazu aufgerufen, am Sonnabend an der Strecke des genehmigten Naziaufmarsches zu frühstücken. Auch der Landkreis Schaumburg hatte Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt. Die Behörde wollte damit auch den Marsch der Rechten verbieten lassen - der Antrag wurde aber abgelehnt.
Ziel der Neonazis ist das Wincklerbad
Im vergangenen Jahr hatten sich mehr als 800 Neonazis in der Kurstadt versammelt. An Gegendemonstrationen beteiligten sich 2009 etwa 1.500 Menschen. Neonazis veranstalten in Bad Nenndorf bereits seit fünf Jahren sogenannte Trauermärsche zum Bad Nenndorfer Wincklerbad. Dort hatte die britische Armee von 1945 bis 1947 ein Verhörzentrum für Nationalsozialisten eingerichtet.
___________________________________________________
Welt Online, 14.08.2010:
Mehr als 1.200 Teilnehmer bei Demo gegen Rechts
14.08.2010 - 10.50 Uhr
Bad Nenndorf (dpa). Zu einer Protestkundgebung gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf bei Hannover haben sich mehr als 1.200 Menschen versammelt. Die vom Deutschen Gewerkschaftsbund organisierte Demonstration war erst gestern Abend vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg erlaubt worden. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Hannover sie verboten. Den ebenfalls für heute geplanten Aufmarsch der Rechten in dem Kurort hatten die Hannoveraner Richter jedoch erlaubt.
___________________________________________________
Radio Westfalica, 14.08.2010:
Bahnhof im Blick
Minden. Wegen des Neonazi-Aufmarsches in Bad Nenndorf ist auch die Polizei in Minden in erhöhter Alarmbereitschaft. Zusammen mit der Bundespolizei hält sie vor allem den Bahnhof im Blick.
Am Mindener Bahnhof werden im Laufe des Tages sowohl rechte als auch linke Demonstranten erwartet, die dort umsteigen wollen. In der Vergangenheit kam es in Minden zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen, die auf dem Weg zu oder von einer Demo waren. Bei dem Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf werden einige hundert Rechtsextreme erwartet. Einer großen Gegendemonstration von Parteien, Kirchen und Vereinen steht mittlerweile nichts mehr entgegen. Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat das Demonstrationsverbot des Kreises Schaumburg gekippt.
___________________________________________________
WDR-Nachrichten aus Ostwestfalen-Lippe, 14.08.2010:
Polizei zeigt Präsenz
Eine Großdemonstration von Rechtsextremen im niedersächsischen Bad Nenndorf beschäftigt heute auch die Polizei in OWL. Besonders an den Bahnhöfen werde man deutliche Präsenz zeigen, kündigte ein Polizeisprecher an. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Mindener Hauptbahnhof, weil viele Demonstranten auf ihrer Anreise hier umsteigen werden.
___________________________________________________
Schaumburger Zeitung, 14./15.08.2010:
Fröhlich gegen die geheuchelte Trauer
Bad Nenndorf (rwe). Plüschtiere auf der Wäscheleine, Hunderte bunter Krawatten, Bänder mit Nationalflaggen und farbenfrohe Stofffetzen flattern im Wind, ein großes Banner verhüllt den Schriftzug des Wincklerbades und verkündet "Nazis stoppen". Ungeachtet des für viele schockierenden Demonstrationsverbots vom Donnerstag haben die Mitglieder von "Bad Nenndorf ist bunt" gestern ihre geplanten Aktionen gegen den Aufzug der Neonazis fortgesetzt.
Der Platz vor dem Gebäude wird bunt dekoriert, die Bahnhofstraße plakatiert, bemalte Tapeten, bunte Luftballons, Konfettischlangen und Transparente schmücken Zäune, Häuser und Schulen. "Wir halten weiter dagegen", sagt Samtgemeindebürgermeister Bernd Reese, der ebenfalls den einen oder anderen alten Schlips mitgebracht hat. Wie viele hier hält er den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Donnerstag für ein "fatales Signal". Entsprechend sei die Resonanz in den Medien. Er hofft, dass die bunten Bilder aus Bad Nenndorf "um die Welt gehen". "Ich will die Nazis veralbern", sagt Vera Winkler. Ihre Tochter Winnie hat frühere Kuscheltiere aussortiert. "Je kindlicher und fröhlicher, desto besser" soll es zugehen als Kontrastpunkt zur angeblichen Trauer der Nazis. Nadine Prasuhn, Christopher Sendler und Christoph Bärwinkel von den Jusos bereiten die Farbtöpfe vor, um das große Tuch mit bunten Handabdrücken zu verzieren.
Für Jana Schmidt aus dem Bündnis ist die Entscheidung des Gerichts vom Donnerstag "unverschämt", die Begründung nennt sie "hanebüchen". "Nicht nachvollziehbar" schimpft Anlieger Otto Engelking das Urteil vor der Kamera eines NDR-Teams. "Wir wollen die Leute hier nicht haben."
"Entsetzt" ist auch Marina Jalowaja, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde. Viele ältere Mitglieder hätten die Kriegszeit noch erlebt, verstünden die erste Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht. Auch sie war den Tränen nah. Seit 16 Jahren lebt Jalowaja in Deutschland. "Ich hatte nie Angst", doch nach dem Beschluss vom Donnerstag beschleiche sie ein mulmiges Gefühl.
Bildunterschrift: Die Trauer "veralbern": Plüschtiere empfangen die Neonazis am Wincklerbad.
___________________________________________________
Schaumburger Zeitung, 14./15.08.2010:
Holz: "Der Bürgerprotest wird marginalisiert"
Bad Nenndorf (rwe). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hat gestern gegen 20 Uhr die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover vom Vortag in Teilen aufgehoben und entschieden, heute eine vom DGB organisierte friedliche Gegendemonstration zuzulassen, allerdings unter deutlich verschärften Auflagen. So dürfen sich das Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" und die Anhänger nur von 9 bis 11 Uhr auf dem Platz vor dem "Bayern-Stadl" treffen. Örtlich und zeitlich sind sie damit deutlich getrennt von dem Aufmarsch der Neonazis.
DGB-Sekretär Steffen Holz war enttäuscht, mit seinem Eilantrag gegen das Verbot nur bedingt durchgekommen zu sein. "Der Bürgerprotest wird marginalisiert", sagte er in einer ersten Reaktion.
Zudem setzte das Gericht die Demonstration in Konkurrenz zum Ökumenischen Gottesdienst, der um 9 Uhr im Kurpark beginnt und zu dessen Teilnahme gestern in der Kundgebung vor dem Bahnhof aufgerufen worden war. "Der Gottesdienst lässt sich nicht richterlich verbieten und hat Verfassungsrang", hatte Pfarrer Stefan Bringer unter Applaus der Gäste betont.
Die Lüneburger Verwaltungsrichter wiesen gestern zudem die Beschwerde des Landkreises Schaumburg zurück und sehen von einem Verbot des so genannten Trauermarschs der rechtsextremen Kameradschaften ab. Sie schränkten aber die von den Neonazis gewünschte Strecke und Dauer ein. Sie dürfen nur wie vom Landkreis in dessen erster Genehmigung vorgesehen von 12 bis 18 Uhr vom Bahnhof zum Wincklerbad zurück marschieren.
Damit ist der Gang einer der Parteien zum Bundesverfassungsgericht hinfällig. Der DGB verzichtet laut Holz auf ein Eilverfahren, erwägt aber eine ordentliche Klage. Die Neonazis könnten gegen die Auflagen keine Beschwerde mehr einlegen, so Kreisordnungsdezernentin Ursula Müller-Krahtz. Im Kreishaus war schon vor der Entscheidung kein Gang nach Karlsruhe vorgesehen. "Wir müssen dann mit der Lage klarkommen", so Müller-Krahtz am Mittag. Sollte die Situation aus dem Ruder laufen, habe die Polizei die Möglichkeit, vor Ort zu reagieren und die Versammlungen aufzulösen. Am Abend weilte sie im Bad Nenndorfer Kommissariat, legte dort mit der Polizei den Platz in der Horster Straße an der Einmündung zur Fußgängerzone fest, direkt vor dem "Bayern-Stadl". Der DGB bevorzugte zwar den extra frei gehaltenen Thermalbadparkplatz, nahm die Vorgabe aber hin. Regionsvorsitzender Sebastian Wertmüller schrieb am Abend von einem "kleinen Erfolg für die Versammlungsfreiheit". Er forderte "alle Gegner von Nazi-Trauermärschen" zur Teilnahme auf.
___________________________________________________
NPD-BLOG.INFO, 13.08.2010:
Bad Nenndorf: Zwei Stunden Protest genehmigt
13.08.2010 - 22.53 Uhr
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat nach DGB-Angaben eine Demonstration gegen einen für den 14. August 2010 geplanten Aufmarsch von Neonazis in Bad Nennstadt gestattet. Damit wurde ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom Vortage aufgehoben, das die Gegendemonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes und eines Bündnisses gegen Rechtsextremismus untersagt hatte. Gegen diese Entscheidung hatte der DGB Beschwerde eingelegt.
Zwei Stunden Protest erlaubt
Allerdings legten die Lüneburger Richter fest, dass die Demonstration der Neonazi-Gegner nur zeitlich und räumlich vom Aufmarsch der Neonazis getrennt stattfinden darf. Danach darf der DGB nur in der Zeit von 9.00 bis 11.00 Uhr demonstrieren. Der konkrete Ort der "stationären Versammlung" müsse vom Landkreis Schaumburg noch festgelegt werden. Der Ort ist vom Landkreis festzulegen, allerdings mit dem DGB als Anmelder abzusprechen.
Als kleinen Erfolg für die Versammlungsfreiheit wertet der DGB die heutige Entscheidung des OVG Lüneburg. Der DGB ruft daher alle Freundinnen und Freunde und alle Gegner von Nazi-Trauermärschen auf, auch kurzfristig am 14.08. um 09.00 Uhr nach Bad Nenndorf zu kommen und an der Kundgebung des Bündnisses Bad Nenndorf teilzunehmen: "Kommt und helft den Bürgern, auch wenn es spät und schwierig ist, jetzt kommt es erst recht darauf an", so der DGB-Chef Sebastian Wertmüller in einer ersten Reaktion.
Nichtsdestotrotz kritisiert der DGB als Anmelder die bisherigen Einschätzungen und die vorgenommenen Einschränkungen seines Versammlungsrechts als völlig unangemessen und in Anbetracht des skandalösen Anlasses - eines "Trauerzuges in SA-Tradition" - als politisch untragbar ein.
DGB-Regionsvorsitzender Sebastian Wertmüller: "Man muss sich mal vorstellen: Die Jüdische Gemeinde Nenndorfs beispielsweise darf nur nach langen Auseinandersetzungen vor Gericht eine Mini-Kundgebung in Bad Nenndorf mitgestalten, während die braunen Horden in weißen Hemden durch die Bahnhofstraße spazieren."
Wertmüller fordert politisches Engagement in den nächsten Wochen und Monaten, damit derartige Vorkommnisse das Versammlungsrecht nicht noch mehr untergraben.
Entschieden wies er ein weiteres Mal den permanenten Vorwurf gegenüber dem DGB und dem Bündnis Bad Nenndorf ist bunt zurück, sie würden Gewalttätern ein Dach bieten: "Die Straftäter, die Holocaust-Leugner, die Nachahmer von SA und SS laufen auf dem 'Heuchlermarsch' der Nazis." Dort gebe es genug zu ermitteln, straf zu verfolgen und zu verbieten. Der DGB weiter: "Denn es gilt unverändert: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen."
___________________________________________________
Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg, 13.08.2010:
Oberverwaltungsgericht Lüneburg gestattet dem DGB eine stationäre Kundgebung in Bad Nenndorf
13.08.2010 - 22.33 Uhr
Nienburg (ots) - Nienburg/ Bad Nenndorf (Det). Der Landkreis Schaumburg hatte auf Grund von Sicherheitsbedenken zunächst beide Versammlungen am 14.08.2010 verboten. Dagegen haben sowohl die Anmelder des so genannten Trauermarsches als auch der DGB als Anmelder der Gegendemonstration um einstweiligen Rechtschutz beim Verwaltungsgericht Hannover nachgesucht. Das VG hat das Verbot des "Trauermarsches" aufgehoben und das Verbot der Gegendemonstration bestätigt. Hiergegen hat der DGB Beschwerde eingelegt, über die das Oberverwaltungsgericht Lüneburg heute Abend entschieden hat. Das OVG hat das Verbot mit der Maßgabe aufgehoben, dass nur eine stationäre Kundgebung in der Zeit von 09.00 bis 11.00 Uhr auf einem von der Versammlungsbehörde festzulegenden Platz zugelassen wird. Die Verwaltungsbehörde hat in Abstimmung mit der Polizei und dem DGB den Bereich der Einmündung Hauptstraße / Horster Straße als Kundgebungsort festgelegt. Die Beschwerde des Landkreises gegen die Aufhebung des Verbotes des "Trauermarsches" hat das OVG zurückgewiesen.
"Die Polizei sieht mit Sorge das weiterhin bestehende hohe Risiko, dass es durch Straftaten auch zu Verletzungen von Personen, nicht zuletzt auch der eingesetzten Kräfte, kommen kann. Die Polizei wird alles in ihrer Kraft stehende tun, um diesen Risiken zu begegnen. Wir werden unter anderem konsequent und mit niedriger Einschreitschwelle gegen Straftäter vorgehen und die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten mit den zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern", so Polizeioberrätin Hirt von der Polizeiinspektion Nienburg / Schaumburg in einem ersten Fazit.
___________________________________________________
Evangelische Zeitung Online, 13.08.2010:
DGB darf gegen Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf demonstrieren
Lüneburg/Bad Nenndorf (epd). Das Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" darf an diesem Sonnabend gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen in dem Kurort bei Hannover demonstrieren. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg gab am Freitagabend bekannt, dass der DGB mit seiner Beschwerde gegen ein Demonstrationsverbot einen Teilerfolg errungen habe. Der Gewerkschaftsbund dürfe seine Versammlung abhalten, der Landkreis Schaumburg müsse einen konkreten Ort dafür bestimmen.
Das Verwaltungsgericht Hannover hatte am Donnerstag die Demonstration der Neonazis genehmigt, die Gegendemonstration des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" jedoch untersagt. Zur Begründung hieß es, dass es einen polizeilichen Notstand gäbe und mit zu vielen gewalttätigen Teilnehmern aus dem linksextremen Spektrum zu rechnen sei. Zudem hätten die Rechten ihre Veranstaltung zuerst angemeldet. Damit hob das Gericht teilweise ein Verbot des Landkreises auf, der am Mittwoch beide Veranstaltungen untersagt hatte.
Die Neonazis haben bis 2030 einen "Trauermarsch" zum ehemaligen britischen Militärgefängnis Wincklerbad in Bad Nenndorf angemeldet. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts reichte der DGB am Freitagmorgen gegen das Demonstrationsverbot einen Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht ein. Einen zweiten Eilantrag, den der Landkreis Schaumburg einreichte, lehnte das Lüneburger Gericht jedoch ab. Der Landkreis hatte gefordert, auch den rechtsextremen Aufmarsch zu verbieten. Diese Demonstration dürfe ebenfalls auf einer eingeschränkten Route stattfinden, hieß es in der Erklärung von Freitagabend.
Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hatte es am Freitag massive Kritik von Politikern, Parteien und Kirchen gegeben. Unter anderen hatte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) protestiert.
Im Wincklerbad, das heute von der Kurverwaltung genutzt wird, befand sich von 1945 bis 1947 ein britisches Militärgefängnis für Nazis. Dort sollen Gefangene auch gefoltert worden sein. Diese Misshandlungen sind dem DGB zufolge damals umgehend geahndet und von der Öffentlichkeit in Großbritannien verurteilt worden.
In einer ersten Reaktion rief der DGB am Freitagabend alle Nazi-Gegner dazu auf, kurzfristig nach Bad Nenndorf zu kommen. Dem Bündnis sei zwischen neun Uhr und elf Uhr eine Kundgebung gestattet worden: "Kommt und helft den Bürgern, auch wenn es spät und schwierig ist, jetzt kommt es erst recht darauf an", sagte DGB-Chef Sebastian Wertmüller.
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 13.08.2010:
Gericht erlaubt Demo gegen Neonazis nun doch
13.08.2010 - 21.26 Uhr
Nach heftigen Protesten hat das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg am Freitagabend doch noch seine Erlaubnis für eine Protestaktion gegen Neonazis in Bad Nenndorf gegeben. Somit wird es am Sonnabend neben dem "Trauermarsch" der Rechtsextremisten auch eine Gegendemonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in dem Kurort geben. Beide Kundgebungen sollen allerdings zeitlich und räumlich getrennt voneinander stattfinden. So darf der DGB nach dem Urteil nur in der Zeit von 9 bis 11 Uhr demonstrieren.
In erster Instanz war die DGB-Demo vom Verwaltungsgericht Hannover mit dem Argument verboten worden, die Einsatzkräfte der Polizei reichten nur für eine Kundgebung aus. Die Entscheidung hatte in der Politik und bei der Gewerkschaft zu empörten und teilweise wütenden Reaktionen geführt. Das Verwaltungsgericht hatte aber am Donnerstag einem Eilantrag der Rechtsextremen stattgegeben und entschieden, dass die Neonazis demonstrieren dürfen. Ein entsprechendes Verbot des Landkreises Schaumburg wurde damit gekippt.
DGB wollte bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen
Der DGB hatte angesichts der Urteile beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg Beschwerde eingelegt. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in Hannover, dass die Gefahr vonseiten der DGB-Demo größer wäre als von rechts, sei eigenartig, hatte der Regionsvorsitzende Sebastian Wertmüller am Freitag in Hannover beklagt. "Wir demonstrieren seit Jahren ohne jedes Problem." Die Gewerkschafter wollten sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Auch die SPD hatte das Demo-Verbot für den DBG scharf kritisiert. Die Grünen hatten dazu aufgerufen, am Sonnabend an der Strecke des genehmigten Naziaufmarsches zu frühstücken. Auch der Landkreis Schaumburg hatte Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt. Die Behörde wollte damit auch den Marsch der Rechten verbieten lassen - der Antrag wurde aber abgelehnt.
Ziel der Neonazis ist das Winckler-Bad
Im vergangenen Jahr hatten sich mehr als 800 Neonazis in der Kurstadt versammelt. An Gegendemonstrationen beteiligten sich 2009 etwa 1.500 Menschen. Neonazis veranstalten in Bad Nenndorf bereits seit fünf Jahren so genannte Trauermärsche zum Bad Nenndorfer Winckler-Bad. Dort hatte die britische Armee von 1945 bis 1947 ein Verhörzentrum für Nationalsozialisten eingerichtet.
___________________________________________________
Mindener Tageblatt Online, 13.08.2010:
Umstrittenes Urteil aufgehoben / DGB darf nach viel Kritik nun doch in Bad Nenndorf gegen Neonazis demonstrieren
13.08.2010 - 21.15 Uhr
Hannover/Bad Nenndorf (lni). Die Neonazis dürfen demonstrieren, der DGB nicht: Die Empörung über das Urteil des Verwaltungsgerichts ist groß. Während Landkreis und DGB bereits Beschwerden eingereicht haben, befürchten Politiker vor allem eines - dass die Rechten das Urteil für ihre Propaganda nutzen.
Das Gericht entschied gestern Abend, dass auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am Samstag in dem kleinen Kurort demonstrieren darf. In erster Instanz war die DGB-Demo zunächst vom Verwaltungsgericht Hannover mit dem Argument verboten worden, die Einsatzkräfte der Polizei reichten nur für eine Kundgebung aus. Dagegen hatte unter anderem Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) protestiert.
Beide Demonstrationen dürfen nun getrennt voneinander stattfinden. Dem DGB genehmigte das OVG eine stationäre Versammlung. Den Rechten wurde auf einer eingeschränkten Route eine Demonstration eingeräumt. Der Landkreis habe noch am Abend die genauen Veranstaltungsorte geplant, sagte die leitende Kreisverwaltungsdirektorin Ursula Müller-Krahtz.
Das Verwaltungsgericht Hannover hatte die DGB-Veranstaltung unter anderem mit dem Argument abgelehnt, dass mit mehr gewalttätigen Anhängern der linksextremen Szene zu rechnen sei. Das hatte Empörung beim DGB ausgelöst. Diese Einschätzung sei eigenartig. "Wir demonstrieren seit Jahren ohne jedes Problem", hatte der DGB- Regionsvorsitzender Sebastian Wertmüller gesagt. Auch SPD und Grüne hatten die Entscheidung des Hannoveraner Gerichts kritisiert.
Thierse spricht von parteiischem Urteil
Der Landkreis Schaumburg hatte beide Demos am Mittwoch verboten, weil polizeilicher Notstand herrsche. Da deutlich mehr gewaltbereite Teilnehmer anreisen würden, reichten die vorhandenen Einsatzkräfte nach Angaben der Kreisverwaltung nicht aus, um für Sicherheit zu sorgen. Ob dieser polizeiliche Notstand tatsächlich herrsche oder nicht, habe das OVG nicht feststellen können, sagte ein Gerichtssprecher. In einem Eilverfahren sei es nicht möglich, die Einsatzplanung der Polizei zu überprüfen.
Thierse hatte das erstinstanzliche Urteil scharf kritisiert: "Dies ist ein auf beunruhigende Weise parteiisches Urteil, dessen rechtliche Begründung nicht überzeugt", teilte der Bundestagsvizepräsident mit. Eine solche juristische Parteinahme gegen eine DGB-Versammlung zu Gunsten einer Neonazi-Versammlung sei angesichts der deutschen Geschichte erschütternd.
"Etwas Fataleres kann man sich kaum vorstellen", sagte auch Wertmüller gestern, bevor die Lüneburger Richter das Urteil korrigierten. Auch Landespolitiker waren irritiert. "Schon jetzt feiern die Rechten im Internet ihren Erfolg und gehen von einer großen Mobilisierung in den eigenen Reihen durch diese Entscheidung aus", sagte der SPD-Landesvorsitzende Olaf Lies.
Ob von den Linken mehr Gewaltpotenzial zu erwarten sei als von rechts, könne man im Innenministerium nicht bewerten, sagte ein Ministeriumssprecher. "Wir verlassen uns da auf die Einsatzleiter der Polizei vor Ort." Die für die Veranstaltung zuständige Polizeiinspektion in Nienburg betonte, sie sei so aufgestellt, dass sie den Schutz der Veranstaltung - unabhängig von ihrem Inhalt - gewährleisten könne.
Bildunterschrift: Demonstrationsverbot aufgehoben: Mit Glatze steht ein Rechtsextremist während eines der Neonazi-Aufmärsche in der Innenstadt von Bad Nenndorf.
___________________________________________________
Süddeutsche Zeitung Online, 13.08.2010:
Thierse empört über Urteil zu Neonazi-Aufmarsch
13.08.2010 - 15.55 Uhr
Hannover (dpa). Neonazis dürfen am Wochenende im niedersächsischen Kurort Bad Nenndorf aufmarschieren, der DGB aber nicht: Mit diesem Urteil hat das Verwaltungsgericht Hannover große Empörung ausgelöst. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse kritisierte das Urteil: Eine solche juristische Parteinahme sei angesichts der deutschen Geschichte erschütternd, sagte er. Nun muss das niedersächsische Oberverwaltungsgericht bis zum Start der Demo morgen entscheiden, ob das Urteil aus erster Instanz Bestand hat.
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 13.08.2010:
Empörung wegen Nazi-Aufmarschs in Bad Nenndorf
13.08.2010 - 13.17 Uhr
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover, einen für Sonnabend in Bad Nenndorf geplanten "Trauermarsch" von Rechtsextremisten zuzulassen und gleichzeitig eine vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angemeldete Gegendemonstration zu verbieten, hat in der Politik und bei der Gewerkschaft zu empörten und teilweise wütenden Reaktionen geführt.
DGB will bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen
Der DGB legte beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg Beschwerde ein. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in Hannover, dass die Gefahr vonseiten der DGB-Demo größer wäre als von rechts, sei eigenartig, sagte der Regionsvorsitzende Sebastian Wertmüller am Freitag in Hannover. "Wir demonstrieren seit Jahren ohne jedes Problem." Sollten auch die Lüneburger Richter die Gegendemonstration verbieten, wollen die Gewerkschafter bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Das Gericht dort sei bereits vorgewarnt, sagte Wertmüller auf NDR 1 Niedersachsen. Bleibt die Gegendemonstration verboten, rät der Gewerkschaftsbund aber allen Teilnehmern, zu Hause zu bleiben. Wer trotzdem komme, so Wertmüller, mache sich strafbar.
SPD: "Schlecht für die Demokratie"
Auch die SPD kritisierte die Verwaltungsgerichtsentscheidung scharf. Diese sei "nicht nachvollziehbar und schlecht für die Demokratie", sagte der SPD-Landesvorsitzende Olaf Lies am Freitag. "Während Verfassungsfeinde das Recht der Versammlungsfreiheit genießen dürfen, wird engagierten Demokraten untersagt, eine Gegenveranstaltung abzuhalten", empörte sich Lies.
Grüne wollen an der Strecke frühstücken
Unterdessen riefen die Grünen dazu auf, am Sonnabend an der Strecke des genehmigten Nazi-Aufmarsches in Bad Nenndorf zu frühstücken. Der Gerichtsentscheid sei eine verheerende Fehlentscheidung, sagte die niedersächsische Landesvorsitzende der Grünen, Anja Piel, am Freitag auf NDR 1 Niedersachsen. Dies sei eine Weichenstellung für Bad Nenndorf als zukünftigen Wallfahrtsort für Nazis. Die vom DGB und vom Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" angemeldeten Veranstaltungen zu verbieten, könnte undemokratischer nicht sein und sei zudem ein Schlag ins Gesicht aller NS-Opfer.
Linksextreme Szene mobilisiert
Offensichtlich hat auch ein Bündnis gegen Faschismus aus Bielefeld für Sonnabend eine neue Demonstration angekündigt. Die ist laut DGB noch nicht verboten. Auch ein Gottesdienst im Kurpark von Bad Nenndorf wird definitiv laufen. Mittlerweile hat auch der Landkreis Schaumburg Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt. Die Behörde will damit nach wie vor auch den Marsch der Rechten verbieten lassen. Laut Verfassungsschutz mobilisiert die linksextreme Szene derzeit ihre Sympathisanten, trotz eines etwaigen Verbotes nach Bad Nenndorf zu kommen.
Gericht kippt Demo-Verbot
Das Verwaltungsgericht Hannover hatte am Donnerstag einem Eilantrag der Rechtsextremen stattgegeben und entschieden, dass die Neonazis demonstrieren dürfen. Ein entsprechendes Verbot des Landkreises Schaumburg wurde gekippt. Das Verbot der Gegendemonstration des bürgerlichen Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" bestätigte das Gericht jedoch und lehnte somit einen Eilantrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ab.
Das Recht auf Versammlungsfreiheit
Auf Grund der nationalsozialistischen Vergangenheit ist Meinungsfreiheit in Deutschland ein hohes Gut. Alle Menschen haben deshalb das Recht, sich zu versammeln und zu demonstrieren. Meinungs- und Versammlungsfreiheit gelten demnach auch für Rechtsextremisten. Im vergangenen Jahr machte das Bundesverfassungsgericht allerdings eine Ausnahme: Die Karlsruher Richter billigten nachträglich das Verbot eines Neonazi-Aufmarschs im fränkischen Wunsiedel zum Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß im Jahr 2005 und erklärten den so genannten Volksverhetzungsparagraphen § 130 für verfassungsgemäß. Demnach macht sich strafbar, "wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die national-sozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt".
___________________________________________________
Störungsmelder, 13.08.2010:
"Ein trauriger Tag für die Zivilgesellschaft": Gericht erlaubt Neonazi-Aufmarsch
13.08.2010 - 12.24 Uhr
Von Kai Budler
Die Neonazis dürfen marschieren, alle Gegenproteste sind verboten. Im niedersächsischen Bad Nenndorf verstehen couragierte Anwohner die Welt nicht mehr. Mit buntem und friedlichen Aktionen wollten sie am Samstag den Aufmarsch von bis zu 1:500 Rechtsextremen aus der militanten Kameradschafts-Szene verhindern. Im Internet bejubeln die Rechten das Urteil und drohen dem Protestbündnis offen mit Gewalt.
Erschüttert blickt Sebastian Wertmüller auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Hannover von Donnerstag Abend. Die Richter haben einen bundesweiten Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf am 14. August erlaubt und gleichzeitig die Gegendemonstration von "Bad Nenndorf ist bunt" verboten. Angesichts der Empörung fehlt es dem Regionsvorsitzenden des DGB Niedersachsen Mitte nicht an deutlichen Worten: "Ein Aufzug in der offenen Tradition des SA, durchgeführt von militanten Rechtsextremen der so genannten Kameradschafts-Szene wird nicht verboten. Der bürgerliche Gegenprotest wird auf Grund ominöser Gefahrenprognosen von Polizei und Verfassungsschutz untersagt."
Wertmüller kündigte eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg an, auch der Weg zum Bundesverfassungsgericht sei geplant, sagt der DGB-Chef und spricht von einem "unglaublichen Vorgang". Auf scharfe Kritik stoßen bei ihm besonders "unbestimmte und allgemeine Hinweise auf möglicherweise anreisende angebliche linksextreme Gewalttäter", durch die der Widerstand vor Ort diskreditiert werde. Die jetzt gefallene Entscheidung sei ein Schlag in das Gesicht derjenigen, die seit Monaten den Protest in Bad Nenndorf organisierten. Die stets geforderte Zivilcourage, das "Hinsehen statt Wegsehen", bürgerschaftliches Engagement und der Einsatz für die Zivilgesellschaft - vor dem Hintergrund des aktuellen Gerichtsentscheides laufe all das Gefahr, zu leeren Phrasen zu verkommen. Der DGB-Chef bilanziert: "Ein sehr trauriger Tag für die Zivilgesellschaft, aber auch ein Ansporn mehr an uns, noch aktiver gegen Rechtsextremismus vorzugehen." Er forderte zum Protest auf: "Lasst euch dieses Verbot nicht gefallen. Protestiert und fordert das Versammlungsrecht ein."
Zuvor hatte der Landkreis Schaumburg als Versammlungsbehörde beide Demonstrationen und sich dabei auf den "polizeilichen Notstand" berufen. Nachdem anfangs von etwa 2.000 Beamten ausgegangen worden war, würden nach einer aktuellen Einschätzung fünf Hundertschaften mehr benötigt. Die Richter in Hannover gaben einem Eilantrag der Neonazis statt und hoben das Verbot des rechtsextremen "Trauermarschs" auf, weil diese ihre Versammlung zuerst angemeldet hatten (Az. 10 B 3508/10 und 10 B 3503/10). Auch der Landkreis Schaumburg kündigte Rechtsmittel gegen die Entscheidung an.
Beobachter vor Ort kritisieren, die Behörden unterschätzten die Zahl der anreisenden Neonazis. Angesichts der offensiven Werbung und Mobilisierung im gesamten Bundesgebiet gehen sie von bis zu 1.500 Rechtsextremen aus und befürchten bei der An- und Abreise Übergriffe seitens der Neonazis. Die Kritiker verweisen auf den Aufmarsch zum rechtsextremen "Tag der deutschen Zukunft" im Juni in Hildesheim. Auch dort waren wesentlich mehr Neonazis angereist als erwartet. Während der Veranstaltung kam es zu gezielten Übergriffen auf Journalisten, im Anschluss griffen Rechtsextreme auf Bahnhöfen vermeintlich politische Gegner an.
Sollte der weitere Rechtsweg erfolglos bleiben, könnte die Versammlung für die Neonazis ein bundesweiter Ersatz für den verbotenen "Trauermarsch" für den Kriegsverbrecher Rudolf Heß im bayrischen Wunsiedel werden, denn der vom rechtsextremen "Gedenkbündnis" organisierte alljährliche Aufmarsch ist bereits bis zum Jahr 2030 angemeldet. Der mittlerweile fünfte "Trauermarsch" ist der größte Neonazi-Aufmarsch in Norddeutschland und bundesweit die drittgrößte Veranstaltung ihrer Art. Zählte die Polizei anfangs 100 Neonazis, reisten im vergangenen Jahr schon 800 Rechtsextreme in den Kurort. Hinter dem "Trauermarsch" steckt ein Netzwerk der militanten Kameradschafts-Szene aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Anmelder ist der mehrfach vorbestrafte und ehemals inhaftierte Neonazi Marcus Winter. Seit 2006 führt der jährliche Aufmarsch durch die Stadt zum Wincklerbad, wo der britische Geheimdienst nach dem Zweiten Weltkrieg knapp zwei Jahre lang ein Verhör- und Internierungslager betrieben hatte. In der Einrichtung wurden auch Häftlinge misshandelt.
Bildunterschrift: Sebastian Wertmüller vom DGB.
Bildunterschrift: Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf 2009.
Bildunterschrift: Das Wincklerbad in Bad Nenndorf.
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 13.08.2010:
Empörung wegen Nazi-Aufmarschs in Bad Nenndorf
13.08.2010 - 12.13 Uhr
Die Grünen haben dazu aufgerufen, am Sonnabend an der Strecke des genehmigten Naziaufmarsches in Bad Nenndorf zu frühstücken. Der Gerichtsentscheid, den so genannten Trauermarsch der Nazis zuzulassen und die Gegendemonstration des DGB zu verbieten, sei eine verheerende Fehlentscheidung, sagte die niedersächsische Landesvorsitzende der Grünen, Anja Piel, am Freitag auf NDR 1 Niedersachsen. Dies sei eine Weichenstellung für Bad Nenndorf als zukünftigen Wallfahrtsort für Nazis. Die vom DGB und vom Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" angemeldeten Veranstaltungen zu verbieten, könnte undemokratischer nicht sein und sei zudem ein Schlag ins Gesicht aller NS-Opfer.
Kritik von der SPD
Auch die SPD kritisierte die Verwaltungsgerichts-Entscheidung scharf. Diese sei "nicht nachvollziehbar und schlecht für die Demokratie", sagte der SPD-Landesvorsitzende Olaf Lies am Freitag. "Während Verfassungsfeinde das Recht der Versammlungsfreiheit genießen dürfen, wird engagierten Demokraten untersagt, eine Gegenveranstaltung abzuhalten", empörte sich Lies. Auch der Regionsvorsitzende des DGB Niedersachsen-Mitte, Sebastian Wertmüller, sprach von einem "skandalösen Urteil" und kündigte sofortige rechtliche Schritte gegen den Richterspruch beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg an.
Gericht kippt Demo-Verbot
Das Verwaltungsgericht Hannover hatte am Donnerstag einem Eilantrag der Rechtsextremen stattgegeben und entschieden, dass die Neonazis demonstrieren dürfen. Ein entsprechendes Verbot des Landkreises Schaumburg wurde gekippt. Das Verbot der Gegendemonstration des bürgerlichen Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" bestätigte das Gericht jedoch und lehnte somit einen Eilantrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ab.
Auch Rechtsextremisten dürfen sich versammeln
In Deutschland darf das Recht auf Meinungsfreiheit auf Grund der nationalsozialistischen Vergangenheit grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Meinungs- und Versammlungsfreiheit gelten demnach auch für Rechtsextremisten. Im vergangenen Jahr machte das Bundesverfassungsgericht allerdings eine Ausnahme: Die Karlsruher Richter billigten nachträglich das Verbot eines Neonazi-Aufmarschs im fränkischen Wunsiedel zum Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß im Jahr 2005 und erklärten den so genannten Volksverhetzungsparagraphen § 130 für verfassungsgemäß. Demnach ist die Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland weiterhin strafbar. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit betrifft beispielsweise Lobpreisungen der damaligen Gewalt- und Willkürherrschaft oder Aggressionen und Angriffe auf die Opfer der Nationalsozialisten.
___________________________________________________
Blick nach Rechts, 13.08.2010:
Ansporn zum Protest
Gericht erlaubt Neonazi Aufmarsch in Bad Nenndorf _ die DGB-Gegendemonstration bleibt verboten.
Es ist unfassbar, was deutsche Richter sich manchmal einfallen lassen und wie kurzsichtig sie urteilen. Noch unbegreiflicher ist, welches Denkmuster dahinter stecken mag.
Die Fakten sind bekannt, die Empörung ist gewaltig: Neonazis sollen einmal wieder durch den niedersächsischen Kurort Bad Nenndorf marschieren dürfen _ aber eine vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angemeldete Gegendemonstration bleibt verboten. So entschied das Verwaltungsgericht Hannover und kippte damit ein vom Landkreis Schaumburg ausgesprochenes Verbot beider Kundgebungen.
"Entscheidend" fand das hannoversche Gericht, dass "mehr gewalttätiges Potenzial aus dem linksautonomen Spektrum zu erwarten" wäre. Es gebe zu wenige Polizisten - "Polizeinotstand" heißt das juristische Unwort für diesen Tatbestand.
"Ein trauriger Tag für die Zivilgesellschaft"
Der niedersächsische DGB hat zutreffende Worte gefunden für diese unglaublich schiefe Argumentation und ist dabei besonnen geblieben: Es sei ein "sehr trauriger Tag für die Zivilgesellschaft, aber auch ein Ansporn". Das heißt: Der DGB will in die nächste Instanz gehen und ruft gleichzeitig auf, sich dem Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" anzuschließen.
Das ist jetzt erst recht notwendig. Denn die Neonazis - ganz gleich, wie viele es sein mögen - müssen massiv daran gehindert werden, ihren die Geschichte verdrehenden "Trauermarsch" zu veranstalten. Und außerdem ist es offensichtlich nötig, einer blinden Justiz vorzuführen, dass es genügend Bürgerinnen und Bürger gibt, die bereit sind, Gesicht zu zeigen und sich den Neonazis entgegenzustellen.
Einer der "Väter des Grundgesetzes", der Sozialdemokrat Carlo Schmid, hat 1949 den klugen Satz gesagt: "Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass es nicht zum Begriff der Demokratie gehört, dass sie selber die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft." Darüber sollten die Verwaltungsrichter mal nachdenken.
Helmut Lölhöffel
___________________________________________________
Blick nach Rechts, 13.08.2010:
Militante Neonazis dürfen marschieren
Bad Nenndorf/Hannover. Das Verwaltungsgericht Hannover hat das vom Landgericht Schaumburg erlassene Verbot des Neonazi-"Trauermarschs" am morgigen Samstag wieder aufgehoben, die DGB-Gegendemonstration bleibt hingegen verboten.
"Entscheidend" fand das hannoversche Gericht, dass "mehr gewalttätiges Potenzial aus dem linksautonomen Spektrum zu erwarten" wäre. Unbeeindruckt blieb das Gericht offenbar von dem Motto des geplanten braunen Aufmarschs: "Der Krieg hatte ein Ende, das alliierte Morden nicht", und dem Umstand, dass die Initiatoren des "5. Trauermarschs Bad Nenndorf" dem militanten Neonazi-Spektrum zuzurechnen sind.
Der Landkreis Schaumburg will gegen die Aufhebung des Demonstrationsverbotes für Rechtsextremisten vorgehen. "Wir werden Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen", zitiert bild.de die leitende Kreisverwaltungsdirektorin Ursula Müller-Krahtz am Freitag. Einem Bericht von süddeutsche.de zufolge kritisierte der DGB die Gerichtsentscheidung als "unglaublichen Vorgang" und will gegen das Urteil vor dem niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Beschwerde einlegen.
Seit 2006 versuchen militante Neonazis unter anderem aus dem Umfeld der "Nationalen Offensive Schaumburg" (NOS) die Geschehnisse im niedersächsischen Bad Nenndorf in der frühen Nachkriegszeit für ihre Propaganda zu instrumentalisieren. Zwischen 1945 und 1947 war es dort zu Misshandlungen von deutschen Häftlingen gekommen, von denen den meisten Sowjet-Spionage vorgeworfen wurde. Die Briten selbst hatten die Vorfälle aufgedeckt, thematisiert und das Lager sofort geschlossen.
Waren 2006 lediglich zwei Dutzend Anhänger der gewaltbereiten NOS zu Mahnwachen erschienen, marschierten im August 2008 bereits 400 Neonazis auf. Im vergangen Jahr reisten dann etwa 730 braune Aktivisten in Bad Nenndorf an. Aufgerufen wurde zu dem diesjährigen Neonazi-Aufmarsch - "Für die Opfer alliierter Kriegs- und Nachkriegsverbrechen - Gemeinsam und entschlossen gegen die Lüge der Befreiung" - unter anderem durch Anzeigen in der NPD-Zeitung "Deutsche Stimme".
___________________________________________________
Bild.de, 13.08.2010:
Landkreis wehrt sich gegen Neonazi-Demonstration
13.08.2010 - 10.24 Uhr
Stadthagen (dpa/lni). Der Landkreis Schaumburg will gegen die Aufhebung des Demonstrationsverbotes für Rechtsextremisten vorgehen. "Wir werden Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen", sagte die leitende Kreisverwaltungsdirektorin Ursula Müller-Krahtz am Freitag. Das Verwaltungsgericht in Hannover hatte am Donnerstag Abend das Verbot für den am Samstag geplanten Aufmarsch von Neonazis in Bad Nenndorf gekippt. Den Antrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes für eine Gegendemonstration lehnte es jedoch ab. Grund dafür sei, dass die Einsatzkräfte der Polizei nur für eine Demonstration ausreichten. "Diese Einschätzung teilen wir nicht", sagte Müller-Krahtz.
___________________________________________________
Bündnis NS-Verherrlichung stoppen!, 13.08.2010:
Bündnis "Nie wieder Faschismus" meldet Gegenkundgebung an
Wie uns soeben mitgeteilt wurde, hat das Bündnis "Nie wieder Faschismus" prompt auf das Verbot der DGB-Demo reagiert und seinerseits eine Gegenkundgebung angemeldet, die nicht verboten wurde.
Hier der Aufruf: Versammlung "Nie wieder Faschismus" erlaubt
Nachdem das Verwaltungsgericht Hannover entscheiden hat, dass die Nazis in Bad Nenndorf marschieren dürfen, während dasselbe Gericht eine Gegenkundgebung des DGB verboten hat, ruft das Bündnis "Nie wieder Faschismus" zu einer Eilversammlung in Bad Nenndorf auf. Von 10 bis 18 Uhr treffen sich circa 100 TeilnehmerInnen an der Ecke Marienweg / Bahnhofstraße um friedlich gegen Faschismus und Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren. Dabei sollen weder viele Worte gemacht werden, noch besondere Aktionen stattfinden. Für die Teilnehmer reicht es aus, durch ihre Anwesenheit auf die katastrophale Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufmerksam zu machen.
Diese Versammlung wurde vom Landkreis Schaumburg nicht verboten.
___________________________________________________
Schaumburger Zeitung, 13.08.2010:
Neonazis dürfen marschieren - DGB-Protest untersagt
Bad Nenndorf (rwe). Für die Demokraten aus dem Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" ist es ein Schock. Das Verwaltungsgericht Hannover hat gestern Abend dem Eilantrag der rechtsextremistischen Veranstalter stattgegeben, das vom Landkreis Schaumburg verhängte Verbot ihres so genannten Trauermarschs am 14. August aufzuheben. Zugleich lehnte die 10. Kammer in einem zweiten Eilverfahren das gleichlautende Ansinnen des DGB als Anmelder der Gegendemo ab. Der friedliche Protest der Gegendemonstranten bleibt damit untersagt.
Die Richter hielten den von der Ordnungsbehörde festgestellten "polizeilichen Notstand" für gegeben. Demnach fehlen fünf Hundertschaften, um bei zwei Versammlungen für Sicherheit zu sorgen. Allerdings sah die Kammer unter dem Vorwitz von Ingo Behrens keinen Anlass dafür, nicht wenigstens eine Versammlung zu genehmigen. Das 2000 Polizisten starke Aufgebot dürfte reichen, um einen Aufzug zu schützen und auch "die übrige Gefahrenlage zu beherrschen", selbst wenn auf der Gegenseite mit militanten Aktivisten zu rechnen ist.
Das Verwaltungsgericht gab den Neonazis den Vorzug, unter anderem weil diese ihren Aufzug zuerst angemeldet hatten. Zudem sei "entscheidend" zu berücksichtigen, dass nach Einschätzung der Polizei bei 400 bis 500 Linksextremisten ein "offenkundig deutlich mehr gewalttätiges Potenzial" zu erwarten sei als aufseiten der Autonomen Nationalisten, deren Zahl auf 250 geschätzt wird.
"Das ist der worst Case (englisch für: schlimmster Fall, Anm. d. Red.) und eine Katastrophe für jeden Bürgerprotest", sagt Steffen Holz vom Bündnis. Ihm fehlen die Worte. Vier Jahre Aufbau eines couragierten Protests würden vom Tisch gewischt.
Der DGB-Sekretär als Anmelder der Gegendemonstration sieht nach wie vor keinen Anlass für die von der Polizei angeführte Bedrohungslage von links. In der Verbotsverfügung gebe es "keine konkreten Beweise". Es handele sich um "Assoziationen und Unterstellungen", die nun den friedlichen Protest in Verruf bringen. Schon bei den Demonstrationen in den vergangenen Jahren seien die im Vorfeld geäußerten Befürchtungen nicht eingetreten.
Holz kündigt an, heute das Oberverwaltungsgericht anzurufen und sich bei einer weiteren Niederlage notfalls auch am Abend noch an das Bundesverfassungsgericht zu wenden, das in dritter Instanz entscheiden müsste.
Nach seinen Informationen sind die Karlsruher Richter schon über das Verfahren informiert, sodass mit einer Entscheidung wohl endgültig erst am Sonnabendvormittag zu rechnen ist. Holz: "Wenn die Beschlüsse so durchkommen, marschieren hier nicht 1.000, sondern 6.000 Nazis. Bad Nenndorf würde ein neues Wunsiedel."
Auch der Landkreis wird vermutlich heute vor das Oberverwaltungsgericht ziehen, um das Verbot gegen den so genannten Trauermarsch durchzusetzen. Das kündigte Pressesprecher Klaus Heimann gestern Abend an. Es könne mit Blick auf die Sicherheitslage nicht nur eine der beiden Veranstaltungen verboten werden. Das habe seine Behörde auch in der Verbotsverfügung so dargestellt. Die Gefahr von gewalttätigen Auseinandersetzungen sei eher noch gewachsen und noch schwieriger zu beherrschen. Auch im Kreishaus wird mit Sorge gesehen, dass durch die unterschiedlichen richterlichen Beschlüsse die bürgerlichen und rechtstreuen Teilnehmer nun ausgeschlossen würden.
Das Gericht hatte erwogen, dem DGB statt eines Totalverbots eine "stationäre Versammlung" zu gestatten. Die Kammer entschied anders. Der Grund: Die Linksextremisten könnten sich dort untermischen. Zudem würde die Veranstaltung wieder Polizisten binden.
Der VfL Bad Nenndorf hat gestern Abend aus Sicherheitsgründen sein "Sportfest gegen Rassismus und Gewalt" morgen abgesagt und verschoben. Der Vorstand hatte den ganzen Tag darüber beraten, wie der Verein auf die anderen Versammlungsverbote durch den Landkreis reagieren könnte.
"Wir kneifen nicht", betonte Vorstandsmitglied Sigrid Bade im Gespräch mit unserer Zeitung, dennoch könne niemand aus dem Gremium die Aktiven ruhigen Gewissens einladen. Auch Vorsitzender Volker Thies will nicht ausschließen, dass das VfL-Fest zur Plattform für Auseinandersetzungen werden könnte. Er "ermuntert" die Mitglieder, sich den Aktionen heute und der Gegendemonstration morgen anzuschließen, sollte diese doch noch erlaubt werden. "Wir holen das Sportfest nach", verspricht Thies.
___________________________________________________
Spiegel Online, 12.08.2010:
Gerichtsentscheidung / Neonazi-Marsch genehmigt - Gegendemo verboten
Das Verwaltungsgericht Hannover hat einen Neonazi-Propagandamarsch erlaubt und eine DGB-Gegendemo verboten. Begründung: Für beides gebe es nicht genug Polizisten, die Rechtsradikalen hätten ihre Veranstaltung zuerst angemeldet - und vor allem gehe von den Linken mehr Gefahr aus. Die Empörung ist groß.
Hannover. Neonazis sollen am Wochenende erneut durch den niedersächsischen Kurort Bad Nenndorf marschieren dürfen - eine Gegendemonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bleibt dagegen verboten. Das entschied das Verwaltungsgericht Hannover. Es kippte damit ein Verbot des Landkreises Schaumburg.
Die Kreisbehörde hatte beide Demos wegen eines Polizeinotstands untersagt: Ihrer Einschätzung nach sind nicht genügend Polizisten verfügbar, um die Kundgebungen zu begleiten. Polizeierkenntnissen zufolge wären bis zu 250 gewaltbereite Rechts- und etwa 500 gewaltbereite Linksextremisten zu erwarten; insgesamt stellte sich der Landkreis auf bis zu 1.000 Neonazis und bis zu 2.000 Gegendemonstranten ein. Beide Seiten zogen gegen das Verbot vor das Verwaltungsgericht - und das entschied nun für den Neonazi-Aufmarsch.
Das Gericht teilt die Einschätzung eines Polizeinotstands und erheblicher Gefahren für Menschen und Sachen, sollten beide Demonstrationen stattfinden. Es brauche dafür mehr als 2.000 Polizisten, und diese stünden nicht zur Verfügung. Allerdings könnten die vorhandenen 2.000 eine der beiden Demonstrationen schützen und im Übrigen die Gefahrenlage beherrschen. Der Beschluss falle dabei zu Lasten des DGB aus, weil die Rechtsextremen ihre Versammlung zuerst angemeldet hätten. Darüber hinaus sei "entscheidend" gewesen, dass "offenkundig deutlich mehr gewalttätiges Potential aus dem linksautonomen Spektrum zu erwarten" gewesen sei. Die Polizeidirektion Göttingen schätze die Zahl der zu erwartenden Linksextremisten schließlich auf 400 bis 500 und die Zahl der gewaltbereiten Autonomen Nationalisten auf 250. Man habe erwogen, dem DGB eine stationäre Versammlung zu gestatten. Auch dadurch könne aber der Polizeinotstand nicht aufgehoben werden.
"Sehr trauriger Tag für die Zivilgesellschaft"
DGB-Regionschef Sebastian Wertmüller kritisierte die Entscheidung als "ebenso einzigartigen wie unglaublichen Vorgang". "Das heißt im Klartext: Ein Aufzug in der offenen Tradition des SA, durchgeführt von militanten Rechtsextremen der so genannten Kameradschafts-Szene wird nicht verboten. Der bürgerliche Gegenprotest wird auf Grund ominöser Gefahrenprognosen von Polizei und Verfassungsschutz untersagt." Der Vorgang gefährde die Bemühungen aller Demokraten in Bad Nenndorf und im Landkreis Schaumburg. Durch unbestimmte Hinweise auf mögliche linksextreme Gewalttäter werde der gesamte Widerstand der Gewerkschaften, Kirchen, demokratischen Parteien, der Jüdischen Gemeinde, der Stadt- und Gemeinderäte, der Vereine und der Gewerkschaften diskreditiert. Es sei ein "sehr trauriger Tag für die Zivilgesellschaft, aber auch ein Ansporn".
Der DGB will nun vor dem niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg Beschwerde gegen das Urteil einlegen - das Verwaltungsgericht Hannover hatte dies für zulässig erklärt. Der DGB forderte den Landkreis auf, ebenfalls zur nächsten Instanz zu ziehen, und rief zum Bürgerprotest gegen die Entscheidung.
Neonazis rufen seit 2006 jährlich zum "Trauermarsch" durch Bad Nenndorf auf. Dort betrieben die Briten nach dem Zweiten Weltkrieg im Wincklerbad ein Verhörlager. Seit ein BBC-Journalist aufgedeckt hat, dass manche Insassen misshandelt wurden, versuchen die Rechtsextremen sich an einer "Verdrehung der Geschichte", wie es das Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" ausdrückt. Die schon damals umgehend geahndeten Vorfälle würden "heuchlerisch zu Propagandazwecken" missbraucht.
Im vergangenen Jahr versammelten sich mehr als 800 Neonazis in der Kurstadt. An Gegendemonstrationen beteiligten sich 2009 etwa 1.500 Menschen.
Az. 10 B 3508/10 und 10 B 3503/10
___________________________________________________
DGB Region Niedersachsen-Mitte, 12.08.2010:
Unglaublicher Vorgang: Verwaltungsgericht lässt Nazi-Aufmarsch zu und bestätigt Verbot der Gegendemonstration
Als ebenso einzigartigen wie unglaublichen Vorgang bewertet Sebastian Wertmüller vom DGB in Hannover die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Hannover, für den 14.08. das Verbot des Nazi-Aufmarsches in Bad Nenndorf aufzuheben, das Verbot der Gegendemonstration von "Bad Nenndorf ist bunt"
(angemeldet vom DGB ) aber zu bestätigen.
Der Regionsvorsitzende: "Das heißt im Klartext: Ein Aufzug in der offenen Tradition des SA, durchgeführt von militanten Rechtsextremen der so genannten Kameradschafts-Szene wird nicht verboten. Der bürgerliche Gegenprotest wird auf Grund ominöser Gefahrenprognosen von Polizei und Verfassungsschutz untersagt."
Unter diesen Voraussetzungen könne man noch jahrzehntelang folgenlos über Zivilcourage, Hinsehen statt Wegsehen, bürgerschaftliches Engagement und Einsatz für die Zivilgesellschaft reden. Ein derartiger Vorgang gefährde die Bemühungen aller Demokratinnen und Demokraten in Bad Nenndorf und im Landkreis Schaumburg in den letzten Monaten und Jahren.
Insbesondere kritisiert Wertmüller, dass durch unbestimmte und allgemeine Hinweise auf möglicherweise anreisende angebliche linksextreme Gewalttäter der gesamte Widerstand der Gewerkschaften, der Kirchen, der demokratischen Parteien, der jüdischen Gemeinde, der Stadt- und Gemeinderäte, der Vereine und der Gewerkschaften gegen die braune Pest diskreditiert werde.
Wertmüller kündigt an, gegen diese Entscheidung vor das OVG on Lüneburg zu ziehen und im Zweifel jede rechtliche Möglichkeit zu nutzen, um das Verbot noch aufzuheben.
Vom Landkreis erwartet der DGB, dass er an seiner Verbotsverfügung gegenüber dem so genannten Trauermarsch der Rechtsextremen festhält und ebenfalls zur nächsten Instanz zieht.
An alle Mitstreiter appelliert der DGB-Chef: "Macht eure Empörung sichtbar, wendet euch an Parlamentarier und Medien. Schreibt Protest-Mails und -Briefe. Lasst euch dieses Verbot nicht gefallen. Protestiert und fordert das Versammlungsrecht ein."
Wertmüllers Bilanz: "Ein sehr trauriger Tag für die Zivilgesellschaft, aber auch ein Ansporn mehr an uns, noch aktiver gegen Rechtsextremismus vorzugehen."
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 12.08.2010:
Neonazis dürfen in Bad Nenndorf marschieren
12.08.2010 - 20.46 Uhr
Von Stefan Schölermann, NDR Info
Die Neonazis dürfen nun doch am Sonnabend in Bad Nenndorf demonstrieren. Das Veraltungsgericht Hannover kippte am Donnerstag ein entsprechendes Verbot des Landkreises Schaumburg und gab einem Eilantrag der Rechtsextremen statt. Das Verbot der Gegendemonstration des bürgerlichen Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" bestätigte das Gericht jedoch und lehnte somit einen Eilantrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ab.
"Schlag in die Magengrube aller Demokraten"
Fassungslosigkeit und Entsetzen sind die ersten Reaktionen in Bad Nenndorf nach dem Richterspruch aus Hannover. Der Mitbegründer des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt", Apotheker Jürgen Übel, sprach von einem "Schlag in die Magengrube aller Demokraten" und bescheinigte dem Urteil eine "katastrophale Signalwirkung". Ähnlich äußerte sich der Bad Nenndorfer Samtgemeindedirektor Bernd Reese: "Ich bin fassungslos", sagte er und fügte hinzu: "Es muss sich doch auch bis zum Verwaltungsgericht herumgesprochen haben, dass da braune Wölfe im Schafspelz durch Bad Nenndorf marschieren wollen."
Polizeilicher Notstand durch Gewaltpotenzial
Der Landkreis Bad Nenndorf hatte am Donnerstag mit dem Argument des so genannten polizeilichen Notstandes sowohl den rechten "Trauermarsch", als auch die Gegendemonstrationen des Bündnisses verboten. Die Begründung lautete, dass angesichts des zu erwartenden Gewaltpotentials von links und rechts keine ausreichende Zahl von Polizeikräften zur Verfügung stehe. Beide Seiten waren gegen dieses Verbot vor Gericht gezogen.
Rechtsextremisten meldeten Demo zuerst an
Das Gericht argumentierte bei der Begründung seiner Entscheidung unter anderem mit dem so genannten "Erstanmelderprinzip". Die Rechtsextremisten hatten ihren "Trauermarsch" bereits vor Jahren angemeldet und seien deshalb in einer besseren Rechtsposition. Außerdem führte das Gericht die Gefahrprognose der Sicherheitsbehörden an, wonach im linksextremen Spektrum mehr Gewalttäter zu befürchten seien, als im rechten Spektrum.
DGB: "Skandalöses Urteil"
Der Regionsvorsitzende des DGB Niedersachsen-Mitte, Sebastian Wertmüller, sprach von einem "skandalösen Urteil". Er kritisierte den Richterspruch scharf: "Wir haben ausschließlich zu friedlichen Protesten aufgerufen und sind nicht verantwortlich für den 'polizeilichen Notstand.'" Das Urteil sei die schlimmstmögliche Folge der Verbotspolitik des Landkreises. Er kündigte sofortige rechtliche Schritte gegen den Richterspruch beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg an. Auch der Landkreis Schaumburg will gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen.
___________________________________________________
Bild.de, 12.08.2010:
Gericht: Neonazis dürfen marschieren
12.08.2010 - 19.33 Uhr
Hannover (dpa/lni). Das Verwaltungsgericht Hannover hat das Verbot für den am Samstag geplanten Aufmarsch von Neonazis in Bad Nenndorf gekippt. Damit gaben die Richter am Donnerstag einem Eilantrag der Rechtsextremen statt. Den Antrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes für eine Gegendemonstration lehnten sie jedoch ab. Der Landkreis Schaumburg hatte beide Demos verboten, weil polizeilicher Notstand herrsche. Dies sei jedoch nicht zulässig, teilte das Gericht mit. Zumindest eine Veranstaltung könne bewältigt werden. Die Rechten hätten ihre Versammlung zuerst angemeldet und dürften daher demonstrieren (Az. 10 B 3508/10 und 10 B 3503/10).
___________________________________________________
indi-rex - Informationsdienst Rechtsextremismus, 12.08.2010:
Neonazis dürfen marschieren, DGB-Demo vorerst weiter verboten
Das Verbot des revisionistischen "Trauermarschs" am Samstag ist gekippt worden: Das Verwaltungsgericht Hannover hat am Donnerstag einem Eilantrag der Organisatoren des Neonazi-Aufmarsches in Bad Nenndorf (Kreis Schaumburg) stattgegeben. Eine ebenfalls vom Landkreis verbotene DGB-Gegendemonstration bleibt jedoch untersagt, entschied das Gericht.
Somit dürfen nach jetzigem Stand die Neonazis durch Bad Nenndorf marschieren. Die Rechten hätten den geschichtsverfälschenden Marsch früher angemeldet, hieß es zur Begründung vom Verwaltungsgericht. Zudem seien auf Seiten der DGB-Veranstaltung mehr "militante" Teilnehmer zu erwarten, darum müsse die Veranstaltung untersagt bleiben. Der Landkreis hatte das Verbot mit einem "polizeilichen Notstand" begründet. Angeblich stünden zu wenig Einsatzkräfte zur Verfügung.
Den Antrag der Neonazis hatte Szene-Anwalt Stefan Böhmer aus dem fränkischen Uttenreuth (Kreis Erlangen-Höchstadt) eingereicht. Böhmer, der 2005 selbst wegen Volksverhetzung verurteilt worden war, hatte Anfang des Jahres vor dem Amtsgericht Neustadt am Rübenberge (Region Hannover) den Anführer der regionalen Kameradschafts-Strukturen, Marcus Winter, verteidigt (Bericht: www.indi-rex.com/neustadt-freispruche-fur-neonazi-kader-702.html).
Es werden weit über 1.000 Rechtsradikale am Samstag in dem kleinen Kurort Bad Nenndorf erwartet. Auf 250 Personen wird die Zahl der anreisenden "Autonomen Nationalisten" von der Polizei geschätzt. Linke haben angekündigt, trotz des Demo-Verbots nach Bad Nenndorf zu reisen. Das Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" bewirbt die Gegendemo nicht mehr. Doch der DGB will vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg Beschwerde gegen die Entscheidung aus Hannover einlegen.
___________________________________________________
Verwaltungsgericht Hannover, 12.08.2010:
Entscheidungen zu den Demonstrationen in Bad Nenndorf / Wincklerbad
Die Demonstration von Rechts bleibt mit den Vorgaben zur Strecke erlaubt, der DGB scheitert mit seinem Antrag gegen das Demonstrationsverbot.
Mit Beschlüssen vom 12.08.2010 gab die 10. Kammer dem Eilantrag der Rechten gegen die Verfügung des Landkreises Schaumburg, mit der die Durchführung einer Versammlung verboten wurde, im Wesentlichen statt und lehnte den Eilantrag des DGB gegen eine entsprechende Verbotsverfügung ab.
Beide Antragsteller haben für den 14.08.2010 Versammlungen angemeldet. Die Anmeldungen beider Versammlungen hatte der Landkreis zunächst unter Verfügung von Auflagen und einer verkürzten Aufzugsstrecke bestätigt.
Mit Bescheiden vom 11.08.2010 verbot der Landkreis Schaumburg unter Aufhebung seiner Bescheide beide Versammlungen mit der Begründung, die aktuelle Lageentwicklung seit Erlass der Versammlungsbestätigung habe zu einer Neubewertung der bisherigen Gefahrenprognose geführt. Danach lägen die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes vor, denn der Polizei stünden am Samstag nicht genügend Kräfte zur Verfügung, um die Einsatzlage zu bewältigen. Eine neue Kräftebedarfseinschätzung ergebe einen zusätzlichen Bedarf von fünf Einsatzhundertschaften, welcher vom Ministerium für Inneres auch nach einer durchgeführten Bund-Länder-Abfrage nicht gedeckt werden könne. Die Mobilisierungen im rechts- und linksextremistischen Spektrum hätten deutlich zugenommen, so dass nicht nur mit einer erhöhten Anzahl von Teilnehmern zu rechnen, sondern auch von einem erheblich erhöhten Gewaltpotential auszugehen sei. Nach den gegenwärtig erkennbaren Umständen würde es bei der Durchführung beider Versammlung zu schweren Ausschreitungen und damit zu Körperverletzungen und Sachbeschädigungen kommen.
Gegen diese Verfügungen haben sowohl die Rechten als auch der DGB um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das Gericht lehnte den Eilantrag des DGB ab und gab dem Eilantrag der Rechten im Wesentlichen statt:
Auch nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Unterlagen seien bei Durchführung beider Veranstaltungen die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstandes anzunehmen. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben sowie Sachen von bedeutendem Wert. Die Kammer folgt der Einschätzung des Landkreises, dass auf Grund der nunmehr zu erwartenden Zahl an Teilnehmern für beide Versammlungen und der ebenfalls gestiegenen Zahlen an erwarteten links- und rechtsextremen Teilnehmern ein gegenüber der zunächst zugrunde gelegten Zahl an notwendigen Einsatzkräften erhöhter Bedarf an Kräften besteht. Benötigt würden nach der am 11.08.2010 aufgestellten Kräftekonzeption 5 Hundertschaften mehr als in der ursprünglichen Kräftebedarfsberechnung, die noch von einem Kräftebedarf von insgesamt 2.000 Einsatzkräften, darunter 16 Einsatzhundertschaften ausging. Das Gericht hält die neue Bedarfsberechnung für nachvollziehbar und legt sie seiner Entscheidung zugrunde, zumal aus Zeitgründen keine weitere Möglichkeit zur Aufklärung bestand.
Unter Berücksichtigung dieser Zahlen fehlt es nach Auffassung der Kammer aber an nachvollziehbaren Gründen, warum nicht bei dem Verbot lediglich einer der beiden Versammlungen genügend Einsatzhundertschaften vorhanden seien, und zwar selbst dann, wenn unterstellt werde, dass trotz des Verbotes einer der Versammlungen mit - militanten - Teilnehmern der verbotenen Versammlung zu rechnen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die zur Verfügung stehenden ca. 2.000 Polizeikräfte nicht in der Lage wären, zumindest einen der beiden Aufzüge zu schützen und auch die Gefahrenlage im Übrigen zu beherrschen.
Bei der Ermessensentscheidung, welche Versammlung zu verbieten sei, müsse die Entscheidung zu Lasten der Versammlung des DGB fallen; zum einen, weil die Rechten ihre Versammlung zuerst angemeldet hätten und daher das so genannte Erstanmelderprivileg für sich in Anspruch nehmen könnten. Darüber hinaus und entscheidend sei aber zu berücksichtigen, dass für den 14.08.2010 offenkundig deutlich mehr gewalttätiges Potential aus dem linksautonomen Spektrum zu erwarten sei als auf Seiten der so genannten Autonomen Nationalisten. Die Polizeidirektion Göttingen schätze die Zahl der zu erwartenden Linksextremisten auf 400 - 500 ein und die Zahl der gewaltbereiten Autonomen Nationalisten auf 250.
Die Kammer hat auch erwogen, ob dem DGB statt eines Totalverbots nicht zumindest die Durchführung einer stationären Versammlung gestattet werden könne. Sie sieht sich hieran allerdings dadurch gehindert, dass es zur Vermeidung eines polizeilichen Notstands notwendig erscheine, gewaltbereiten Kräften nicht die Möglichkeit einzuräumen, im Rahmen einer rechtmäßig durchgeführten Versammlung zu agieren. Darüber hinaus würden bei Durchführung einer stationären Kundgebung zusätzlich Polizeikräfte gebunden.
Gegen die Entscheidungen ist die Beschwerde vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zulässig.
Az.: 10 B 3508/10 und 10 B 3503/10
___________________________________________________
Bündnis NS-Verherrlichung stoppen!, 12.08.2010:
Pressemitteilung / Widerstand lässt sich nicht verbieten!
Auch nach dem vorläufigen Verbot des Nazi-Aufmarschs in Bad Nenndorf hält das Bündnis "NS-Verherrlichung stoppen!" an seinem Aufruf zu Massenblockaden am Samstag, den 14. August, fest. Das Verbot des Nazi-Aufmarschs und der Gegendemonstration des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" wegen angeblichen polizeilichen Notstandes zeigt die Hilflosigkeit des Landkreises Schaumburg.
Statt den Protest vor Ort zu unterstützen, greift die Behörde zu einem Argument, das bislang fast nie vor Gericht stand gehalten hat. Auch nach vier Nazi-Aufmärschen in Bad Nenndorf reagiert der Landkreis offenbar nun auf den größer werden Druck der Öffentlichkeit. Dass er gleichzeitig die Gegendemonstration des DGB verbietet, rückt den berechtigten antifaschistischen Protest in die Nähe einer Straftat.
Typischerweise müssen ausgerechnet angebliche "Linksextremisten" für die polizeiliche Lagebeurteilung herhalten. Offensichtlich soll die überregionale Mobilisierung gegen den Nazi-Aufmarsch kriminalisiert werden, um der Versammlungsbehörde einen Vorwand für den ins Feld geführten "polizeilichen Notstand" zu liefern.
Statt dessen wäre der Landkreis gut beraten, sich mit den Recherchen zu befassen, die belegen, dass der Nazi-Aufmarsch an die NS-Tradition anknüpft. Für das Bündnis sagte Saskia Grunert: "Es ist skandalös, dass Polizei und Verfassungsschutz bislang nicht selbst auf die jetzt noch einmal präsentierten Ergebnisse gekommen sind. Stattdessen greifen die Behörden zu ihrem Lieblings-Kampfbegriff 'Extremismus' und kriminalisieren die Kreise, die mit Zivilcourage den Nazi-Aufmarsch verhindern wollen."
Weil sich die rechtliche Lage erfahrungsgemäß täglich ändern kann, mobilisiert das Bündnis "NS-Verherrlichung stoppen!" weiterhin zu Blockaden gegen den Nazi-Aufmarsch ab 8.00 Uhr auf der Bahnhofstraße in Bad Nenndorf.
Denn antifaschistischer Widerstand ist nicht kriminell, sondern höchst notwendig.
___________________________________________________
Schaumburger Zeitung, 12.08.2010:
DGB und Bündnis wollen friedlichen Protest
Hannover/Bad Nenndorf (tes). "Der Widerstand gegen den Aufmarsch der Neonazis ist ungebrochen." Mit dieser Botschaft haben der DGB und das Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" gestern auf das Verbot der Gegendemonstration reagiert. Unter großem Medieninteresse hatte der Regionsvorsitzende Sebastian Wertmüller in die Zentrale nach Hannover eingeladen. Die Vorbereitungen in der Bahnhofstraße werden nicht gestoppt, hieß es.
Der Anwalt des DGB hat gestern noch Beschwerde dagegen eingelegt, den friedlichen Protest zu untersagen. Wertmüller: "Wir werden per Eilantrag gegen das Verbot vorgehen." Er geht davon aus, dass die Neonazis ebenfalls vor Gericht ziehen. "Wir wollen nicht erleben, dass deren Trauermarsch genehmigt und die Gegendemo verboten bleibt."
DGB-Versammlungsleiter Steffen Holz rechnet frühestens Freitag mit einer Entscheidung. Sollte es beim Verbot bleiben, kündigte Wertmüller an, bis zum Oberverwaltungsgericht Lüneburg zu gehen. Die Lageeinschätzung der Polizei hält er für verfehlt. "Wir werden unter Generalverdacht gestellt. Von unserer Veranstaltung geht keine Gefahr aus. Wir protestieren friedlich."
Der DGB-Regionsvorsitzende begrüßt das Verbot des so genannten Trauermarschs als "großen Erfolg und notwendige Entscheidung". Darauf habe das Bündnis schon lange gedrängt und die Bürger darauf gewartet. Nur die Begründung ärgert ihn. Er zweifelt am polizeilichen Notstand. "Schon gar nicht sehen wir uns als die Verursacher."
Für ihn lägen gute Gründe dafür vor, dass Bad Nenndorf für die rechtsextremen Kameradschaften zur Ersatzveranstaltung für die verbotenen Treffen im bayerischen Wunsiedel werde soll. "Wir fordern ein komplettes Verbot des Nazi-Aufmarschs. Nicht aus polizeilichem Notstand, sondern aus inhaltlichen Gründen", belegte er mit diversen Informationen aus Internetquellen und dem Verweis auf den Uniformierungs-Aufruf der rechtsextremistischen Veranstalter. Diese forderten ein einheitliches Erscheinungsbild in weißen Hemden, unterlegt mit Texten des einstigen Nazi-Propagandisten Heinrich Anacker. Für Wertmüller ein Beleg, dafür dass der so genannte Trauermarsch in eindeutiger Tradition von SA und SS steht.
Auch die Grünen halten daran fest, sich zum Frühstück auf der Bahnhofstraße einzufinden. Bundestagsabgeordnete Katja Keul, Helge Limburg vom Stadtverband Hannover, Landeschefin Anja Piel und die Landtagsabgeordnete Ursula Helmhold wollen sich mit Gleichgesinnten in aller Herrgottsfrühe treffen. Die Busse seien voll.
Die Grünen hatten auf dem Landesparteitag beschlossen, "sich den Nazis in den Weg zu setzen". Auch rufen sie per Plakat zur Teilnahme an der Blockade auf. Dies in die Nähe einer linksextremistischen Aktion zu rücken, hält die Landeschefin für nicht gerechtfertigt. Sie nannte es "legitim, auf diesem Weg seine Meinung kundzutun" und verwies auf den Einsatz der Bürgermeister in Wunsiedel und Jena.
Die Blockade sei eine zusätzliche Aktion und "keinesfalls als Konkurrenz" zu den Aktionen des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" zu sehen. Piel: "Jeder muss seine Art des Protests finden."
Bildunterschrift: Klage im Eilverfahren: DGB-Regionsvorsitzender Sebastian Wertmüller und Udo Husmann vom Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" wehren sich gegen das Verbot der friedlichen Gegendemonstration.
___________________________________________________
Schaumburger Zeitung, 12.08.2010:
Ganze Hundertschaften fehlen der Polizei
Landkreis/Bad Nenndorf (rwe). Schon seit Tagen hatte sich im Kreishaus eine Entscheidung in Richtung Verbot des so genannten Trauermarschs der Rechtsextremen in Bad Nenndorf angebahnt. Eine für vergangenen Freitag anberaumte Pressekonferenz, in der Landkreis und Polizei ihre Auflagen für die Versammlungen begründen wollten, wurde abgesagt. Der Grund: Die Gefahrenlage nahm aus Sicht der Polizei zu.
"Je näher wir an das Datum rückten, desto konkreter wurden die Angaben", erklärte gestern im Kreishaus Inspektions- und Einsatzleiter Frank Kreykenbohm den laufenden Prozess. Er nannte gleich mehrere Aspekte, warum es aus seiner Sicht kaum möglich ist, in dem kleinen Ort die Sicherheit für die Polizisten, die Teilnehmer und die Bürger zu garantieren. So geht er von 1.200 Anhängern der rechtsextremen Szene aus, ein Viertel davon rechnete er den "Autonomen Nationalisten" zu. Eine "sehr, sehr ernst zu nehmende" und nicht zu kalkulierende Gruppe, die bei jeder Gelegenheit und schon bei der Anreise die Gewalt suche.
Auch von Links hat sich die Bedrohung gegenüber 2009 verdoppelt, laut Kreykenbohm "nicht nur bei der Zahl, sondern auch in der Qualität". Aus "großstädtischen Bereichen" wie Hamburg, Berlin und Göttingen, aber auch aus den Niederlanden würden gewaltbereite und in der Auseinandersetzung mit Polizei und Rechten erfahrene linke Extremisten anreisen. Auf "450" schätzt Kreykenbohm die Zahl derer, die nicht friedlich protestieren wollen, sondern gezielt auf Krawall aus sind.
Als weitere Veränderung nimmt die Polizei ein "Umdenken im Ort und im bürgerlichen Lager" wahr, sagte er, ohne den Widerstand pauschal verurteilen zu wollen. "Viele haben friedliche Absichten." Aber "die Bereitschaft zu Störungen und Normverstößen" habe zugenommen und auch die Sympathien dafür. "Es gibt eine Grenzverschiebung", resümierte Kreykenbohm mit Blick auf den Aufruf, die Bahnhofstraße zu blockeren. "Das ist strafbar", betonte er und nannte es eine "Fiktion", dass die Nazi-Aufmärsche in Wunsiedel durch den Sitzprotest der Bürger beendet worden sein sollen.
Die Gefahrenlage, "projiziert auf unser Konzept", brachte den Einsatzleiter zu dem Schluss, dass das ihm zur Verfügung stehende Großaufgebot nicht reicht, um den Auftrag zu erfüllen. Zahlen nannte Kreykenbohm nicht, aber er hatte bereits mehr Kräfte vorgesehen als 2009. Damals sollen 1.500 Polizisten im Einsatz gewesen sein. Laut Kreykenbohm fehlen "einige Hundertschaften", um die Sicherheit zu gewährleisten. Diese stünden trotz Anfrage nicht zur Verfügung. Schon jetzt kämen viele Polizisten aus anderen Bundesländern nach Bad Nenndorf.
"Wir werden schon jetzt stark unterstützt", bestätigte Dirk Hallmann, Sprecher im Innenministerium, bei dem Kreykenbohm weitere Hilfe beantragt hatte. "Wir haben uns bemüht", fügte Hallmann hinzu, aber es sei nicht gelungen, zusätzliche Kräfte zu mobilisieren. Er verwies auf zahlreiche Außenveranstaltungen im Sommer oder die ersten Fußballspiele in der DFB-Pokalrunde, die ebenfalls bundesweit Polizisten binden. "Die Differenz ist zu groß. So können wir den Einsatz nicht fahren", sagte der Ministeriumssprecher, der früher als Polizist selber Führer einer Hundertschaft war.
Für Schöttelndreier lässt der "polizeiliche Notstand" in der Abwägung der Rechtsgüter keinen anderen Schluss zu als ein Verbot. Ob der Landkreis mit seiner Bewertung richtig liegt, wird sich heute oder morgen beim Verwaltungsgericht Hannover zeigen. Die Kammer dort, die bereits am Dienstag mit dem Landkreis und dem DGB über die Auflagen verhandelt hat und die Situation kennt, könnte das Verbot aufheben und so das Klageverfahren gegen die Genehmigungen wieder in Kraft setzen. Denkbar ist auch, dass die Richter nur eine Demonstration untersagen. Die Polizei zieht in jedem Fall zum Wochenende ihre Kräfte in Bad Nenndorf zusammen, versicherte Kreykenbohm, da davon auszugehen ist, dass die Veranstalter im Falle einer Niederlage vor Gericht die nächste Instanz anrufen und eine endgültige Entscheidung erst am Sonnabend fällt.
Nenndorfs Samtgemeindebürgermeister Bernd Reese begrüßte gestern das Verbot und hofft nun, dass es auch juristisch Bestand hat. Bürgermeisterin Gudrun Olk kann sich nicht vorstellen, dass die Kammer die Veranstaltungen trotz der polizeilichen Sicherheitsbedenken zulässt. "Das wäre in meinen Augen fahrlässig."
___________________________________________________
Schaumburger Zeitung, 12.08.2010:
Landkreis verbietet Nazi-Aufmarsch
Landkreis/Bad Nenndorf (rwe). Seit gestern um 11 Uhr ist es amtlich: Der Landkreis hat den so genannten Trauermarsch der Neonazis am 14. August und die vom DGB, Region Niedersachsen-Mitte, angemeldete Gegendemonstration in Bad Nenndorf verboten. Noch am Vormittag unterzeichnete Ordnungsdezernentin Ursula Müller-Krahtz die entsprechenden Verfügungen, die unverzüglich den Veranstaltern und auch dem Verwaltungsgericht in Hannover zugingen. Dort werden die rechtsextremen Veranstalter und der DGB ein Eilverfahren anstrengen, um das Verbot noch vor Samstag aufzuheben.
Mit dem Verbot reagierte die Versammlungsbehörde auf den aktuellen Lagebericht der Polizei, die mit Blick auf das prognostizierte Gefahrenpotenzial aus dem rechts- und linksextremen Lager die Sicherheit und Ordnung nicht mehr gewährleisten kann. Das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit von Leib und Leben bewerte seine Behörde höher als das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, sagte Landrat Heinz-Gerhard Schöttelndreier in einer Pressekonferenz im Kreishaus. Losgelöst von Nazi-Aufmarsch und Gegendemonstration sind die übrigen Veranstaltungen vom Verbot nicht tangiert. Das Treffen am morgigen Freitag auf der Bahnhofstraße zum Dekorieren und auch die Kundgebung am Bahnhof sind weiterhin möglich und vom Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" auch geplant. Gleiches gilt für die Aktionen morgen am Haster Bahnhof. Auch der Gottesdienst am Samstag um 9 Uhr in der Musikmuschel und das Sportfest des VfL Bad Nenndorf auf dem Sportgelände sind von der Entscheidung nicht betroffen.
Bildunterschrift: Landrat Heinz-Gerhard Schöttelndreier steht einem Sat 1-Fernsehteam im Kreishaus Rede und Antwort.
___________________________________________________
NPD-BLOG.INFO, 11.08.2010:
"Trauermarsch" verboten - SA-Bezug aber kein Thema
11.08.2010 - 19.25 Uhr
Mit einem Verbot des rechtsextremen "Trauermarsches" in Bad Nenndorf will der Landkreis Schaumburg verhindern, dass am Sonnabend rund 1.000 Neonazis in dem niedersächsischen Kurort aufmarschieren. Gleichzeitig wurde auch die vom Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" angemeldete Gegendemonstration verboten. In ihrer am Mittwochmorgen zugestellten Verbotsverfügung beruft sich die Versammlungsbehörde auf einen zu befürchtenden "polizeilichen Notstand". Der offensichtliche Bezug der Neonazis auf SA- und SS-Traditionen spielt hingegen keine Rolle - bislang.
Von Kai Budler für NPD-BLOG.INFO
Für das Bündnis übte der Regionsvorsitzende des DGB Niedersachsen-Mitte, Sebastian Wertmüller, scharfe Kritik an dem Vorgehen. "Wir sehen uns nicht als Veranlasser eines polizeilichen Notstandes", sagte Wertmüller, der mit rund 5.000 Teilnehmern rechnet. Mit Blick auf den geplanten Neonazi-Aufmarsch sprach er von einer "missverstandenen Gleichbehandlung", durch die das Bündnis in einen Topf geschmissen werde, in den es nicht gehöre. Man werde auch weiterhin den nötigen Protest organisieren: "Wo Nazis öffentlich auftreten, zeigen wir uns", so Wertmüller.
Bezug auf SA- und SS-Mitglieder
Das Bündnis fordert ein Verbot des rechtsextremen Aufmarsches, weil er an nationalsozialistische Traditionen anknüpfe. Zur Begründung verweist Wertmüller auf die Empfehlung der Organisatoren, bei dem Aufmarsch "unbedingt helle Kleidung - vorzugsweise ein weißes Hemd oder Oberteil-Kleidung zu tragen". Neonazis in weißen Hemden beriefen sich auf das Auftreten von SA- und SS-Mitgliedern zu der Zeit des Verbotes der Organisationen als Privatarmee Anfang der 1930er Jahre.
Auch das im Internet beworbene weiße "Solidaritäts T-Hemd" knüpfe an entsprechende Traditionen an: bei dem aufgedruckten Vierzeiler handelt es sich um einen Text von Heinrich Anacker, einem erfolgreichen Propaganda-Schriftsteller im Nationalsozialismus. Der in den 1930er Jahren mehrfach von den Nazis ausgezeichnete Anacker saß u.a. als Reichskultursenator im "Kulturrat der Reichsschriftumskammer". "Das hätte der Staatsschutz auch herausfinden können", sagt der DGB-Chef und spricht von einer offensichtlichen SA-Tradition des Aufmarsches. Statt sich auf den polizeilichen Notstand zu berufen, gebe es gute Gründen für ein inhaltlich begründetes Verbot.
Der DGB will daher nun rechtlich gegen die Verbotsverfügung vorgehen, notfalls bis vor das Oberverwaltungsgericht Lüneburg. "Wir wollen nicht riskieren, dass am Ende der rechte Aufmarsch erlaubt wird und unsere Gegendemonstration nicht", erklärte Wertmüller in Hannover.
Generalverdacht
Der Bürgerprotest werde unter einen polizeilichen Generalverdacht gestellt, ergänzt der Bad Nenndorfer Apotheker Jürgen Übel. Seit dem ersten Neonazi-Aufmarsch 2006 organisiert er den Protest vor Ort mit und spricht von einem kompletten Ausnahmezustand in Bad Nenndorf. Bereits jetzt kreisten Polizeihubschrauber über Bad Nenndorf, in einigen Straßen herrsche Parkverbot für Anwohner. An dem Tag des Aufmarsches komme das öffentliche Leben zum Erliegen: Bei privaten Geburtstagsfeiern hätten die Veranstalter in der Vergangenheit Gästelisten bei der Polizei einreichen müssen, um den Geburtstagsbesuch zu ermöglichen. Eine Hochzeitsfeier sei ausgefallen, weil die Polizei die Musiker nicht durchgelassen habe. Nach Übels Angaben waren im vergangenen Jahr rund 1.500 Polizisten im Einsatz.
Weiterhin Aufruf zu Blockaden
Auch das Bündnis "NS Verherrlichung stoppen!" hält an seinem Aufruf für Massenblockaden in Bad Nenndorf fest und ruft zu einem Frühstück auf der Demonstrationsroute der Neonazis auf. Der Sprecher Tim Kröger sagte auf Anfrage, die Erfahrung zeige, wie schnell sich die rechtliche Situation ändern könne. Er kritisierte das Verhalten der Behörde als "hilflos": Statt den Neonazi-Aufmarsch zu untersagen, rücke das Verbot der Gegendemonstration den berechtigten Protest in die Nähe einer Straftat.
Unterstützung erhält das überregionale Bündnis von dem Landesverband der Grünen, der mit einem Parteibeschluss schon im April zu Blockaden in Bad Nenndorf aufgerufen hatte. Nach den guten Erfahrungen in Dresden sei die Aktionsform ein legitimes Mittel, damit die "Nazis keinen Meter Boden gewinnen", sagte die Landesvorsitzende der niedersächsischen Grünen, Anja Piel, auf einer Pressekonferenz. Es könne kaum verboten werden unter freiem Himmel zu frühstücken.
Derweil hat auch das selbsternannte rechtsextreme "Gedenkbündnis" eine Klage gegen das Verbot angekündigt. Bei einem Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht Hannover war der Anmelder des "Trauermarschs", Matthias Schulz aus Verden, nicht erschienen, jetzt heißt es seitens der Neonazis: "Unsere Anwälte sind sich sicher, dass wegen der mehr als dürftigen Argumentation des Landkreises ein Verbot vor Gericht keinen Bestand haben wird." Mit einer gerichtlichen Entscheidung wird in den kommenden zwei Tagen oder erst am Samstag, den 14.08. gerechnet.
Bildunterschrift: "Solidaritätsshirt" der Neonazis.
Bildunterschrift: Sebastian Wertmüller von DGB in Niedersachsen.
Bildunterschrift: Neonazis in Bad Nenndorf.
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 11.08.2010:
Landkreis verbietet Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
11.08.2010 - 17.42 Uhr
Von Angelika Henkel, Niedersachsen 19.30 das Magazin, und Stefan Schölermann, NDR Info
Eine von Rechtsextremen geplante Demonstration am Sonnabend in Bad Nenndorf ist vom zuständigen Landkreis untersagt worden. Auch eine geplante Gegendemonstration wurde verboten. Für den Landrat des Kreises Schaumburg, Heinz-Gerhard Schöttelndreier (SPD), ist die die Sache klar: Zu viel gewaltbereites Potenzial von Links und Rechts und zu wenig verfügbare Polizeibeamte im Lande - da blieb nur ein Verbot beider Veranstaltungen. Zur Begründung verweist der Landrat auf jüngste Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden, wonach besonders im linksextremen Spektrum die Gewaltbereitschaft zugenommen habe. "Wir haben Personen vor allem aus dem Großstadtmilieu identifiziert, die nicht nur zur Gewalt fähig, sondern auch besonders gewaltbereit sind." Gemeint sind so genannte Linksautonome aus Hamburg, Berlin, Göttingen und Hannover. Auch im rechten Lager habe die Zahl so genannter autonomer Nationalisten mit hoher Gewaltbereitschaft erheblich zugenommen.
Droht polizeilicher Notstand?
Auch aus Sicht der Polizei ist dies eine bedrohliche Lage. Man habe mehr Beamte beim Innenministerium angefordert, aber nicht bekommen, sagte der Einsatzleiter der Polizei, Frank Kreykenbohm. Auch wenn es niemand offen aussprach - die Versammlungsbehörde beruft sich auf das Institut des so genannten polizeilichen Notstands. Ein Rechtsinstitut, das bisher nur in Ausnahmefällen Bestand hatte. In Polizei-Kreisen löste diese Begründung deshalb Verwunderung aus. Recherchen des NDR ergaben, dass in Niedersachsen am Wochenende keine weiteren Großveranstaltungen angemeldet sind, die in erheblichem Maße Polizeikräfte binden werden.
DGB will Widerspruch einlegen
Dass die Gerichte sich mit dem Verbot des "Neonazi-Trauermarschs" und der Gegendemonstration des bürgerlichen Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" beschäftigen müssen, ist sicher. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) als Mitverantwortlicher der Gegendemo in Bad Nenndorf kündigte einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht an. Der Regionsvorsitzende Niedersachsen-Mitte, Sebastian Wertmüller, kritisierte die Verbotsverfügung scharf: "Unsere Veranstaltung ist eine friedliche. Wir haben deshalb diesen so genannten polizeilichen Notstand nicht verursacht." Da davon auszugehen sei, dass die Rechtsextremisten für ihren seit mehr als einem Jahr europaweit beworbenen "Trauermarsch" gerichtlich zu Felde ziehen werden, habe der DGB keine andere Wahl gehabt, als den Gerichtsweg zu beschreiten. "Man stelle sich vor, die Nazis ziehen vor Gericht, und wir tun das nicht, und die Braunen haben Erfolg. Dann dürften die Neonazis durch Bad Nenndorf ziehen und das bürgerliche Bündnis müsste dazu schweigen - eine unerträgliche Situation."
Neue Dokumente aufgetaucht
Der DGB präsentierte darüber hinaus in Hannover am Mittwoch überraschend Dokumente, die einen weiteren Verbotsgrund für die rechtsextremen Marschierer liefern könnten. Die Dokumente belegen aus Sicht des DGB, dass die Neonazis mit ihrem Marsch in Bad Nenndorf direkt an die Tradition der SS- und SA-Verbände des Hitlerreiches anknüpfen. "Darauf hätte auch der polizeiliche Staatsschutz kommen können." Verwundert ist der DGB außerdem über den späten Zeitpunkt der Verbotsverfügung. Niedersachsens Verfassungsschutz hatte bereits vor einer Woche gegenüber NDR Info von rund 400 bis 450 zum Teil gewaltbereiten so genannten Linksautonomen gesprochen.
Die Enttäuschung über das Verbot ist vor allem in Bad Nenndorf selbst groß. Jürgen Übel engagiert sich seit Jahren gegen den jährlich wiederkehrenden braunen Spuk in der Kurstadt. "Da fordert man seit Jahren von uns Zivilcourage. Wir haben ein breites Bündnis - und dann wird unsere betont gewaltfreie Gegendemonstration verboten."
Lage in jedem Fall heikel: "Hoher Mobilisierungsgrad"
Der weitere Ausgang ist ungewiss: Höhere Gerichte akzeptierten das Argument des polizeilichen Notstands bisher nur in Ausnahmefällen. Sollte das Verbot Bestand haben, bliebe die Lage gleichwohl heikel. Denn die Neonazis haben intensiv für diese Veranstaltung geworben. Verfassungsschützer sprechen von einem "hohen Mobilisierungsgrad". Daher könnte eine ähnliche Situation drohen wie am 1. Mai 2009 in Hannover. Damals war eine Neonazi-Demo erfolgreich verboten worden. Doch Hunderte Rechtsextremisten zogen daraufhin quer durch Niedersachsen und veranstalteten so genannte Spontandemonstrationen mit hohem Gewaltpotenzial. Experten befürchten, dass solch eine Lage jetzt wieder drohen könnte. Das Verbot beträfe auch nur den diesjährigen Aufmarsch in Bad Nenndorf. Die Rechtsextremisten haben weitere "Trauermärsche" für die nächsten 25 Jahre angemeldet.
Seit 2006 regelmäßig braune Aufmärsche
Die Rechten veranstalten seit 2006 regelmäßig "Gedenkmärsche" in Bad Nenndorf. Von 1945 bis 1947 hatte die britische Armee dort ein Verhörzentrum für gefangene Nationalsozialisten eingerichtet. In dem Lager wurden auch Häftlinge misshandelt. Im vergangenen Jahr protestierten rund 1.500 Bürger gegen den Aufmarsch.
___________________________________________________
Blick nach Rechts, 11.08.2010:
Landkreis verbietet militanten "Trauermarsch"
Bad Nenndorf. Der von Neonazis für den kommenden Samstag geplante "5. Trauermarsch Bad Nenndorf" (Motto: "Der Krieg hatte ein Ende, das alliierte Morden nicht") in der Kurstadt wurde vom Landkreis Schaumburg verboten.
Als Grund wurde NDR.online zufolge die deutlich verschärfte Sicherheitslage in der Stadt genannt. Die Polizei verfüge über sichere Erkenntnisse, dass gewaltbereite Demonstranten nach Bad Nenndorf kommen wollten. Verboten wurde auch eine geplante Gegendemonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Der DGB will dagegen vor dem Verwaltungsgericht Hannover im Eilverfahren Widerspruch einlegen, berichtet NDR.online. Auch die Neonazis wollen mit rechtlichen Schritten gegen die Verbotsverfügung eingehen, wird auf einer für den "Trauermarsch" eingerichteten braunen Homepage informiert.
Seit 2006 versuchen militante Neonazis unter anderem aus dem Umfeld der "Nationalen Offensive Schaumburg" (NOS) die Geschehnisse im niedersächsischen Bad Nenndorf in der frühen Nachkriegszeit für ihre Propaganda zu instrumentalisieren. Zwischen 1945 und 1947 war es dort zu Misshandlungen von deutschen Häftlingen gekommen, von denen den meisten Sowjet-Spionage vorgeworfen wurde. Die Briten selbst hatten die Vorfälle aufgedeckt, thematisiert und das Lager sofort geschlossen.
Waren 2006 lediglich zwei Dutzend Anhänger der gewaltbereiten NOS zu Mahnwachen erschienen, marschierten im August 2008 bereits 400 Neonazis auf. Im vergangen Jahr reisten dann etwa 730 braune Aktivisten in Bad Nenndorf an. Aufgerufen wurde zu dem diesjährigen Neonazi-Aufmarsch - "Für die Opfer alliierter Kriegs- und Nachkriegsverbrechen - Gemeinsam und entschlossen gegen die Lüge der Befreiung" - unter anderem durch Anzeigen in der NPD-Zeitung "Deutsche Stimme".
___________________________________________________
Störungsmelder, 11.08.2010:
Landkreis verbietet Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf
11.08.2010 - 16.52 Uhr
Von Kai Budler
Mit einem Verbot des rechtsextremen so genannten Trauermarsches in Bad Nenndorf will der Landkreis Schaumburg verhindern, dass am Samstag rund 1.000 Neonazis in dem niedersächsischen Kurort aufmarschieren. Gleichzeitig wurde auch die vom Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" angemeldete Gegendemonstration verboten. In ihrer am Mittwoch morgen zugestellten Verbostverfügung beruft sich die Versammlungsbehörde auf einen zu befürchtenden "polizeilichen Notstand".
Für das Bündnis übte der Regionsvorsitzende des DGB Niedersachsen-Mitte, Sebastian Wertmüller, scharfe Kritik an dem Vorgehen. "Wir sehen uns nicht als Veranlasser eines polizeilichen Notstandes", sagte Wertmüller, der mit rund 5.000 Teilnehmern rechnet. Mit Blick auf den geplanten Neonazi-Aufmarsch sprach er von einer "missverstandenen Gleichbehandlung", durch die das Bündnis in einen Topf geschmissen werde, in den es nicht gehöre. Man werde auch weiterhin den nötigen Protest organisieren: "Wo Nazis öffentlich auftreten,zeigen wir uns", so Wertmüller. Das Bündnis fordert ein Verbot des rechtsextremen Aufmarsches, weil er an nationalsozialistische Traditionen anknüpfe. Zur Begründung verweist Wertmüller auf die Empfehlung der Organisatoren, bei dem Aufmarsch "unbedingt helle Kleidung -vorzugsweise ein weißes Hemd oder Oberteil- Kleidung zu tragen". Neonazis in weißen Hemden beriefen sich auf das Auftreten von SA- und SS-Mitgliedern zu der Zeit des Verbotes der Organisationen als Privatarmee Anfang der 1930er Jahre.
Neonazi-Werbung mit Tradition
Auch das im Internet beworbene weiße "Solidaritäts T-Hemd" knüpfe an entsprechende Traditionen an: bei dem aufgedruckten Vierzeiler handelt es sich um einen Text von Heinrich Anacker, einem erfolgreichen Propaganda-Schriftsteller im Nationalsozialismus. Der in den 1930er Jahren mehrfach von den Nazis ausgezeichnete Anacker saß u.a. als Reichskultursenator im "Kulturrat der Reichsschriftumskammer". "Das hätte der Staatsschutz auch herausfinden können", sagt der DGB Chef und spricht von einer offensichtlichen SA-Tradition des Aufmarsches. Statt sich auf den polizeilichen Notstand zu berufen, gebe es gute Gründen für ein inhaltlich begründetes Verbot. Der DGB will nun rechtlich gegen die Verbotsverfügung vorgehen, notfalls bis vor das Oberverwaltungsgericht Lüneburg. "Wir wollen nicht riskieren, dass am Ende der rechte Aufmarsch erlaubt wird und unsere Gegendemonstration nicht", erklärte Wertmüller in Hannover. Der Bürgerprotest werde unter einen polizeilichen Generalverdacht gestellt, ergänzt der Bad Nenndorfer Apotheker Jürgen Übel. Seit dem ersten Neonazi-Aufmarsch 2006 organisiert er den Protest vor Ort mit und spricht von einem kompletten Ausnahmezustand in Bad Nenndorf. Bereits jetzt kreisten Polizeihubschrauber über Bad Nenndorf, in einigen Straßen herrsche Parkverbot für Anwohner. An dem Tag des Aufmarsches komme das öffentliche Leben zum Erliegen: bei privaten Geburtstagsfeiern hätten die Veranstalter in der Vergangenheit Gästelisten bei der Polizei einreichen müssen, um den Geburtstagsbesuch zu ermöglichen. Eine Hochzeitsfeier sei ausgefallen, weil die Polizei die Musiker nicht durchgelassen habe. Nach Übels Angaben waren im vergangenen Jahr rund 1.500 Polizisten im Einsatz.
Weiterhin Aufruf zu Blockaden
Auch das Bündnis "NS Verherrlichung stoppen!" hält an seinem Aufruf für Massenblockaden in Bad Nenndorf fest und ruft zu einem Frühstück auf der Demonstrationsroute der Neonazis auf. Der Sprecher Tim Kröger sagte auf Anfrage, die Erfahrung zeige, wie schnell sich die rechtliche Situation ändern könne. Er kritisierte das Verhalten der Behörde als "hilflos": statt den Neonazi-Aufmarsch zu untersagen, rücke das Verbot der Gegendemonstration den berechtigten Protest in die Nähe einer Straftat. Unterstützung erhält das überregionale Bündnis von dem Landesverband der Grünen, der mit einem Parteibeschluss schon im April zu Blockaden in Bad Nenndorf aufgerufen hatte. Nach den guten Erfahrungen in Dresden sei die Aktionsform ein legitimes Mittel, damit die "Nazis keinen Meter Boden gewinnen", sagte die Landesvorsitzende der niedersächsischen Grünen, Anja Piel, auf einer Pressekonferenz. Es könne kaum verboten werden unter freiem Himmel zu frühstücken.
Derweil hat auch das selbsternannte rechtsextreme "Gedenkbündnis" eine Klage gegen das Verbot angekündigt. Bei einem Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht Hannover war der Anmelder des "Trauermarschs", Matthias Schulz aus Verden, nicht erschienen, jetzt heißt es seitens der Neonazis: "Unsere Anwälte sind sich sicher, dass wegen der mehr als dürftigen Argumentation des Landkreises ein Verbot vor Gericht keinen Bestand haben wird." Mit einer gerichtlichen Entscheidung wird in den kommenden zwei Tagen oder erst am Samstag, den 14.08. gerechnet. Der mittlerweile fünfte "Trauermarsch" der rechtsextremen Szene ist der größte Neonazi-Aufmarsch in Norddeutschland. Seit 2006 führt der jährliche Aufmarsch durch die Stadt zum Wincklerbad, wo der britische Geheimdienst nach dem Zweiten Weltkrieg knapp zwei Jahre lang ein Verhör- und Internierungslager betrieben hatte. In der Einrichtung wurden auch Häftlinge misshandelt.
Bildunterschrift: Sebastian Wertmüller, DGB Niedersachsen-Mitte.
Bildunterschrift: Neonazi mit "Solidaritäts T-Hemd" am 5. Juni in Hildesheim.
Bildunterschrift: V.l.n.r.: Sebastian Wertmüller, Udo Husmann, Steffen Holz, Jürgen Übel vom Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt".
Bildunterschrift: Anja Piel (li.) mit Blockade-Plakat.
___________________________________________________
stern.de, 11.08.2010:
Landkreis verbietet geplante Neonazi-Demo in Bad Nenndorf am Samstag
11.08.2010 - 15.40 Uhr
Der Landkreis Schaumburg hat eine für Samstag geplante große Demonstration von Neonazis in Bad Nenndorf, aber auch die geplante Gegendemonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) verboten. Wie die Ordnungsdezernentin des Kreises, Ursula Müller-Kratz, am Mittwoch in Stadthagen auf Anfrage sagte, reagiert der Kreis damit auf den unerwartet starken Zulauf zu beiden Kundgebungen. Die Polizei habe Erkenntnisse darüber, dass auf Seiten der Neonazis mit bis zu 250 gewaltbereiten autonomen Nationalisten gerechnet werden müsse und bei den Gegendemonstranten mit bis zu 500 gewaltbereiten Linksextremisten. "Entsprechend große Einsatzkräfte der Polizei in Niedersachsen stehen dafür an diesem Wochenende nicht zur Verfügung".
___________________________________________________
DGB Region Niedersachsen-Mitte, 11.08.2010:
Bad Nenndorf: Verbot der Nazi-Veranstaltung am 14.08.2010 ein großer Erfolg / Kritik an Verbot für DGB-Veranstaltung / Neue Quellen: Nazi-Aufmarsch am 14.08. steht in NS-Tradition
Als einen großen Erfolg und eine notwendige Entscheidung wertet man beim DGB in Hannover das erfolgte Verbot des Nazi-Aufzuges für den 14.08.2010 in Bad Nenndorf (beworben unter dem verharmlosenden Namen "Trauermarsch"). Auf dieses Verbot habe das Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" schon lange gedrängt und haben die Bürgerinnen und Bürger schon lange gewartet.
Der DGB Niedersachsen-Mitte kündigt juristische Schritte gegen das zugleich erfolgte Verbot seiner Veranstaltung im Namen des Bündnisses Bad Nenndorf ist bunt am 14.08.2010 in Bad Nenndorf an. Man werde unverzüglich mit einem Eilantrag vor das Verwaltungsgericht Hannover ziehen und auf eine Aufhebung des Verbotes drängen. Solange die Verbotsverfügung Bestand habe, werde der DGB seine Bewerbung für seine Veranstaltung einstellen.
Der DGB kritisiert dabei den Tenor der Verbotsverfügung: Nicht die Veranstaltung des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" führe zu einem polizeilichen Notstand, sondern der Neonazi-Aufmarsch mit 1.000 und mehr Teilnehmern. Wertmüller: "Wir führen eine friedliche Veranstaltung durch, da hat der DGB jahrelange Erfahrungen - auch im Landkreis Schaumburg - gesammelt. Wir rufen nicht zu strafbaren Handlungen auf, sondern zu einer angemeldeten und friedlichen Demonstration."
Offene NS-Tradition belegt
Was besonders verärgert: Nach Ansicht Wertmüllers steht der sog. Trauermarsch der Nazis in eindeutiger Tradition von SA und SS. Das machen sowohl die Intention wie auch die Kostümierung der Teilnehmer deutlich. Konkret: Bereits seit Monaten wird auf der Websites des so genannten Trauermarsches für ein einheitliches Erscheinungsbild in weißen Hemden geworben. Damit bezieht sich der Nazi-Umzug auf die Zeit des Verbotes von SA und SS 1932 als die SA geschlossen in weißen Hemden auftrat. Schon damit ist aus Sicht Wertmüllers der Tatbestand einer - verbotenen - Uniformierung erfüllt. Verschärfend ist die Tatsache, dass der so genannte Trauermarsch auf seiner Homepage seit Mai 2010 für das Tragen von Shirts wirbt und diese auch zum Kauf anbietet. Diese sind mit folgendem Spruch versehen: "In braunem Hemd, in weißem Hemd brennt gleich für Deutschland unser Blut. Fest wie ein Turm stehen wir im Sturm - Zur Flamme peitscht ihr unsre Glut!" Sie zitieren dabei den NS-Autor Heinrich Anacker aus dem Band "Die Trommel - SA-Gedichte" aus 1932 aus dem NS-Verlag "Frz. Eher Nachf., München". Das Gedicht hat den Titel "Im braunen Hemd - im weißen Hemd ... " und bezieht sich ausdrücklich auf die SA-Verbotszeit. Wertmüller dazu: "Wie jemals geglaubt hat, es ginge in Bad Nenndorf um einen Trauerzug und nicht um eine NS-Veranstaltung, der weiß spätestens jetzt besser." Ein Verbot sei vor diesem Hintergrund notwendig.
___________________________________________________
Deutscher Depeschendienst, 11.08.2010:
DGB will Verbot von Anti-Neonazi-Demonstration nicht akzeptieren
11.08.2010 - 13.43 Uhr
Der DGB will das Verbot der Gegendemonstration zu einem inzwischen ebenfalls untersagten Neonazi-Aufmarsch am kommenden Samstag in Bad Nenndorf nicht akzeptieren.
"Wir werden das Verbot des Landkreises Schaumburg nicht hinnehmen und vor dem Verwaltungsgericht Hannover im Eilverfahren Widerspruch einlegen", sagte der DGB-Regionalvorsitzende Niedersachsen-Mitte, Sebastian Wertmüller, am Mittwoch in Hannover.
Zuvor hatte der Landkreis Schaumburg beide geplanten Veranstaltungen wegen polizeilichen Notstands verboten. "Wir sehen uns nicht als Verursacher eines polizeilichen Notstandes", sagte Wertmüller. Damit werfe man das gegen Rechts gerichtete demokratische Bündnis in einen Topf mit den Neonazis. Richtig wäre es gewesen, allein den Neonazi-Aufmarsch wegen seiner versuchten Anknüpfung an die NS-Tradition zu verbieten, kritisierte er die Entscheidung des Landkreises.
Der DGB müsse das Demonstrationsverbot aber auch aus taktischen Gründen anfechten. Denn es sei davon auszugehen, dass auch die Neonazis juristisch gegen die Entscheidung des Landkreises vorgehen werden. "Wenn wir keinen Widerspruch einlegen, dürften die Neonazis im schlimmsten Fall demonstrieren und wir nicht", sagte Wertmüller.
Nach Angaben des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" planen die Neonazis, das ehemalige britische Verhörzentrum in Bad Nenndorf zu einer überregionalen rechtsradikalen Gedenkstätte machen. Im vergangenen Jahr versammelten sich mehr als 800 Neonazis in der Kurstadt. An Gegendemonstrationen beteiligten sich 2009 etwa 1.500 Menschen.
___________________________________________________
indi-rex - Informationsdienst Rechtsextremismus, 11.08.2010:
"Trauermarsch" in Bad Nenndorf vorerst verboten
Der neonazistische "Trauermarsch" in Bad Nenndorf am nächsten Samstag ist vorerst verboten worden. Der Landkreis Schaumburg untersagt die Demonstrationen des revisionistischen "Gedenkbündnisses" sowie die Gegendemo vom DGB auf Grund eines "polizeilichen Notstandes".
Zu wenige Polizeikräfte wären am Samstag verfügbar, um die Sicherheit in der niedersächsischen Kleinstadt zu gewährleisten, hieß es am Mittwoch. In diesem Jahr werden weit über 1.000 Neonazis erwartet. Das Verbot gilt auch für die Gegendemonstration, die vom DGB angemeldet wurde und vom Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" organisiert wird.
Sowohl DGB als auch das Neonazi-Bündnis haben angekündigt, gegen die Entscheidung des Landkreises zu klagen.
In der Vergangenheit hatten solche Verbote kaum Bestand vor den Gerichten. Eine Ausnahme stellt jedoch die bis in die letzte Instanz verbotene 1.-Mai-Demonstration der Neonazi-Szene 2009 in Hannover dar.
Zwischenzeitlich als Versammlungsleiter bei der verhinderten Demo in Hannover angegeben war auch Christian Müller, der die Aufmärsche in Bad Nenndorf 2008 und 2009 in Vertretung für den damals inhaftierten Initiator Marcus Winter leitete. Winter ist inzwischen aus dem Gefängnis entlassen worden.
Anzunehmen ist, dass die Rechtsradikalen bis zum Oberverwaltungsgericht und im Zweifel auch zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe gehen werden, um den für die norddeutsche Szene bedeutendsten Großaufmarsch durchzusetzen.
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 11.08.2010:
Bad Nenndorf: Landkreis verbietet Demonstrationen
11.08.2010 - 12.29 Uhr
Die Neonazi-Demonstration und auch die Gegendemonstration am Sonnabend in Bad Nenndorf sind verboten worden. Der zuständige Landkreis Schaumburg nannte als Grund die deutlich verschärfte Sicherheitslage in der Kurstadt. Nach Angaben des zuständigen Polizeidirektors gebe es sichere Erkenntnisse, dass sowohl aus dem rechten wie dem linken Spektrum viele gewaltbereite Demonstranten nach Bad Nenndorf kommen wollten. Zudem stünden der Polizei nicht genügend Kräfte zur Verfügung, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu garantieren.
___________________________________________________
Schaumburger Wochenblatt, 11.08.2010:
Den Protest gegen Nazis nicht kriminalisieren
Bad Nenndorf (wa). Überzogen und unverhältnismäßig seien die Versammlungsauflagen für die DGB in Bad Nenndorf, sagen Die Grünen. Sie kritisieren damit den Umgang der Polizei- und Versammlungsbehörden mit den Demonstrationen gegen den für Sonnabend, dem 14. August gemeldeten Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf.
Die 14-seitige Zusammenstellung schränkt die friedlichen und couragierten Proteste gegen die Nazis massiv ein, so der rechtspolitische Sprecher Helge Limburg in Hannover. Unter anderem werden schwarze Bekleidungsstücke verboten und Einzelüberprüfungen der Ordner seien angeordnet worden. Limburg meint außerdem, dass dieser Bescheid den Anschein gibt, als habe der Landkreis das geplante, verschärfte niedersächsische Versammlungsgesetz bereits angewandt obwohl es noch nicht in Kraft getreten sei. Es erwecke außerdem den Eindruck, als gäbe es eine ständig wachsende Zahl an gewaltbereiten Demonstranten. Unnötige Angst und Misstrauen werden dadurch geschürt.
"Die Nazi-Proteste in Bad Nenndorf waren stets bunt und friedlich" sagt Limburg weiter.
___________________________________________________
Schaumburger Wochenblatt, 11.08.2010:
Farbenfroher Protest gegen den Aufmarsch der Rechten / "Bündnis" organisiert Protestkundgebungen am Freitag und am Sonnabend
Bad Nenndorf (bb). Mit einer friedlichen und farbenfrohen Protestaktion will das "Bündnis Bad Nenndorf ist bunt" dem Aufmarsch der Rechtsextremen am kommenden Wochenende in der Kurstadt entgegentreten. Das Bündnis ruft alle Bürger dazu auf, am Sonnabend bei der Gegendemonstration und dem Fest des VfL Bad Nenndorf sowie bei den Aktionen am Freitag Flagge zu zeigen für eine weltoffene und tolerante Gesellschaft. Sigrid Bade und Jürgen Uebel vom Bündnis Bad Nenndorf ist bunt hoffen, dass viele Bürger an der Bahnhofstraße ihre Grundstücke mit den Plakaten gegen den Aufmarsch der Rechtsextremen ausstatten.
"Es kann nicht angehen, dass wir kuschen müssen, wenn eine Bande von Nazis nach Bad Nenndorf kommt", erklärte Jürgen Uebel vom "Bündnis Bad Nenndorf ist bunt" bei der Vorstellung des Programms gegen den Aufmarsch der Rechtsextremen. Am Freitag, dem 13. August, startet das Bündnis die Aktivitäten. Freiwillige Helfer sind aufgerufen, um 14 Uhr zum Treffpunkt vor dem Schlammbadehaus zu kommen. Mit ihrer Hilfe soll die Marschroute der Rechtsextremen farbenfroh geschmückt werden.
Das Bündnis wird Material ausgeben, sehr willkommen wären jedoch mitgebrachte Dekorationsartikel von Luftballons bis zu bunten Hemden, Krawatten oder Wäscheleinen. Außerdem sollen Transparente und Plakate an Fassaden und in den Vorgärten auf dem Weg vom Bahnhof zum Wincklerbad angebracht werden. "Wir freuen uns über jeden der mitmacht", so Uebel. Anwohner erhalten Plakate und Transparente bei den Bündnismitgliedern. Der so genannte Trauermarsch der Rechtsextremen sei Heuchelei und keine echte Trauer, hielt Uebel fest. Entsprechend gelte es, die Strecke möglichst farbenfroh zu gestalten. Die Schmückaktion soll bis etwa 17 Uhr dauern, ab 18 Uhr folgt eine Kundgebung vor dem Wincklerbad.
Für Sonnabend, den 14. August, den Tag des Aufmarsches der Rechtsextremen, ruft das Bündnis unter dem Motto "Bunt statt braun - Den Nazis entgegentreten" zur Gegendemonstration auf. Um 10.30 Uhr beginnt die Demonstration mit einer Kundgebung in der Bornstraße hinter dem Bahnhof. Ab 11 Uhr bewegt sich der Demonstrationszug dann zum Thermalbad. Hier findet von etwa 12 Uhr bis 16 Uhr eine zweite Kundgebung statt. Mit musikalischen Beiträgen und verschiedenen Rednern soll ein abwechslungsreiches Programm gestaltet werden, das auch akustisch einen Gegenpunkt zum Aufmarsch der Rechtsextremen setzt.
Ursprünglich war es das Ziel des Bündnisses, den Demonstrationszug bis zum Sportfest des VfL Bad Nenndorf auf dem Gelände an der Bahnhofstraße zu führen. Die Auflagen der Genehmigungsbehörde erlauben jedoch keine Querung der Bahnhofstraße. Gegen diese Auflagen geht der DGB als Bündnismitglied gerichtlich vor. Ob das Bündnis eine andere Streckenführung als bis zum Thermalbad vor dem Verwaltungsgericht erstreiten kann, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Der VfL beginnt sein Sportfest "Bad Nenndorf bewegt sich - Sportler gegen Rassismus und Gewalt" um 11 Uhr auf dem Gelände in der Bahnhofstraße. Ballspiele, Hüpfburg und andere Bewegungsspiele stehen auf dem Programm. Der Eintritt von der Bahnhofstraße ist an diesem Tag auf Grund der Sicherheitsauflagen nicht möglich, er muss vom Gymnasium aus erfolgen.
Das Bündnis rechnet nach den Angaben von Steffen Holz mit rund 2.000 Gegendemonstranten nach rund 1.500 im Vorjahr.
Holz und Uebel betonten, dass das Ziel ein friedlicher Protest sei. Es gehe den Organisatoren nicht um eine Eskalation der Situation. Wenn der "berechtigte Protest der Bürger in Bad Nenndorf gegen den rechtsextremen Aufmarsch" aber mit dem Hinweis auf die Gefahr der Provokation der Rechtsradikalen durch Auflagen der Behörden deutlich eingeschränkt werde, dränge sich die Frage auf, warum der so genannte Trauermarsch nicht verboten werde.
___________________________________________________
Schaumburger Nachrichten Online, 10.08.2010:
Landkreis erwägt Verbot für "Trauermarsch"
10.08.2010 - 19.43 Uhr
Bad Nenndorf (rwe). Dem so genannten Trauermarsch der Neonazis in Bad Nenndorf zum Wincklerbad droht möglicherweise ein Verbot. Darauf lässt eine Einladung des Landkreises Schaumburg schließen. Gemeinsam mit der Polizei hat die Genehmigungsbehörde für heute eine Entscheidung angekündigt. Auch die vom DGB angekündigte Gegendemonstration würde dann untersagt.
Grund dafür ist die unklare Sicherheitslage, die am kommenden Sonnabend zu erwarten wäre. Seit Tagen ist die Polizei dabei, diese zu beobachten und zu bewerten. Mehr als 1.000 Neonazis werden erwartet, dazu gehen die Behörden offenbar von bis zu 3.000 Demonstranten auf der Gegenseite aus. 400 oder mehr davon werden dem linken gewaltbereiten Lager zugerechnet. Eine Situation, die den Ordnungsbehörden kaum kontrollierbar erscheint.
Grund für ein Verbot könnte daher ein "polizeilicher Notstand" sein, sollte Einsatzleiter Frank Kreykenbohm zum Ergebnis gekommen sein, trotz eines massiven Aufgebots die Sicherheit der Versammlungsteilnehmer und Bevölkerung nicht mehr gewährleisten zu können. Heute will er sich um 11 Uhr gemeinsam mit Landrat Heinz-Gerd Schöttelndreier im Kreishaus dazu äußern. Denkbar wäre auch, die Routenführung der beiden Demonstrationszüge zu ändern. Doch wo sollen in einer Kleinstadt so viele Leute hin?
Jedenfalls hat das schwebende Verfahren dazu geführt, dass das Verwaltungsgericht Hannover gestern keinen Beschluss zu den beiden Eilanträgen gefasst hat. Die rechtsextremen Anmelder hatten wie auch der DGB als Veranstalter der Gegendemonstration gegen die Auflagen geklagt (unsere Zeitung berichtete). Die Kammer legte die Verfahren zusammen, lud beide Seiten und den Landkreis aus "ökonomischen Gründen" zu einem "sehr ungewöhnlichen" Erörterungstermin ein, wie es Wiebke Israel formuliert, stellvertretende Sprecherin des Verwaltungsgerichtes.
Als unbehaglich empfand DGB-Sekretär Steffen Holz den Gedanken, mit den Neonazis verhandeln zu müssen. Doch deren Vertreter und Anwalt sagten ab. Dennoch konferierten die Richter mit den Beteiligten gut zweieinhalb Stunden über die Situation in Bad Nenndorf, ohne dass ein Beschluss erging. Israel: "Wir warten die Entscheidung des Landkreises ab." Bei einem Verbot wären die Auflagen ohnehin hinfällig, die Eilverfahren erledigt.
Beschäftigt wäre das Verwaltungsgericht aber sicher weiterhin mit Bad Nenndorf. Denn sollten Landrat und Polizei heute das Verbot verkünden, ist davon auszugehen, dass sich die rechtsextremen Kameradschaften erneut juristisch dagegen zur Wehr setzen. Auch der DGB würde vorsorglich einen Eilantrag stellen. "Das müssen wir dann tun", sagt Holz, für den bei einem Verbot "alles noch unkalkulierbarer" würde.
Bildunterschrift: Kleben fleißig Plakate: Helfer aus dem Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" beim Einsatz im Vereinsheim. Dem Trauermarsch und der Gegendemonstration droht jetzt aber ein Verbot.
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 10.08.2010:
Versammlungsverbot für Neonazis in Bad Nenndorf?
10.08.2010 - 07.26 Uhr
Der für Sonnabend geplante Großaufmarsch von Rechtsextremisten in Bad Nenndorf wird möglicherweise verboten. Das ergibt sich aus einem Schreiben des Landkreises Schaumburg, wie der NDR am Dienstag berichtete. Für Mittwoch hat der Landrat überraschend zu einer Pressekonferenz eingeladen. Thema: "Erwägung eines Versammlungsverbotes". Dieses Verbot würde sowohl den Aufmarsch der Rechtsextremisten als auch die Gegendemonstration des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" betreffen.
Vieles spricht dafür, dass tatsächlich ein Verbot beider Veranstaltungen ausgesprochen wird, denn die Ankündigung kommt nicht von ungefähr. Am Dienstagnachmittag hatte es vor dem Verwaltungsgericht Hannover einen Erörterungstermin gegeben. Anlass waren offenkundige Mängel in den Auflagenbescheiden der Behörde für die Rechtsextremisten und für ihre Gegner. Sowohl die Rechtsextremisten als auch der Deutsche Gewerkschaftsbund waren zu dieser Veranstaltung geladen - die Neonazis blieben ihr allerdings fern.
Neonazis und Bad Nenndorfer Bündnis werden wohl klagen
Die Auflagen des Landkreises waren schon im Vorwege umstritten und führen jetzt offenkundig dazu, dass der Kreis sich auf das Mittel des polizeilichen Notstands berufen wird, um beide Veranstaltungen untersagen zu können. Der polizeiliche Notstand darf verkündet werden, wenn nicht genügend Polizeikräfte zur Verfügung stehen, um einen ordnungsgemäßen Ablauf zu gewährleisten. Die Ordnungsbehörden könnten sich auf neue Gefahrprognosen von Polizei und Verfassungsschutz berufen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass sowohl die Rechtsextremisten als auch das Bad Nenndorfer Bündnis dagegen sofort klagen werden. Die Neonazis hatten ihre Demonstration bereits vor Jahren angemeldet.
Seit 2006 regelmäßig braune Aufmärsche
Die Rechtsextremisten veranstalten seit 2006 regelmäßig Gedenkmärsche in Bad Nenndorf - für den 14. August haben sie einen "Trauermarsch" zum Wincklerbad angekündigt. Von 1945 bis 1947 hatte die britische Armee dort ein Verhörzentrum für gefangene Nationalsozialisten eingerichtet. In dem Lager wurden auch Häftlinge misshandelt. Im vergangenen Jahr protestierten rund 1.500 Bürger gegen den Aufmarsch.
___________________________________________________
die tageszeitung, 10.08.2010:
Neonazis / Die Wahrheit des Badehauses
In Bad Nenndorf verhörten die Briten nach Ende des Zweiten Weltkriegs Nationalsozialisten, aber auch Unschuldige. Dabei kam es auch zu Misshandlungen. Nun versucht die rechte Szene, den Ort für sich zu instrumentalisieren. Eine Richtigstellung.
Von Utz Anhalt
Die Initiative "Bad Nenndorf ist bunt statt braun" und mit ihr viele Bad Nenndorfer beziehen Stellung dagegen, dass ihre Stadt ein "brauner Wallfahrtsort" wird. Sie stellen sich den Neonazis entgegen, die auch in diesem August durch das norddeutsche Kurbad marschieren. Die Rechtsextremen begründen ihre Aufmärsche mit der angeblich "verschwiegenen Wahrheit" der "Verbrechen der Alliierten" im Verhörzentrum Wincklerbad von 1945 - 1947.
Einen Aufhänger für deren Propaganda liefert einerseits die bisher ausgebliebene Aufarbeitung der Geschehnisse im Geheimdienstgefängnis. Und die Tatsache, dass das Wachpersonal tatsächlich Häftlinge misshandelte. Nun erscheint im Frühherbst eine kritisch-historische Dokumentation über die Geschehnisse in Bad Nenndorf unter dem Titel "Das verbotene Dorf" im Offizin Verlag.
1945 besetzten britische Soldaten das Badehaus im Zentrum Bad Nenndorfs und bauten es zu einem Gefängnis um. Dieses sollte als "Interrogation centre" für hohe und höchste Nazis dienen, für hochrangige Offiziere des deutschen Heeres und Spitzenkräfte aus der Wirtschaft, die das NS-System mitgetragen hatten.
Entnazifizierung bedeutete in der britischen Besatzungszone dreierlei: die Entlassung aktiver Nazis aus öffentlichen Ämtern, die Bestrafung persönlich Verantwortlicher, insbesondere von Kriegsverbrechern, und die Internierung von potenziell Gefährlichen. Ein Ziel sollte dabei die Umerziehung zu Demokraten sein. Die Internierungshaft war also eine Art Präventivstrafe und wurde verurteilten Nazi-Verbrechern vom gerichtlichen Strafmaß abgezogen. Viele Insassen der Internierungslager entpuppten sich als musterhafte autoritäre Charaktere, die Befehle ausführten, ohne deren Sinn zu hinterfragen, wie sie es in der NS-Zeit bereits getan hatten.
Kein gewöhnliches Lager
Beim Wincklerbad in Bad Nenndorf handelte es sich gerade nicht um ein gewöhnliches Internierungslager, sondern um ein Verhörzentrum des militärischen Geheimdienstes Großbritanniens. Durch die Verhöre wollte man von möglichen Guerillahandlungen der Werwölfe, einer Untergrundorganisation der SS, erfahren und Spione auf die eigene Seite ziehen.
Der vermutlich bedeutendste Gefangene dort war Oswald Ludwig Pohl, der nach Himmler wichtigste Mann der SS, oberster Organisator und Vollstrecker des Holocaust. Am anderen Ende des Spektrums der Inhaftierten standen vollkommen Unschuldige, die als vermeintliche Sowjetspione oder wegen ihrer politischen Einstellung als Linke in das Gefängnis gerieten. Viele der Häftlinge kamen indes aus dem Mittelbau des NS-Systems, waren Kriminalräte der Gestapo oder HJ-Führer, hohe Offiziere, die planten, gegen die Alliierten zu putschen.
1946 und 1947 kamen mit dem zugespitzten Konflikt zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion zunehmend Kommunisten in das Lager. Bad Nenndorf war von der Außenwelt abgeriegelt, den Gefangenen der Briefverkehr und der Kontakt zu Einheimischen untersagt. Das Interesse galt jetzt den Strukturen des sowjetischen Geheimdienstes. Einige dieser Verhörten waren schweren Misshandlungen ausgesetzt. Der Leiter des Zentrums, Robin Stephens, setzte auf Psychoterror und nicht auf körperliche Folter, weil er meinte, dass die physische Tortur zu Falschaussagen führe. Mit diesen Methoden war Stephens äußerst erfolgreich, er deckte Hunderte von Spionagefällen auf, überführte höchste Nazi-Täter und überzeugte Spione, als Doppelagenten zu arbeiten. Bis heute gilt er in britischen Geheimdienstkreisen als vorbildlich. Körperliche Misshandlung lehnte er zwar als Verhörtechnik ab, gab den Wachen dafür aber einen "Freifahrtsschein" im Gefängnisalltag. Belegt sind Schläge, Isolationshaft, Übergießen mit kaltem Wasser bei Minusgraden und das Herausreißen von Zehennägeln.
Tod in der Haft
Bei anderen Leiden der Häftlinge ist unklar, ob es sich um gezielte Torturen, Vernachlässigung oder um ein Ergebnis der Nachkriegsverhältnisse handelte. Mehrere Häftlinge starben an den Folgen der Haft, bei ihnen wurden Unterernährung, Depressionen als Folge der Isolation, schlechte körperliche Verfassung wegen Schlafentzug und Kälte als Todesursache festgestellt. Die Männer hatten bis zu einem Jahr in kalten "bath rooms" mit Steinböden verbracht und ohne Bettzeug geschlafen.
Ein katholischer Geistlicher, der Vikar Magar, hörte im Internierungslager Fallingbostel von den Misshandlungen in Bad Nenndorf und ließ sich von dem Häftling Parbel Einzelheiten schildern. Die schickte er dem Bischof von Hildesheim. Der kam persönlich nach Bad Nenndorf und protokollierte die Geschichten der Gefangenen, die Texte schickte er dem englischen Kardinal Griffy. Dieser informierte die Öffentlichkeit in Großbritannien. Der Labour-Unterhausabgeordnete Richard Stokes befragte daraufhin die Insassen über erlittene Misshandlungen. Inspektor Tom Hayward von Scotland Yard schickte einen Bericht über die Zustände an die britische Militärregierung in Deutschland. Der britische Sozialreformer und Politiker Frank Pakenham sagte, "dass wir Internierte in einer Art behandelt haben, die an die deutschen Konzentrationslager erinnert". Der Außenminister Großbritanniens sah die britische Glaubwürdigkeit beschädigt.
Daraufhin wurde 1947 das Verhörzentrum geschlossen. Vier Offiziere des Verhörzentrums wurden wegen der Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt. Doch nur der Lagerarzt Smith wurde wegen Vernachlässigung von Gefangenen schuldig gesprochen und aus der Armee entlassen. Die anderen Angeklagten erhielten Freisprüche. Der Gefängnisleiter Stephens blieb ein wichtiger Offizier des MI 5, des britischen Geheimdienstes.
Haben die Neonazis also Recht, wenn sie gegen die "Verbrechen der Alliierten gegen die Menschlichkeit" demonstrieren? Das Wachpersonal, die Verhörer und die Gefängnisleitung begingen Verbrechen: Folter, Demütigung, Verstümmelung, Fälle von fahrlässiger Tötung und Verletzungen mit Todesfolge. Diese Vergehen lassen sich aber nur insofern als "Nazi-Methoden" bezeichnen, als die Nazis alle diese Gewalttaten auch begingen. Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord, Entfesselung eines Weltkriegs waren es jedoch keinesfalls, sondern Übergriffe, die leider von diversen Männerbünden weltweit bekannt sind - auch heute noch.
Kritische Öffentlichkeit
Der Unterschied liegt nicht in der Psyche der Täter, sondern darin, ob diese rechtsstaatlich und von einer Zivilgesellschaft kontrolliert werden oder ihre Gewalt systematisch entfesseln können. In Großbritannien handelte es sich gerade nicht um ein faschistisches System, das die Menschenrechte abschaffte, beziehungsweise nur für "Volksgenossen" gelten ließ. Die kritische Öffentlichkeit in Großbritannien, die es im Faschismus per se nicht gibt, sorgte dafür, dass das Gefängnis geschlossen wurde.
Die Misshandlungen im Wincklerbad zeigen zugleich die Grenzen der Zivilgesellschaft und die Ambivalenz formaldemokratischer Staaten gegenüber ihren Geheimdiensten und Militärorganisationen. Der Sieg des Rechtsstaates wäre glaubwürdiger gewesen, wenn die Täter zu angemessenen Strafen verurteilt worden oder von Anfang an bei ihren Taten behindert worden wären.
Bildunterschrift: In Bad Nenndorf will man sich nicht mit der Vereinnahmung als rechtem Wallfahrtsort abfinden.
___________________________________________________
NPD-BLOG.INFO, 09.08.2010:
"Trauermarsch": Winnie Pooh und DGB vor Gericht
09.08.2010 - 22.24 Uhr
In der Literatur ist Winnie Pooh ein freundlicher Bär von überaus rundlicher Gestalt. Seine Entsprechung im wirklichen Leben ist ein Neonazi-Kader und kommt aus dem niedersächsischen Verden an der Aller. Er heißt Matthias Schulz und wird in Szene-Kreisen ebenfalls Winnie Pooh genannt - allerdings gewiss nicht, weil er für ein ähnlich freundliches Gemüt bekannt wäre, wie sein Ater Ego aus der Literatur.
Von Werner Ohsenroth für NPD-BLOG.INFO
Dieser "echte Winnie Poh" erweist sich als äußerst streitlustig - und diese Streitlust könnte er heute vor dem Verwaltungsgericht Hannover ausleben. Die Richter haben ihn nämlich zu einem Erörterungstermin mit seinen Widersachern eingeladen. Diese kommen zu großen Teilen aus Bad Nenndorf.
Dort will Schulz am Sonnabend als Anmelder des so genannten "Trauermarsches" mit bis zu 1.000 braunen Freunden die Geschichte in seinem Sinn verdrehen und auf die angeblichen Verbrechen der Alliierten an Nazi-Schergen hinweisen. Weil man aber Winnie Pooh, seine Freunde und deren "Anliegen" nicht schätzt, werden sich mindestens eben so viele Menschen unter dem Banner von "Bad Nenndorf ist bunt" entgegenstellen.
Und genau da beginnt das Problem: Denn die zuständige Versammlungsbehörde, der Landkreis Schaumburg, hat für beide Seiten strenge Auflagen erlassen - für Winnie Poh und seine braunen Freude aber sind diese Auflagen noch ein klein wenig strenger - und das bringt ab heute die Versammlungsbehörde selbst in juristische Schwierigkeiten.
Denn sie billigte den Neonazi-Gegnern doch Teile einer Aufmarschroute zu, die sie den Neonazis zuvor versagt hatte. Möglicherweise steht das in Widerspruch zur gängigen Rechtsprechung. Die hat für die Streckenauswahl bei Demonstrationen und Gegenveranstaltungen nämlich das so genannte "Müller-Prinzip" ersonnen: Wer zuerst kommt, der mahlt auch zuerst. Grundsätzlich erhält der Erstanmelder bei der Streckenauswahl den Zuschlag.
30 Jahre im Voraus angemeldet
Das wären in diesem Fall die Neonazis - sie hatten ihre "Trauermärsche" für 30 Jahre im Voraus angemeldet. Das sieht man auch beim Verwaltungsgericht in Hannover so. Deshalb hat es beide Seiten zum Erörterungstermin gebeten. Für den DGB-Regionsvorsitzenden Niedersachsen Mitte, Sebastian Wertmüller, ein ebenso belastender wie ungewöhnlicher Termin: "Wir kooperieren gern mit den Versammlungsbehörden - aber wir kooperieren nicht mit Rechtsextremisten und ihren Rechtsvertretern", sagt Wertmüller.
Zwar ist kaum anzunehmenden, dass die (aus Neonazi-Sicht) vorausschauende 30- Jahre-Anmeldung dem Kopfe von Winnie Pooh alias Matthias Schultz entsprungen ist. Doch der könnte heute vor Gericht seinen großen Auftritt haben. Doch auf den verzichtet er - offenbar hat er noch eine Ähnlichkeit mit dem Winnie Pooh aus der Literatur - der Bär gilt als ängstlich. Schultz schickt seinen Anwalt vor - und verzichtet auf die große Bühne.
___________________________________________________
Norddeutscher Rundfunk, 09.08.2010:
Gerichtstermin für Neonazis und Gegendemonstranten
09.08.2010 - 22.05 Uhr
Eine Reportage von Stefan Schölermann, NDR Info
Offenkundige Mängel der behördlichen Auflagen für den so genannten "Trauermarsch" von rund 1.000 Rechtsextremisten am Sonnabend in niedersächsischen Bad Nenndorf führen am Dienstag zu einer ungewöhnlichen Begegnung vor dem Verwaltungsgericht in Hannover. Sowohl Neonazis als auch ihre Gegner, darunter das Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" und der Deutsche Gewerkschaftsbund, wurden zu einem gemeinsamen Erörterungstermin eingeladen. Der Grund sind die Streckenführungen des Neonazi-"Trauermarsches" und der Gegendemonstration.
Im Widerspruch zur geltenden Rechtssprechung?
Der Landkreis Schaumburg als zuständige Versammlungsbehörde hatte den Gegendemonstranten nach Informationen von NDR Info Streckenteile für ihre Demonstration genehmigt, die er zuvor den Rechtsextremisten verweigert hatte. Er setzte sich damit offenkundig in Widerspruch zur geltenden Rechtsprechung. Diese bevorzugt bei der Streckenauswahl grundsätzlich denjenigen, der als erster die Demonstration angemeldet hat. Das wären in diesem Fall die Rechtsextremisten - sie hatten ihre "Trauermärsche" in Bad Nenndorf bereits vor Jahren für die kommenden 30 Jahre im Voraus angemeldet.
"Wir kooperieren aber nicht mit Rechtsextremisten"
Deshalb sollen beide Seiten am Dienstag vor Gericht erscheinen und womöglich miteinander verhandeln. Für den DGB-Regionsvorsitzenden Niedersachsen Mitte, Sebastian Wertmüller, ist das eine ungewöhnliche und belastende Situation: "Wir kooperieren gern mit den Versammlungsbehörden - wir kooperieren aber nicht mit Rechtsextremisten und ihren Rechtsvertretern", sagte Wertmüller, der mitverantwortlich ist für die Demonstration gegen die Neonazis.
Die Sicherheitsbehörden rechnen am Sonnabend in der Kurstadt mit bis zu 1.000 Neonazis aus dem ganzen Bundesgebiet. Die Zahl ihrer Gegner wird deutlich höher eingeschätzt.
Seit 2006 regelmäßig braune Aufmärsche
Die Rechtsextremisten veranstalten seit 2006 regelmäßig Gedenkmärsche in Bad Nenndorf - für den 14. August haben sie einen "Trauermarsch" zum Wincklerbad angekündigt. Von 1945 bis 1947 hatte die britische Armee dort ein Verhörzentrum für gefangene Nationalsozialisten eingerichtet. In dem Lager wurden auch Häftlinge misshandelt. Im vergangenen Jahr protestierten rund 1.500 Bürger gegen den Aufmarsch.
___________________________________________________
Schaumburger Nachrichten Online, 09.08.2010:
Demokraten treffen sich zum Frühstück
09.08.2010 - 19.11 Uhr
Bad Nenndorf (tes). Unter dem Motto "Bad Nenndorf stellt sich quer" ruft das Bündnis "NS-Verherrlichung stoppen" am Sonnabend, 14. August, zu einem gemeinsamen Frühstück aller Demokraten am Bahnhof auf. Ab 8 Uhr morgens treffen sich die Teilnehmer im Bereich der Bahnhofsstraße zu einer friedlichen Sitzblockade. "Alle Bürger sind eingeladen, sich zu beteiligen", betont Bündnissprecher Tim Kröger. "Wir wollen gemeinsam ein Zeichen setzen und an die Zivilcourage appellieren, um die Nazis zu stoppen."
Die Resonanz der Protestler sei im fünften Jahr des Nazi-Aufmarsches größer als je zuvor. Anmeldungen lägen bereits aus ganz Deutschland und den Niederlanden vor, so Kröger im Gespräch mit dieser Zeitung: "Wir rechnen damit, die Bahnhofsstraße bis zum Wincklerbad dieses Jahr zu 75 Prozent mit Menschen zu füllen."
Aus diesem Frühstück könne "!gerne auch ein Mittag- oder Abendessen werden", lassen die Nazi-Gegner keinen Zweifel daran, dass es darum gehe, den Start des Trauermarsches der Neonazis zu verzögern und am besten unmöglich zu machen. Auch der Bundesvorstand der DLRG-Jugend und die "Bad Nenndorf Boys" haben ihre Unterstützung bekundet. Ebenso die Jugendverbände von ver.di und DGB, die Jusos, die Linke und die Grünen, deren Landesverband die Teilnahme beim Landesparteitag beschlossen habe.
"Uns ist wichtig, dass möglichst viele Menschen aus unterschiedlichen politischen Spektren und gerade auch die mit weniger Aktionserfahrungen teilnehmen können", erklärt Kröger. Gerade die Vielfalt an Aktionsformen, die nicht gegeneinander, sondern neben- und miteinander stattfinden, könne dem Aufmarsch wirksam etwas entgegensetzen. So werde die Teilnahme auch für Unerfahrene berechenbar. Ganz wichtig ist dem Bündnissprecher zu betonen: "Wir haben keinerlei Informationen darüber, dass Gewaltbereite anreisen." Damit tritt Kröger entsprechenden Befürchtungen seitens der Polizei entgegen.
Erstmals beteiligen sich auch bei an den Aktionen auch Nazi-Gegner aus dem Ausland. Ganze Busse werden in Bad Nenndorf erwartet. Das Konzept sei klar auf eine praktische Politik der Verhinderung des so genannten Trauermarsches gerichtet. "Blockaden sind nicht per se strafbar", betont Kröger, "wenn überhaupt, ist das eine Ordnungswidrigkeit". Für den Erfolg dieser Form des Widerstands nannte er erfolgreiche Vorbilder: Zum Beispiel, wenn sich wie im ebenfalls lange nazigeplagten Wunsiedel ein CSU-Bürgermeister auf die Straße setzt.
Zuletzt habe am 13. Februar die Massenblockade in Dresden gezeigt, an der er auch beteiligt gewesen sei, dass es möglich ist, "durch gemeinsamen gewaltfreien Protest Neonazi-Aufmärsche zu verhindern". Daher fordert er alle zum Mitmachen auf: "Was in einer Großstadt funktioniert, sollte doch in einem kleinen Ort wie Bad Nenndorf erst recht klappen."
___________________________________________________
Radio Lippe, 09.08.2010:
DGB gegen Rechts
Der Deutsche Gewerkschaftsbund Ostwestfalen Lippe ruft zur Teilnahme an einer Demonstration gegen Neonazis auf. Diese ist am 14. August in Bad Nenndorf geplant.
Dort wollen nach DGB-Informationen Neonazis den 5. Trauermarsch zum Wincklerbad abhalten und das ehemalige britische Verhörzentrum zu einer überregionalen rechtsradikalen Gedenkstätte machen. Unter dem Motto "Bunt statt Braun - Den Nazis entgegentreten" hat sich ein Bürgerbündnis vor Ort formiert. Der DGB will es bei seinen friedlichen Gegendemonstrationen am 13. und 14. August unterstützen.
Mehr Infos dazu finden Sie hier: www.bad-nenndorf-ist-bunt.com
___________________________________________________
Bündnis 90 / Die Grünen - Stadtverband Hannover, 09.08.2010:
Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf verhindern! / Grüne beteiligen sich am gemeinsamen Frühstück auf der Nazi-Strecke
Gemeinsam unterstützen die Grünen des Landesverbandes Niedersachsen und des Stadtverbandes Hannover die Proteste gegen den so genannten Trauermarsch der Nazis in Bad Nenndorf am 14. August: "Nazi-Aufmärsche sind kein Spuk, der sich von allein beendet. Wir müssen Bündnisse schmieden und den Nazis couragiert entgegentreten. Deswegen werden wir uns an den Protesten beteiligen, um diesen Aufmarsch zu verhindern", sagte die Landesvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen, Anja Piel am Freitag (06.08.) in Hannover.
Der Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf hat sich in den letzten Jahren zum mittlerweile größten in Norddeutschland entwickelt. Doch mit der Zahl der teilnehmenden Nazis wachse auch die Anzahl derer, die sich ihnen entgegenstellen, prophezeite Friederike Kämpfe, Sprecherin im grünen Stadtvorstand Hannover. "Die Blockade des Trauermarsches im Februar dieses Jahres in Dresden hat gezeigt, dass friedliche Proteste erfolgreich sind. Diesen Erfolg wollen wir an diesem Wochenende gemeinsam mit AntifaschistInnen aus ganz Niedersachsen in Bad Nenndorf wiederholen. Wir werden die Nazis am Samstag einfach wegfrühstücken!"
Der Stadtverband Hannover hat einen Bus nach Bad Nenndorf zum Frühstück am Samstag organisiert. Tickets für die Fahrt können in der Geschäftsstelle des Stadtverbandes erworben werden: 0511 / 323314. Mit dem Parteitagsbeschluss "Nie wieder! Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf verhindern" haben die niedersächsischen Grünen bereits im April 2010 einstimmig beschlossen, sich an dem Bündnis gegen den Nazi-Aufmarsch zu beteiligen.
___________________________________________________
info@hiergeblieben.de
|