Lippische Landes-Zeitung ,
22.07.2010 :
Lügder setzen ein Zeichen für den Glauben / Das Kreuz auf dem Osterberg wurde vor 75 Jahren als Protest gegen die Nazis errichtet
Von Ulrich Pfaff
Weithin sichtbar thront das Kreuz auf dem Osterberg. Am Sonntag ist es genau 75 Jahre her, seit es errichtet wurde. Eine Aktion, die seinerzeit - im Dritten Reich - nicht ohne Bedeutung war.
Lügde. Schon bald nach der so genannten Machtergreifung 1933 hatten die Nationalsozialisten den Osterräderlauf als germanisches Brauchtum für sich reklamiert und ihn zur "nationalen Lichtfeier" umgestaltet. "Mit krassem Neuheidentum waren Einheimische und Besucher konfrontiert worden, denn die neuen Machthaber ließen früh erkennen, dass ihnen bei der Neugestaltung Deutschlands Kreuz und Christen im Wege waren", beschreibt der Heimat-Historiker Dieter Stumpe die damalige Atmosphäre in der Stadt.
Allerdings hätten schließlich Lügder Bürger beschlossen, ein Zeichen zu setzen - gegen die Nazis und für den Glauben. Der Landwirt Johannes Blome erhielt im Frühjahr 1935 die Genehmigung auf seinem Grundstück auf dem Osterberg ein Kreuz zu errichten - denn die Verwaltung der Stadt Lügde stand auf der Seite der Bevölkerung. Und in einer konzertierten Aktion wurde praktisch über Nacht am 25. Juli 1935 auf dem Osterberg weithin sichtbar das gewaltige, etwa zehn Meter hohe Holzkreuz aufgestellt, "Symbol christlichen Glaubens und Absage an das germanische Neuheidentum", wie Stumpe es formuliert.
Die Gruppe aus der Bürgerschaft hatte so verschwiegen gearbeitet, dass es in der Stadt kaum bekannt geworden war. Stumpe: "Umso größer war dann das Erstaunen der Bürger, auf dem Osterberg dieses Kreuz zu sehen." Im Fundamentsockel wurde eine Urkunde mit den Unterschriften einiger Initiatoren eingemauert.
Natürlich konnten die Machthaber im Lande dieses Kreuz nicht übersehen. Im Aushangkasten am Lügder Rathaus wurden die Bekenner angeprangert - jedoch ohne Erfolg, denn das Kreuz stand auf privatem Grund. Durch den Brief eines übereifrigen Fotografen an den Regierungspräsidenten in Minden wurde die Aktion allerdings im März 1936 auch auf höherer politischer Ebene bekannt - ohne weitere Folgen. Der für Lügde zuständige Landrat, Dr. Reschke in Höxter, hielt in einem Bericht fest, das Kreuz sei mit baupolizeilicher Genehmigung errichtet worden und ein in dieser Gegend durchaus landesübliches Symbol, das weder die Landschaft verunstalte noch den Osterräderlauf störe.
Obwohl die SS 1938 die Regie über den Osterräderlauf übernahm, überstand das Kreuz auf dem Osterberg das Tausendjährige Reich, dessen übertriebenen Germanenkult und die - auch für die Lügder - schwere Nachkriegszeit.
Konspirative Truppe
Es gehörte 1935 auch in Lügde einiges dazu, sich gegen die Machthaber im Dritten Reich zu stellen.
Einige der Bürger, die an der Herstellung und Errichtung des Kreuzes mitgewirkt haben, waren August Rüsenberg, Franz Kleine, Otto Krüger, Josef Tintelott, Johann Deppe (Organist) Fritz Wegener, Franz Vogel (Pfarrer), Otto Große (Vikar), August Henneke (Vikar) Johann Blome (Stellmachermeister) und Johannes Gärtner. Gezimmert wurde das Kreuz im Klostersaal unter der Regie von Stellmacher Blome und Bautischler Gärtner. Weitere Mitstreiter aus der Gruppe beschafften die Bruchsteine für ein Sockelfundament von zwei Metern Höhe und vier Metern Breite, die sie aus dem Steinbruch im Dahlsen herausgebrachen und bearbeiteten.
1958 erwarb der Lügder Dechenverein das Kreuzgrundstück und nahm somit auch das Kreuz in seine Obhut und Pflege. 1970 und 1998 wurde das Kreuz jeweils durch den Dechenverein erneuert.
Bildunterschrift: Hoch über Lügde: Am 25. Juli 1935 errichteten Bürger der Osterräderstadt ein zehn Meter hohes Holzkreuz - um dem Heidentum der Nazis etwas entgegenzusetzen.
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