Lippische Landes-Zeitung ,
10.08.1990 :
Unterbringungszelt an B 239 bleibt stehen / Richter entschieden gegen TuS Ahmsen
Bad Salzullen-Ahmsen (gä). Die Zelte an der B 239 auf jenem Parkplatz, den der TuS Ahmsen bislang den Besuchern seiner Sportveranstaltungen anbieten konnte, sie stehen immer noch und blockieren die sportlichen Pläne des Vereins. Zwar haben rund 500 Ahmser Bürger mit einer zweistündigen Sitzblockade auf der Bundesstraße am Freitagabend (die Polizei musste den Verkehr umleiten) Rat und Verwaltung der Badestadt veranlasst, das Steuer in der Hauptausschusssitzung vom Montagnachmittag herumzureißen und zu beschließen, dass in jenen Zelten keine Sinti und Roma untergebracht werden. Mehr noch: Nirgendwo in der Stadt soll diese Problemgruppe fürderhin Unterschlupf finden. Was aber passiert nun mit den aufgebauten Zellen?
Sozialdezernent Dr. Wolfgang Honsdorf lässt auf Anfrage der LZ keinen Zweifel aufkommen. Ein Zelt, dessen Aufbauarbeiten auf Grund des Bürgerprotestes gegen die geplante Roma-Unterbringung nicht vollendet werden konnte, werde sofort wieder abgebaut. Doch das andere Zelt solle erst einmal stehen bleiben.
Wozu? Die Verwaltung habe zur Zeit keinen konkreten Verwendungszweck im Auge, versichert Salzuflens Sozialchef. Doch wolle man sich diese Unterbringungsmöglichkeit erst einmal oftenhalten, "falls in Bad Salzuflen plötzlich weitere Personen untergebracht werden müssen".
Option offen halten
Roms oder Sinti? Nein", bekräftigt Honsdorf am Telefon, das komme auf Grund parlamentarischer Beschlußlage überhaupt nicht in Frage. "Fest steht, dass auf Grund des zu erwartenden Bürgerprotestes neue Roma an keinem Standort der Stadt mehr unterzubringen sind."
Ein klares Wort. Dr. Honsdorf verrät noch mehr: Das übrigbleibende Zelt sei für einen Monat gemietet von der ZVG (Zentrale Vermietungs-Gesellschaft, Bad Salzuflen), doch der geschlossene Vertrag lasse jederzeit eine Verkürzung oder Verlängerung des Mietverhältnisses zu.
Belämmert steht der Sportverein TuS Ahmsen da. Das Mindener Verwaltungsgericht befand auf dessen Antrag einer einstweiligen Anordnung gegen den von der Stadt betriebenen Zeltaufbau ("Nacht-und-Nebel-Aktion" am vorigen Donnerstag), dass öffentliche Rechte des TuS Ahmsen nicht betroffen seien. Und ein Richter-Trio vom Detmolder Landgericht entschied am Mittwoch: Auch schätzenswerte private Interessen seien durch die Zelte auf dem Parkplatz nicht verletzt.
Das sehen Kay und Ingo Delius vom Rechtsanwaltsbüro "Delius und Partner" (das Büro vertritt die Sache des Vereins) freilich ganz anders. Der Verein übe seit 16 Jahren eine "tatsächliche Sachherrschaft" (juristischer Fachausdruck) über das Gelände aus und sei damit als Besitzer im Sinne des Gesetzes ausgewiesen. Dies zeige sich unter anderem in der Wartung der Schotter-Grundierung des Parkplatzes, die der Verein in Eigenarbeit (die Stadt stellte das Material) geleistet habe. Den Parkplatz habe der Verein aus eigenen Kräften zur Straße hin abgezäunt.
Eigentümer der Parzelle ist allerdings der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, der für die "Zelt-Maßnahme" der Stadt grünes Licht gegeben haben soll. Vor etwa 16 Jahren hat der Landschaftsverband die Sport-Parkplatz-Parzelle erworben, um sich die Option auf einen Ausbau der Autobahnauffahrt an der B 239 offenzuhalten. Zwar sind diese Pläne nicht akut, doch die vom Sportverein als Parkplatz genutzte Fläche steht damit zur Disposition. Schlimmer noch: Der Verein hat keinerlei Vertrag in Händen, mit dem er seine Nutzungsrechte an Sportplatz und Parkplatz dokumentieren könnte.
Das ist schließlich alles mal vor 16 Jahren abgemacht worden und hat sich irgendwie entwickelt. Im Zweifel zählen "Gewohnheitsrechte" vor dem Kadi aber wenig. Denn man muss schon irgendwie nachweisen können, auf was man sich geeinigt hat.
Nach den Recherchen von Kay Delius befindet sich der TuS Ahmsen nicht allein in der Bredouille. Viele Vereine hätten keinerlei Verträge in der Hand und seien so auf Gedeih und Verderb auf den "Goodwill" der Stadt angewiesen. "Die Vereine bewegen sich ohne jeden Schutz im rechtsfreien Raum", meint er, wenn es denn zum Konflikt mit der Stadt komme. So rät er zur schriftlichen Fixierung getroffener Nutzungsvereinbarungen. "Nur vertragliche Ansprüche sind wirklich starke Ansprüche", pflichtet sein Bruder Ingo Delius im Gespräch mit der LZ bei.
Was wird nun mit dem TuS Ahmsen? Die Gebrüder Delius halten die Entscheidung des Detmolder Richter-Trios für falsch. Sie sehen schützenswerte Interessen des Sportvereins sehr wohl verletzt: Ohne Parkplatz vor dem Sportplatz und mit der Zuschauerkulisse gefüllter Asylanten-Zelte (mehr noch: Warum sollten die "Gäste" die Spielfläche nicht in ihren Lebensraum eineziehen?) könne der Verein einpacken. Sie wollen das Urteil, das ihnen nächste Woche zugeht, genau prüfen und eventuell in eine "Hauptverhandlung" einsteigen.
Salzufen@lz-online.de
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