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Blick nach Rechts , 12.04.2010 :

Festung Grevesmühlen

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Quelle: www.bnr.de/content/festung-grevesmuehlen

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( ... ) Viele der NPD-Gäste die in den folgenden beiden Tagen auftauchen, waren bis zum Verbot im Umfeld der "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) aktiv, unter anderem Frank Klawitter, Gerd Ulrich, Alf Börm oder Ragnar Dam. ( ... ) Routiniert wirken die ehemaligen HDJ-Aktivisten, die wie Ulrich und Klawitter draußen immer mal wieder nach dem Rechten schauen. ( ... )

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In ihrem neuen Zentrum feiert sich die NPD an dem einen Tag als engagierte "Bürgerpartei" - am nächsten Tag wird das Gelände verbarrikadiert, der "Bundesordnungsdienst" tagt konspirativ.

Das neue NPD-Bürgerbüro gleicht einer Festung. "Wir sind für Sie da" prangt an einem hohen Wachturm, auf dem zwei Jungen in dunkler Kleidung Ausschau halten. Die Fenster des ehemaligen Gebäudes eines Betonwerkes im Grünen Weg in Grevesmühlen sind vergittert, ein hoher Holzzaun umgibt das gesamt Gelände. An den beiden Eingangstoren hängen dicke Ketten. Am First eines Hauses ist eine riesige rotgestrichene Lebensrune angebracht. Auch über der Eingangstür an der Seite leuchtet eine rote Lebensrune. Daneben steht: "Thing Haus" und auf plattdeutsch: "Lever dood as Slaav!" (Lieber tot als Sklave). Ganz oben, am Giebel verkündet ein Großtransparent: "Todesstrafe für Kinderschänder".

Über 30 Autos parken am 10. April vor dem Grundstück, darunter viele Kleinbusse und einige ausgemusterte Bundeswehrfahrzeuge. Die Gäste der NPD an diesem Samstagnachmittag stammen vor allem aus der Region, aber auch aus Hamburg und Niedersachsen. Die Partei will in der Kleinstadt selbstbewusst Präsenz zeigen, hier hat sie bereits zahlreiche Anhänger. Bei der letzten Kommunalwahl 2009 hatte die NPD in Grevesmühlen ihr bestes Ergebnis mit 4,6 Prozent in ganz Nordwestmecklenburg erzielt.

"Ein Dorf in Angst?"

Im vergangenen Jahr konnte der mehrfach verurteilte Sven Krüger aus Jamel für die NPD in den Kreistag einziehen. Kurz Zeit zuvor hatte der glatzköpfige, bullige Abrissunternehmer einen Teil des Betonwerkes erworben und mit den Umbauarbeiten begonnen. In seiner Firma arbeiten Kameraden.

Krüger sorgt seit Anfang der 90er Jahre für Schlagzeilen. Gegen den 37-Jährigen hatte die Polizei nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" bereits bis 2003 in 44 Fällen Ermittlungen eingeleitet. Krüger wurde mehrfach verurteilt. Schon 1992 feierten rund 120 Neonazis in dem Zehn-Häuser-Dorf zwischen Wismar und Grevesmühlen Hitlers Geburtstag. Vier Jahre später wurde Krüger wegen des Überfalls auf eine Jugendgruppe auf einem Campingplatz am Plauer See zu Gefängnis verurteilt. In den folgenden Jahren berichteten die Medien immer wieder über Vorfälle und Einschüchterungen gegen Nachbarn in Jamel. 2007 titelte "Der Spiegel": "Ein Dorf in Angst?".

"Die Jungs fürs Grobe"

Auch von illegalen Wehrsportübungen im nahen Wald war die Rede. Dem Freundes- und Familienkreis um Krüger sollen inzwischen zwei Drittel des Dorfes gehören. Auf einem Container vor Krügers Wohnhaus prangt sein Firmenlogo ebenso wie am neuen NPD-Fort in Grevesmühlen: "Abriss Krüger" steht dort und: "Die Jungs fürs Grobe". In der Mitte eines Zahnrades zerschlägt ein Mann mit einem Hammer etwas, dass einem Davidstern gleicht.

Seit dem Einzug der NPD in den Schweriner Landtag tauchte der umtriebige Skinhead im blauen Schlachterhemd immer häufiger im Gefolge von Udo Pastörs auf. Auch von gemeinsamen Geschäften mit NPD-Kameraden im Baubereich war die Rede. Krüger machte sich für die NPD stark, plakatierte oder sponserte Shirts für ein "Nationales Fußballtunier".

Bis zum Verbot im HDJ-Umfeld aktiv

Das Betonwerk liegt im Gewerbegebiet von Grevesmühlen. Immer wieder rauschen Lastwagen am neuen Neonazi-Zentrum vorbei. An diesem Wochenende sind gleich zwei Veranstaltungen der NPD dort geplant, die auch den Doppelcharakter der Partei enttarnen: Einen Tag lang feiern sich Anhänger wie Peter Marx, Michael Grewe, David Petereit oder Andreas Theißen mit ihrem Gefolge als die präsente und engagierte "Bürgerpartei" – am nächsten Tag wird das Gelände verbarrikadiert, die Fahrzeuge unsichtbar im Innenhof abgestellt, weil jetzt der "Bundesordnungsdienst" hier konspirativ eine Schulung abhält.

Viele der NPD-Gäste die in den folgenden beiden Tagen auftauchen, waren bis zum Verbot im Umfeld der "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) aktiv, unter anderem Frank Klawitter, Gerd Ulrich, Alf Börm oder Ragnar Dam. Andere stammen aus dem Umfeld der Freien Kräfte in Nordwestmecklenburg. Auch einige Anhänger aus Parchim, Ueckermünde, Wismar, Schwerin, und vor allem Ludwigslust sind gekommen. Der NPD-Landesvorsitzende Stefan Köster im braunen Jackett steht mit einem Bier unter der blutroten Rune. Junge Frauen in langen Röcken, manche mit Kleinkindern, reisen an. Es herrscht ausgelassene Stimmung.

"Qualität der Ordner insgesamt verbessern"

Am nächsten Tag dann ändert sich der Charakter der NPD-Veranstaltung völlig. Die meisten Gäste sind abgereist. Ein eingeschworener Kreis ist versammelt. Jetzt hat NPD-Ordnerchef Manfred Börm hier das Sagen. "Aufgrund der großen Nachfrage, auch von Freien Kräften" hat der Lüneburger zum mehrtägigen, geheimen Ausbildungstreffen "Grundlehrgang I" für den Bereich "Nord/Ost" geladen. Börm liegt es demnach "am Herzen, die Qualität der 0rdner insgesamt zu verbessern, was dann allen Gruppen zugute" komme, heißt es intern. Auf dem Programm stehen: "Melde- und Fernmeldewesen; Versammlungsrecht in Theorie und Praxis; Verhalten der Ordner bei Demos"; sowie: "Formale und sportliche Einheiten".

Einige der Anwesenden haben sich leuchtend blaue Arbeitsoveralls angezogen, wohl um sich für Gruppenübungen zu kennzeichnen. Gepaukt wird von morgens bis abends, bei strahlendem Sonnenschein hinter vergitterten Fenstern im Erdgeschoss. Routiniert wirken die ehemaligen HDJ-Aktivisten, die wie Ulrich und Klawitter draußen immer mal wieder nach dem Rechten schauen. Eine Clique der jüngeren, ehemaligen Anführer studiert inzwischen in Wismar oder Rostock. Ungeübter dagegen wirken die Neuen.

Den Anwohnern in Grevesmühlen ist das Treiben im Betonwerk keinesfalls entgangen. Am Vortag haben sogar einige auf Fahrrädern vorbeigeschaut. Manche Grevesmühlener, die im Gewerbegebiet arbeiten, scheinen sich schnell einig: "Wir wollen keinen Ärger mit den Jungs".

Andrea Röpke / Otto Belina


nandlinger@bnr.de

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