Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische ,
25.03.2010 :
Vom Schicksal der Kriegstoten / Otto-Hahn-Schüler suchen Informationen zu Gräbern auf dem Ewigen Frieden
Text und Foto von Frank-Michael Kiel-Steinkamp
Herford. Vier Felder mit Gräbern von Kriegsopfern, die in Herford im Zweiten Weltkrieg zu Tode gekommen oder hier nur begraben sind, gibt es auf dem Friedhof "Ewiger Frieden". Tobias Dockweiler und Fabian Krüger aus einer 10. Klasse der Otto-Hahn-Realschule haben für ein Referat zur NS-Zeit das Schicksal dieser Toten als Thema gewählt. Zu einigen Opfern ließen sich mit Hilfe des Kommunalarchivs Informationen bekommen oder sogar Hinterbliebene finden und befragen.
Geschichtslehrerin Andrea Sundermeier möchte mit den nächsten zehnten Klassen am Thema bleiben: "Wir planen eine kleine Broschüre." Sie sucht in Zusammenarbeit mit Udo Rolfsmeier vom Volksbund Kriegsgräberfürsorge weitere Angehörige, die zeigen können, dass hinter den schlichten Namen und Daten auf den Steinkreuzen Menschen mit einem Schicksal stehen.
"Wir haben uns zum Thema Krieg und NS-Zeit auch in der eigenen Familie umgehört", berichten Tobias und Fabian. Zu drei Kreuzen für fünf Tote konnten die Schüler Gespräche mit Hinterbliebenen führen.
Obergefreiter Helmut Pilgrim wurde am 14. September 1907 geboren und starb am 11. Juli 1943. Von der Front in Russland schrieb er Briefe nach Hause, erinnert sich seine Tochter. Über Schlachten und Orte habe darin nichts gestanden. Er wurde 1943 angeschossen, lag längere Zeit verletzt auf dem Schlachtfeld. Als er gerettet werden konnte, waren die Füße erfroren und mussten im Lazarett im heute tschechischen Schönberg amputiert werden. Seine Ehefrau besuchte ihn drei Mal, einmal mit den beiden sieben und acht Jahre alten Kindern. Die Tochter hat schreckliche Erinnerungen an das Lazarett mit seinen schlecht versorgten, an verschiedenen Gliedmaßen amputierten Soldaten.
Die Ehefrau war bei Helmut Pilgrim, als er 35-jährig starb. Sie ließ ihn auf eigene Kosten nach Herford überführen, denn Kriegstote wurden eigentlich an Ort und Stelle begraben. Zur Beerdigung in Herford wurde ein Salutschuss abgegeben.
Emil Bileck starb am 28. November 1943 im Alter von 26 Jahren auf Grund der Verbohrtheit eines Vorgesetzten. Der Angestellte von Getreide-Schmidt an der Nordstraße wurde im Herbst 1943 eingezogen zur Ausbildung nach Aachen. Er fühlte sich krank, doch sein Vorgesetzter hielt das für Drückebergerei. Er musste in der Kälte exerzieren. Als die Krankheit unübersehbar wurde, kam er ins Lazarett. Zu spät. Er starb an einer Diphtheritis mit Herzmuskelerkrankung. Am 4. Dezember wurde er in Uniform auf dem Ewigen Frieden beerdigt. Seinen im Oktober geborenen Sohn hatte er nur einmal kurz nach der Geburt gesehen.
Eugen und Martha Hesse starben mit ihrem kleinen Sohn Ingo durch eine Fliegerbombe in der Innenstadt. Martha Hesse und ihr Sohn waren aus dem gefährdeteren Ruhrgebiet in die heutige Schillerstraße in Herford gezogen. Der 40-jährige Ehemann Eugen kam 1943 von der russischen Front auf Urlaub. Als in der Nacht vom 8. auf 9. November neun englische Bomben fielen, wollten die Hesses in den Luftschutzkeller der Schule am Wilhelmsplatz fliehen. Als sie aus dem Haus traten, traf die Bombe das Nachbarhaus. Der Anblick der Abwurfstelle soll fürchterlich gewesen sein, fanden Tobias und Fabian heraus.
Andrea Sundermeier ist zu erreichen unter der Telefonnummer (05221) 65369 oder unter Möhlmann (05221) 61284.
Volksbund Kriegsgräberfürsorge
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der die Bemühungen der Schüler unterstützt, ist eine humanitäre Organisation. Er widmet sich im Auftrag der Bundesregierung der Aufgabe, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen.
Der Volksbund betreut Angehörige in Fragen der Kriegsgräberfürsorge, er berät öffentliche und private Stellen und unterstützt die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kriegsgräberfürsorge.
Eine der wichtigsten Aufgaben ist heute die Förderung der Begegnung junger Menschen an den Ruhestätten der Toten. Der Volksbund vermittelt Fahrten zu den Kriegsgräbern und veranstaltet nationale und internationale Jugendlager zur Pflege der Gräber.
Bildunterschrift: Erschütternd: Tobias Dockweiler (15) und Fabian Krüger (16) am Grab der Familie Hesse, die bei einem Bombenangriff 1944 starb. Dahinter Lehrerin Andrea Sundermeier und Udo Rolfsmeier vom Volksbund.
lok-red.herford@neue.westfaelische.de
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