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Lippische Landes-Zeitung , 02.07.1983 :

Raketenfetischismus

Zum Brief des Herrn Kreter vom 11.06.1983:

Der Brief von Herrn Kreter zeigt uns wieder einmal, dass es in unserem Land immer noch eine große Anzahl von Bürgern gibt, die seit 1945 nichts dazugelernt haben. Nachdem die Sowjetunion bereits 1941, trotz eines Nichtangriffspaktes zwischen Hitler und Stalin, angegriffen und an den Rand einer Niederlage gebracht wurde, wird man wohl kaum erwarten können, dass die imperialistische Sowjetunion sich als Friedensbewegung darstellt. Der Friedensbewegung zu raten, auch in Moskau für den Frieden zu demonstrieren, kann man nur als Zynismus bewerten. Objektiv wäre dies auch eher eine Aufgabe der Staaten, die dem Warschauer Pakt angehören, gemäß der Lehre, dass jeder zuerst vor seiner eigenen Haustüre kehren solle. In dieser Situation ist es doch wohl eine erstrangige Pflicht der Friedensbewegung in der Bundesrepublik, gegen die Raketen, die auf unserem Boden von den USA aufgestellt werden sollen, zu demonstrieren.

Herr K. führt weiter an, Afghanistan sei ein Musterbeispiel dafür, dass es der Sowjetunion um die Eroberung der freien Welt geht. Ich glaube kaum, dass es in der Friedensbewegung Tendenzen gibt, die den Einmarsch und die Kriegsführung der Sowjets in Afghanistan nicht mit der gleichen Einstellung ablehnen, wie das Bestreben der USA, in Mittel- und Südamerika zu einer Machtstellung zu gelangen. Die imperialistischen Großmächte USA und Sowjetunion wollen beide die größtmögliche Macht auf der Welt erreichen. Ihre große Sorge, Herr Kreter, besteht anscheinend darin, dass die Bundesrepublik von der Sowjetunion unterjocht werden könnte. Dass die USA in Mittel- und Südamerika seit Jahrzehnten Militärdiktaturen mit Geld, Waffen und Militärberatern unterstützt, damit diese die Bevölkerungen bis aufs Blut aussaugen können, scheint Ihre Besorgnis nicht zu erregen. Sie scheinen auch zu den typischen Bürgern zu gehören, die ohne ein Quantum von Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften nicht leben können. Ihr Ausspruch, dass diejenigen, die diese Gesetze und Vorschriften nicht befolgen wollen, die staatliche Gewalt zu spüren bekommen müssen, lässt einen jungen Menschen, der den Nationalsozialismus nur aus Geschichtsbüchern kennt, erahnen, wie es möglich war, dass Hitler in Deutschland die Macht erlangen konnte. Wozu es in unserem Land geführt hat, eine ganze Generation zur Kritiklosigkeit zu erziehen, ist von 1933 bis 1945 eindrucksvoll vorgeführt worden. Ich möchte zum Schluss Bertrand Russel zitieren: "Handeln wird zu einem dringenden Gebot, Fügsamkeit bedeutet den Tod. Nur Protest gewährt die Lebenshoddnung!"

Reinhard Lander
Bielefelder Straße 44
Lage

02./03.07.1983
Detmold@lz-online.de

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