Deister-Leine-Zeitung ,
29.01.2010 :
Jüdische Friedhöfe sind wichtige Geschichtsquellen
Barsinghausen (sfr). Zum Gedenken am 27. Januar, dem Tag, an dem 1945 das KZ Auschwitz befreit wurde, gehört für die Siegfried-Lehmann-Stiftung neben der Kranzniederlegung auch eine Veranstaltung über aktuelle Vorhaben der Stiftung und über jüdische Kultur und die Zeit des Nationalsozialismus. Rund 40 Gäste hörten am Mittwochabend einen Vortrag von Dr. Peter Schulze, Stadtarchiv Hannover, über die Geschichte und Bedeutung jüdischer Friedhöfe und Grabstätten.
Schulze ging auf Beispiele unter anderem aus Hannover, Schöningen und Osnabrück ein. Die jüdischen Friedhöfe auf Barsinghäuser Stadtgebiet sollen zu einem späteren Zeitpunkt gesondert betrachtet werden. Schulze bot eine Exkursion nach Groß Munzel, zum alten Friedhof am Waldrand in Verlängerung der Deisterstraße und zum neuen Friedhof an - eine Idee, die auf großes Interesse im Publikum stieß.
"Die jüdischen Friedhöfe sind eine der wichtigsten Quellen, die wir haben. Sie sind Zeugnisse einer zerstörten Kultur. Auf manchen Grabsteinen sind ganze Familienfolgen beschrieben, sie geben Auskunft über Leben und Sterben der Menschen. Und sie dokumentieren, wie sich jüdische Gemeinden in der Gesellschaft gewandelt haben", erklärte er und zeigte Bilder von Grabstätten. Anfänglich sei ein schlichter Grabstein in Stelenform üblich gewesen. Später, angelehnt an die christlich-bürgerliche Gesellschaft, wurden die Formen vielfältiger, wurde auch Reichtum gezeigt und die üblichen hebräischen Inschriften durch deutsche Texte ergänzt oder ganz verdrängt. Den Gräbern gemeinsam blieb die ewige Totenruhe.
"Jüdische Grabstätten sind auf ewige Dauer angelegt. Wichtig ist auch die würdige Bestattung. Es gab zum Beispiel eigene Vereine, die soziale Aufgaben wahrnahmen, sich aber auch um Hinterbliebene kümmerten und die Beerdigung begleiteten", so Schulze. Auch in Barsinghausen gründete sich 1890 ein "Wohlfahrtsverein", vermutlich auch, um Aufgaben im Bereich des Bestattungswesens zu übernehmen.
Schulze ging auch auf ein Steinfragment ein, das auf dem Gelände des alten Friedhofs gefunden wurde und im Stadtarchiv lagert. Es soll, so die Planung der Siegfried-Lehmann-Stiftung, mit anderen Fragmenten in das zukünftige Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus integriert werden. "Eindeutig ist, dass es sich um das Begräbnis einer Frau handelt, weil von 'sie wurde begraben' gesprochen wird. Sie wurde zu Beginn eines Monats beerdigt, welcher Monat ist nicht erkennbar. Und auch das Jahr bleibt vage. Aus den Ziffern 400, 100, 2, 8 und dem entsprechenden jüdischen Kalenderjahr kann auf das Jahr 1767/68 geschlossen werden. Nur, zu dieser Zeit war es noch völlig unüblich, dass auch deutsche Inschriften verwendet wurden; sie waren damals ausschließlich hebräisch", fasste er seine Erkenntnisse zusammen. Mehr Deutung lasse die zerbrochene Inschrift nicht zu.
Drei jüdische Friedhöfe gibt es im Bereich der Stadt Barsinghausen. Über die Fläche in der Feldmarkt zwischen Ostermunzel und Groß Munzel hat Friedel Homeyer 1984 in "Gestern und heute - Juden im Landkreis Hannover" geschrieben. Dort gibt es 24 Grabstätten, die in der Zeit von 1841 bis 1931 auf einer Fläche von 464 Quadratmetern angelegt wurden. Die dortige Jüdische Gemeinde wurde 1939 aufgelöst; 1944 verkaufte das Deutsche Reich die Fläche des Friedhofs an die politische Gemeinde Groß Munzel; in den 1950er Jahren wurde er restituiert und an die jüdische Treuhand übertragen, erklärte Schulze in seinem Referat. Heute gehört die Fläche dem Landesverband der Jüdischen Gemeinde Niedersachsen, so wie mehr als 230 Friedhöfe.
1910 fand die letzte Bestattung auf dem alten Friedhof am Waldrand in der Verlängerung der Deisterstraße statt. Er wurde noch vor 1938 von örtlichen SS und SA-Mitglieder geschändet. Eine Bebauung auf dem Gelände wurde erst im November 1945 durch eine Verordnung des Landrates gestoppt. Ab 1912 bis 1944 war der Neue Friedhof an der Hannoverschen Straße die neue Begräbnisstätte der Jüdischen Gemeinde. Dass dieser Friedhof nicht eingeebnet wurde, sei eher einem Zufall zu verdanken. Es sollte verpachtet werden, aber aus personellen Gründen wurde dieser Verwaltungsakt nicht umgesetzt, wie der Kuratoriumsvorsitzende Klaus D. Richter erklärte.
Bildunterschrift: Der Vorsitzende des Kuratoriums der Siegfried-Lehmann-Stiftung, Klaus D. Richter (rechts), dankt Dr. Peter Schulze für den fundierten Vortrag über die jüdischen Friedhöfe und Grabstätten.
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