www.hiergeblieben.de

Neue Westfälische , 05.07.2004 :

Deutsche Sprache ist der "Schlüssel" für Integration / Podiumsdiskussion im Audienzsaal zum Fest-Auftakt / Menschen aus 142 Nationen leben in Paderborn

Paderborn-Schloß Neuhaus (au). Jeder fünfte der insgesamt 140.000 Einwohner Paderborns hat einen Migrationshintergrund. Wie stehts um deren Integration? Überzeugt Paderborn in diesem wichtigen Bereich? Darum gings gestern zum Auftakt des 7. Internationalen Festes der Begegnung im Audienzsaal bei einer Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Stadt, Wirtschaft, Schule und Ausländerbeirat. Eine einhellige Meinung gabs nicht – aber eine rege Diskussion und die Zuversicht, dass es "in kleinen Schritte" vorangeht.

"Paderborn überzeugt", unterstrich der städtische Beigeordnete Wolfgang Walter vor interessierten Teilnehmern – darunter sehr viele Mitbürger mit Migrationshintergrund und eine Handvoll Ratsvertreter. "In dieser Stadt leben Menschen aus 142 Nationen. Das ist schon beachtlich, wenn man sich den sozialen Frieden anschaut", sagte Walter. "Die Integration am Arbeitsplatz in den Betrieben funktioniert richtig gut", betonte Thomas Herold, Leiter der IHK-Zweigstelle Paderborn-Höxter.

"Ausländer sind in ganz NRW doppelt so stark wie Deutsche von Arbeitslosigkeit betroffen", skizzierte Rüdiger Matisz, stellvertretender Leiter der Agentur für Arbeit, die Situation am Arbeitsmarkt. Der Grund: "Vier von fünf arbeitlosen Ausländern haben keine Berufsausbildung".

"Ohne Sprachkenntnisse gibt es keine Integration", konstatiert Gerlinde Otte, stellvertretende Schulleiterin des Bonifatius-Förderzentrums, wo Schüler aus 42 Nationen unterrichtet werden: "Ohne Abschluss finden die Schüler keinen Ausbildungsplatz", zeigte die Schulleiterin auf, wie sich ein Teufelskreis schließt. "Fast 50 Prozent der Jugendlichen aus Zuwandererfamilien kommen nicht über die Lesekompetenz 1 hinaus, können dem Unterricht nicht folgen", zitierte Matisz Ergebnisse einer Studie aus 2003. "Kernproblem ist, dass die Kinder ihre Heimatsprache nicht vollständig gelernt haben. Dann erlernt man auch keine andere Sprache richtig", weiß Engin Sakal, Vorsitzender des Ausländerbeirats.

An den städtischen Gymnasien beträgt der Anteil der Migranten an den Abiturienten nur fünf Prozent, räumt Walter ein, als Ratsfrau Sigrid Beer (Grüne) aus dem Forum einwirft, dass die Paderborner Landschaft "ein bisschen rosarot" dargestellt werde. "Sprache ist der Schlüssel", betont auch Walter mit Blick auf 56 schulbezogene Maßnahmen für Migrationskinder, darunter Mutter-Kind-Kurse: "Aber jeder muss selbst seinen Teil dazu beitragen". Es gehe nicht nur darum, wie groß das Angebot sei, sondern vor allem, wie sehr es genutzt werde. "Wir bekommen wir Eltern dazu, ihre Kinder auf dem Schulweg zu begleiten?", schneidet der Beigeordnete ein Problem an, das auch Engin Sakal kennt: "Je stärker das Engagement der Eltern, je erfolgreicher sind die Kinder. Doch viele Eltern sprechen kein Deutsch", begründet Sakal das Fernbleiben von Migranten bei Schulveranstaltungen: "Oft sind sich Eltern der Bedeutung einer Begleitung ihrer Kinder nicht bewusst." Und die Integrationsbereitschaft sei für "manche Kulturen leichter als für andere", hat Otte festgestellt.

"Die Schwellenangst der Eltern muss abgebaut werden", forderte eine Frau türkischer Herkunft aus dem Publikum. "Die Akzente in der Ausbildung für Erzieher und Lehrer müssten neu definiert werden", regte Günter Bitterberg an, damit die Fachkräfte auf Eltern zugehen könnten. Mehr Migranten als Fachpersonal in Tagesstätten und Schulen sowie flächendeckende Deutschkurse für Eltern, lauten andere Vorschläge. Doch nicht nur Migranten sind gefordert, stellte eine junge Frau klar: "Deutsche Eltern müssen offen sein für andere Kulturen und ihren Kindern das vorleben".

"Kultur ist gegenseitiges Lernen und wechselseitiges Miteinander. Man muss im Gespräch bleiben, auch wenn es mühsam ist", appellierte Gerlinde Otte. "Wichtig", so Thomas Herold, sei nicht das Anpassen einer Kultur an das Ein oder Andere, sondern der "wechselseitige Respekt vor dem Anderen". Das wünschte sich auch eine Muslimin: "Ich möchte meinen anderen Kulturkreis nicht vergessen, ich möchte beides verbinden." So gesehen überzeuge sie Paderborn "noch nicht ganz".


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

zurück