Mindener Tageblatt ,
05.12.2009 :
Schüler erkämpfen sich Rederecht / Ministerin Sommer stellt sich Protesten am Bessel / Schulleitung sperrt Demonstranten aus
Von Nina Könemann
Minden (mt). Gefesselt und geknebelt erschienen gestern Morgen rund 400 Schüler des Besselgymnasiums an ihrer Schule. Ihre Verkleidung war Teil einer Protestaktion, mit der sie NRW-Schulministerin Barbara Sommer auf die Missstände in der Bildungspolitik aufmerksam machen wollten.
Ursprünglich war die Ministerin nach Minden gekommen, um zur Unterzeichnung des neuen Partnerschaftsvertrages zwischen dem Besselgymnasium und der französischen Schule Lycée Bart Jean zu gratulieren. Alle Schüler, bis auf die Jahrgangsstufen elf und zwölf, waren von der Schulleitung vorher nach Hause geschickt worden. Rund 400 Jugendliche widersetzten sich dem jedoch und versammelten sich vor der Schule, um ihren Unmut über das Abi nach zwölf Jahren zu bekunden.
"Eigentlich wollten wir die Aula nur leise und ruhig umstellen", sagte Schülersprecher Finn Schmidt (19). Die Veranstaltung sollte dabei nicht behindert werden. "Wir wollten ein Zeichen setzen, nicht den Festakt stören."
Zu der Aktion kam es aber nicht. Schulleiterin Eva Kutschera ließ die Schultüren von innen verriegeln und sperrte die Demonstranten damit aus. Lehrer bewachten die Zugänge. "Ich wurde vorher nicht informiert. Es gab nur das Gerücht einer Demonstration, an der auch Schüler von anderen Schulen teilnehmen wollten", sagte Kutschera später. Sie habe daher von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht. "Wir wussten ja nicht, was auf uns zukommt."
Nach der Vertragsunterzeichnung war es dann Barbara Sommer selbst, die den Kontakt zu den Protestierenden suchte. Sie bat alle Demonstranten in die Aula und stellte sich Finn Schmidt, der im Namen der Schülerschaft das Wort ergriff. "Politik sollte sich nach dem Volk richten und das Volk sind auch wir", sagte er. "Ich kenne keinen Schüler, der nach zwölf Jahren Abitur machen will."
Sommer verteidigte sich damit, dass NRW ohnehin schon zu den Nachzüglern dieser Regelung gehöre. "Wir sind fast das letzte Bundesland, das die verkürzte Schulzeit einführt", sagte sie. Den Argumenten, dass die Freizeit zu kurz käme und Kinder überfordert würden, stellte sie den Maßnahmenkatalog zum Schutz der Schüler entgegen und machte deutlich: "Ich finde es richtig und wichtig, dass ihr angehört werdet." Sie forderte die Schüler auf, Verbesserungsvorschläge in einem Brief an sie zu verfassen. "Ich werde definitiv antworten."
Bei den Demonstranten blieb trotzdem vor allem Enttäuschung zurück. "Es ist nicht so rübergekommen, wie es sollte", sagte Jan (18). Er war überzeugt, dass der geplante, stille Protest mehr Wirkung gezeigt hätte. Außerdem waren die Schüler entzürnt über das Verhalten der Schulleitung. "Aussperren entspricht auch nicht meinem Verständnis von Demokratie", sagte Finn Schmidt.
Die Schulleiterin setze dagegen: "Einen stillen Protest hätte ich zugelassen, wenn man mich informiert hätte." Konsequenzen gäbe es für die Schüler aber nicht. Außerdem will Eva Kutschera besser kontrollieren, dass die Hausaufgabenlast der Schüler nicht zu viel werde.
Neben den Demonstranten stieß der Besuch der Ministerin auch anderen sauer auf. Eine anonyme Anruferin beklagte sich beim MT darüber, dass Schüler um 9.30 Uhr nach Hause geschickt werden, und das, weil eine Ministerin zu Besuch kommt, die sich öffentlich für weniger Unterrichtsausfall ausspricht.
Bildunterschrift: Geknebelt: In der Aula des Besselgymnasiums forderten die Schüler mehr Beachtung und eine Überarbeitung der Schulpolitik.
Bildunterschrift: Schülersprecher Finn Schmidt konfrontierte Sommer mit den Forderungen der Schüler.
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05./06.12.2009
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