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Zeitung für Schloß Holte-Stukenbrock / Westfalen-Blatt , 21.10.2009 :

Gefangene schliefen auf Sennesand / Heimatforscher Ludwig Teichmann schreibt Erinnerungen von Johannes Buschmeier nieder

Von Katharina Bartke

Schloß Holte-Stukenbrock/Hövelhof (WB). Johannes Buschmeier hat zeitlebens seine Heimatgemeinde Hövelhof erforscht. Heute ist das Leben des im Februar 2009 verstorbenen Realschulrektors erforschenswert. Mit dem Autor des Buches "Vom Leben in der Senne", Ludwig Teichmann aus Schloß Holte-Stukenbrock, hatte sich Buschmeier mehrfach über die Geschichte der Senne unterhalten.

Besonders die Erinnerungen an das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg sind für die Nachwelt von Bedeutung. Darum dreht es sich im heutigen Teil der WB-Serie über Zeitzeugen der Senne.

Johannes Buschmeier wurde 1923 in Hövelhof geboren. Schon das erste ihn betreffende Dokument ist historisch wertvoll: So kostete die Geburtsurkunde in der Inflation 60 Milliarden Mark.

Als Kind besuchte er die Volksschule in Hövelsenne. Dort lernte er, dass der eigentliche Quellfluss der Ems in der Moosheide liegt. "Das ging uns Hövelhofern immer quer", berichtete er später von seiner "regionalpolitisch gefärbten" Schulbildung. Bald darauf musste er in der Schule einen SA-Mann malen. Zur Vorlage nahm er das Hitler-Porträt. Der Lehrer tadelte die Zeichnung des Schülers und bemerkte, "dass Adolf Hitler in Wirklichkeit so schön ist, wie Schüler ihn überhaupt nie malen könnten".

Derartige Erinnerungen zeigen im Rückblick die Idiotie der damaligen Propaganda. Doch leider folgten dem Gedankengut sehr bald Taten. Die Veränderungen waren auch in Hövelhof spürbar. Buschmeier: "Als die Haustenbecker aufgrund der Übungsplatzerweiterung Ende der 30er Jahre die Senne verlassen mussten, kamen sie zur Bahn nach Hövelhof. Es flossen oft Tränen."

1941 schlugen Waldarbeiter eine Schneise vom Bahnhof in Richtung Nordosten nach Stukenbrock-Senne. Die Schneise stellte sich als Verbindungslinie zum Gefangenenlager Eselheide heraus. Jede Woche seien zwei oder drei Züge mit russischen Kriegsgefangenen angekommen. Landsturmmänner trieben und prügelten sie in das Lager, wo sie zeitweise ohne Dach über dem Kopf auf dem schieren Sennesand ausharren mussten. Johannes Buschmeier verstand bei Kriegsende die Russen, die Hövelhofer Höfe plünderten, "denn sie hatten viel mitgemacht und unter menschenunwürdigen Bedingungen gehaust. Dabei sind viele umgekommen." Buschmeier wusste aber auch von Freundschaften zu berichten. Mehrfach hätten sich Zwangsarbeiter schützend vor gutherzige Familien gestellt.

Mit 19 Jahren war er selbst eingezogen worden. Nach der Ausbildung in Maastricht kam er 1942 an die Ostfront. Im Mai 1945 wurde er von den Amerikanern gefangen genommen und in Bad Aibling interniert: "Dort sollen sich auch der heutige Papst Benedikt XVI. und der Schriftsteller Günter Grass aufgehalten haben. Ich habe beide damals nicht wahrgenommen." Nach acht Wochen Gefangenschaft fuhr er mit dem Zug in Richtung Heimat. "Am Knotenpunkt Altenbeken sprangen wir einfach ab. Es ging zu Fuß über das völlig ausgebombte Paderborn nach Hövelhof."

Wenig später legte Buschmeier zum zweiten Mal seine Abiturprüfung ab. Das Kriegsabitur zum Thema "Warum wir den Krieg gewinnen werden" war nicht anerkannt worden.

Das Nachkriegsdeutschland brauchte dringend junge Lehrer. Daher wurde die Ausbildungszeit auf drei Jahre verkürzt. Nach diesem Studium begleitete Buschmeier Paderborner Kinder auf ein "Erholungsjahr" nach Dublin. Er wurde Lehrer in Hövelriege und wechselte später nach Hövelhof, wo er mehr als ein halbes Jahrhundert lang Ortsheimatpfleger war.

Zur Serie

Mit freundlicher Genehmigung des Bonifatius-Verlages Paderborn stellt das Westfalen-Blatt in einer kleinen Serie interessante Persönlichkeiten vor, die der Heimatforscher Ludwig Teichmann in seinem Buch "Vom Leben in der Senne - Zeitzeugen aus hundert Jahren erzählen" zu Wort kommen lässt.

Das Buch ist in einer Auflage von 3.500 Exemplaren erschienen (ISBN 978-3-89710-422-8, 34,90 Euro).

Bildunterschrift: So hat Johannes Buschmeier das Lager der russischen Kriegsgefangenen in der Senne noch als Augenzeuge erlebt: "Ich konnte erkennen, wie die Gefangenen draußen unter freiem Himmel auf einem Acker saßen, auf dem schieren Sennesand. Von Baracken war nichts zu sehen."

Bildunterschrift: Buschmeier war seiner Heimatstadt sehr verbunden. Über seine Tätigkeit als Schulleiter, Chronist und Ortsheimatspfleger hinaus, veröffentlichte er mehrere Bücher über Hövelhof.


SHS@westfalen-blatt.de

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