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Espelkamper Zeitung / Westfalen-Blatt , 07.10.2009 :

Schüler tauchen in "Die Welle" ein / Kreis präsentiert mit Unterstützung der Sparkassen Stück über Faschismus-Experiment

Von Arndt Hoppe

Espelkamp (WB). So viel ungeteilte Aufmerksamkeit wie sie das Theaterstück "Die Welle" gestern im Bürgerhaus erfahren hat, dürften Lehrer selten von ihren Schülern erleben.

Wie gebannt haben Schulklassen - unter anderem aus Espelkamp, Stemwede und Petershagen - die Aufführung des Schnürschuh Theaterhauses im voll besetzten Saal verfolgt. Präsentiert wurde es von der Arbeitsgruppe des Kreises "Lebendige Demokratie im Mühlenkreis". Finanzielle unterstützt wurde sie von den Sparkassen im Mühlenkreis.

Das Stück basiert auf der Geschichte eines tatsächlich an einer amerikanischen Highschool durchgeführten Experimentes und zeigt die Mechanismen des Faschismus.

Als Geschichtslehrer Ben Rost (Frank Stuckenbrok) im Unterricht den Nationalsozialismus behandelt, stellen seine SchülerFragen: "Wie können die Deutschen behaupten sie hätten von den Gräueln nichts gewusst?" und "Wieso hat denn niemand etwas dagegen unternommen?"

So kommt Rost auf die Idee, ein Experiment zu wagen. Von nun an ist Disziplin das oberste Gebot in seinem Unterricht. Die Schüler müssen stets stramme Haltung annehmen und aufstehen, sobald sie gefragt sind. Ihre Antwort müssen mit "Herr Rost" beginnen. Mit der Zeit fügt Rost die Begriffe Gemeinschaft und Aktion als Leitgedanken hinzu. Er schafft eine Bewegung, die er "Die Welle" nennt. Wer nicht dafür ist wird zum Feind erklärt. Es wird ein spezieller Gruß eingeführt, der große Ähnlichkeit zum Hitlergruß aufweist, ein Wellensymbol wird als Armbinde getragen.

Lehrer genießt die Diktator-Rolle

Rosts Schüler reagieren sehr unterschiedlich. Außenseiter Robert stürzt sich auf die Idee und fühlt sich plötzlich als Teil der Gemeinschaft, spitzelt mit Begeisterung und will Leibwächter des "Führers" Rost sein. Anna (Jana Köckeritz), Jan (Moritz Viebeg) und Daniel (Mathias Hilbig) machen zunehmend begeistert mit. Nur Laura (Michaela Uhlemann) durchschaut, dass ihre Freiheit durch die immer stärker werdende Welle eingeschränkt wird.

Erst spät, als es bereits zu Gewalt und Auseinandersetzungen zwischen Schülern kommt, merkt Ben Rost, dass das Experiment beginnt, ihm zu entgleiten. Er rutscht in die Rolle eines Diktators hinein. Als er das Experiment beendet, sagt Rost: "Am meisten hat mich erschreckt, wie sehr ich selbst diese Rolle genossen habe."

Mit großem Applaus verabschiedeten die Zuschauer die Akteure. Nicht alle Klassen hatten noch Zeit für die anschließende Fragestunde. Die meisten der anwesenden Jugendlichen gaben aber zu, dass sie vermutlich mitgemacht hätten, statt Widerstand zu leisten. "Das Stück wird im Rahmen des Projektes noch zwei Mal aufgeführt", sagte Dorothea Wöhrmann von der Arbeitsgruppe "Lebendige Demokratie". Für das kommende Jahr sei geplant, die Ausstellung "Rechts-Rock" in beiden Altkreisen zu zeigen.

Bildunterschrift: Die Schüler gehorchen Lehrer Ben Rost (Frank Stuckenbrok, rechts) und erfahren am eigenen Leib, wie sich "Die Welle" von einer grundsätzlich guten Idee in ein faschistisches System wandelt. Die Darsteller ernten großen Applaus vom jungen Publikum im Bürgerhaus.

Bildunterschrift: Marvin Meyer von der Hauptschule Petershagen-Lahde glaubt nicht, dass er in eine solche Situation kommen könnte: "Ich könnte mir so ein Verhalten in unserer Klasse nicht vorstellen."

Bildunterschrift: Matthis Hartmann (Hauptschule Petershagen-Lahde) ist ebenfalls skeptisch: "Ich denke nicht, dass jemand heute noch mit einer solchen Aktion an einer Schule Erfolg haben würde."

Bildunterschrift: Sarah Krohne (10c, Stemwederberg-Schule) findet die Umsetzung des Stoffs gelungen: "Es ist nahe am Buch. Ich glaube von mir selbst, dass ich nicht mitgemacht hätte. Ich bin ziemlich selbstbewusst."

Bildunterschrift: Seraphina Petersen (10c, Stemwederberg-Schule) traut sich weniger Stärke zu: "Ich denke, dass es mir lieber gewesen wäre, nicht allein dagegen zu stehen. Ich hätte vermutlich mitgemacht."


espelkamp@westfalen-blatt.de

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