Schaumburger Nachrichten ,
01.10.2009 :
Neonazi als Wahlhelfer
Kreuzriehe/Helsinghausen. "Bei uns in Kreuzriehe gibt es einen aktiven Neonazi", hat Michael Dyes, Vorsitzender der SPD Suthfeld, öffentlich berichtet. Für den Sozialdemokraten sei es unverständlich, warum der Rechtsextremist als Wahlhelfer bei der Europawahl eingesetzt wurde. Mehrere Quellen und eine Flugblatt-Aktion "outen" den jungen Mann als Aktivisten bei rechten Kundgebungen und kritisieren, dass dieser ungehindert bei der örtlichen Feuerwehr mitarbeitet.
Maik B. (Name von der Redaktion geändert) ist ganz der nette junge Mann von nebenan. Groß, blond, hilfsbereit und ehrenamtlich in der Freiwilligen Feuerwehr seines Heimatortes Kreuzriehe/Helsinghausen engagiert. Er engagiert sich allerdings auch bei Kundgebungen der Neonazi-Szene. Allen voran bei der mittlerweile verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) und der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO), die ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die JLO lässt in ihrem Internetauftritt keinen Zweifel an ihrer "Stolz, Deutscher zu sein"-Einstellung und wirbt mit dem Suthfelder als fahnenschwingendem Vorbild in erster Reihe beim Gedenkmarsch für die deutschen Opfer in Dresden. Zu dieser Großdemo, die von JLO und NPD organisiert wird, erschienen im Februar mehrere tausend Neonazis. Ein Bild, das online vom Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" veröffentlicht wurde, zeigt B. mit dem Banner der JLO. Tags zuvor soll er beim Fackelzug mit Neonazi-"Führer" Thomas Wulff vom "Aktionsbündnis gegen das Vergessen" als Ordner fungiert haben.
Spätestens seit bislang Unbekannte in einer "Outing-Aktion" Flugblätter mit der Aufschrift "In ihrer Nachbarschaft wohnt ein Nazi" im Dorf verteilt haben, dürften viele Bürger verwundert gewesen sein, dass B. sie zur Europawahl im Wahllokal begrüßt hat. Maik B. bestätigte auf Anfrage der SN, dass er als Wahlhelfer tätig war. Für dieses Ehrenamt habe er sich freiwillig gemeldet. "Ich war schon zwei-, dreimal dabei", berichtet er. Mit dem "Neonazi-Verdacht" konfrontiert, lehnt er jeden Kommentar zu seiner politischen Einstellung ab. Doch den SN vorliegende Informationen zu dessen Teilnahme an diversen Neonazi-Aktionen sprechen eine deutliche Sprache. So dokumentierte der Informationsdienst Rechtsextremismus "indi-rex", wie B. Seite an Seite mit der "Nationalen Offensive Schaumburg" und dem Versammlungsleiter der Trauermärsche in Bad Nenndorf, Christian Müller, "demonstriert".
Für Szene-Kenner ist der kaufmännische Angestellte kein Unbekannter. Journalist und Rechtsextremismus-Experte André Aden, der bundesweit rechte Aufmärsche dokumentiert, bestätigte, dass B. seit mehreren Jahren aktiv ist. In der mittlerweile verbotenen HDJ, Nachfolgeorganisation der "Wiking-Jugend", habe sich der Suthfelder an den berüchtigten "Camps" beteiligt, die mit "Führerbunker" und paramilitärischen Schulungen traurige Bekanntheit erreichten. Beim HDJ-Zeltlager in Preußisch-Ströhen sei er sogar als Mit-Organisator aufgetreten, wie "Recherche Nord" (ein Zusammenschluss von Fotografen und Journalisten) berichtet. Am "Trauermarsch" in Bad Nenndorf beteiligte er sich jedoch nicht. Strategie? "Der weiß, was er tut", ist SPD-Fraktionssprecher Dyes überzeugt.
In der Feuerwehr Helsinghausen/ Kreuzriehe fungiert B. im aktiven Einsatzdienst als Truppführer, Atemschutzgeräteträger, Maschinist und Sprechfunker. Eine leitende Funktion habe er jedoch nicht inne, berichtet Dyes als Gruppenführer der Ortswehr. Politisch bewirkt hat Wahlhelfer B. wenig: Von 567 gültigen Stimmen in der Gemeinde Suthfeld votierte nur ein Bürger für die DVU, fünf stimmten für die Republikaner. An der Bundestagswahl hatte er nicht teilnehmen wollen, sagt B.; Dyes berichtet, B. sei von Wahlleiter André Lutz aus dem Verteiler herausgenommen und mit einem Sperrvermerk versehen worden. Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm kennt kein Patentrezept für den Umgang mit lokalen Neonazis. Er rät: "Mit ihnen reden und deren Meinung niemals unwidersprochen lassen."
Gemeindebrandmeister wird deutlich: "Kein Platz für Rechtsextremisten"
Gemeindebrandmeister Uwe Blume nimmt die Vorwürfe ernst. Den als Neonazi geouteten Maik B. kenne er schon aus der Jugendfeuerwehr. Von dessen Beteiligung an rechtsextremistischen Aufmärschen höre er allerdings zum ersten Mal. "Darüber hat man mich nicht informiert", bedauert er auf Anfrage der SN. Als Chef von 170 Aktiven plus Jugendfeuerwehren sei er auf Hinweise aus den jeweiligen Ortsgruppen angewiesen. Blume versicherte, jetzt umgehend das Gespräch mit der Ortsfeuerwehr zu suchen. "Die Gefahr einer Unterwanderung durch Neonazis ist uns bekannt", betont der Gemeindebrandmeister. Konkrete Fälle seien in der Feuerwehr der Samtgemeinde jedoch noch nie bekannt geworden. Die Feuerwehr soll unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und politischer Einstellung Leben retten. Da ist kein Platz für Rechtsextremisten. "Zudem sind wir eingebunden in das Bündnis 'Bad Nenndorf ist bunt'", ergänzt Blume. Generell bestehe laut Brandschutzgesetz die Möglichkeit, Mitglieder aus der Feuerwehr auszuschließen, erklärt der Gemeindebrandmeister. Dies sei in Nenndorf jedoch in der Vergangenheit noch nicht vorgekommen.
Keine Hinweise auf Agitation
Auf ihrer Internetseite beantwortet die Samtgemeinde Fragen zum Thema Wahlhelfer: "Mit der Berufung wird zum Ausdruck gebracht, dass wir Sie für die Übernahme eines Wahlehrenamtes als geeignet ansehen", heißt es da. 25 Euro erhalten Wahlhelfer für ihren Einsatz für die Demokratie. Wer sich freiwillig meldet, werde bevorzugt behandelt. Samtgemeindebürgermeister Bernd Reese sieht im Fall des Feuerwehrmannes Maik B. offenbar keinen Handlungsbedarf – solange dieser nicht vor Ort rechtsextremistische Werbung betreibt.
Welche Möglichkeiten bestehen für die Verwaltung zu verhindern, dass Neonazis als Wahlhelfer zum Einsatz kommen?
Ich hätte mir schon vor der Veranstaltung mit Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm sachdienliche Hinweise erwünscht - von Herrn Dyes oder anderen. Die Samtgemeinde Nenndorf nominiert ihre Wahlhelfer aus dem öffentlichen Dienst, aus erfahrenen Helfern, aus Jungwählern, aus einem den demokratischen Parteien vorgeschlagenem Pool. Diese haben bei der Bundestagswahl sehr gute Arbeit geleistet. Für agitierende Rechtsextremisten ist dort kein Platz. In den Niederschriften finden sich keinerlei Hinweise.
Maik B. ist seit Jahren in der Feuerwehr Kreuzriehe/Helsinghausen aktiv. Gibt es für Sie als Samtgemeindebürgermeister irgendeine Handhabe zu intervenieren?
Anlässlich der gestrigen Sitzung der Gemeindebrandmeister in Ohndorf ist über die Vorwürfe gesprochen worden. Die Ortswehr Helsinghausen/Kreuzriehe hat in der vergangenen Zeit keine Auffälligkeiten festgestellt. Dort wird keine rechtsextremistische Werbung oder Agitation, die zum sofortigen Eingreifen führen muss, betrieben.
Bildunterschrift: Ein Schaumburger marschiert vorne mit: Maik B. (Mitte) nimmt regelmäßig an Kundgebungen der Neonazis teil.
Anmerkung von www.hiergeblieben.de: Artikel über Simon Dammann aus Kreuzriehe bei Bad Nenndorf.
sn@madsack.de
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