Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische ,
04.09.2009 :
Verler im Soldatenrock / Heimatverein zeigt Fotos von Peter Paul Adrian aus den 1930er und 40er Jahren
Von Rolf Birkholz
Verl. In der Zeit des Nationalsozialismus trug man offenbar auch im Verler Land gern den Soldatenrock. Rund 20 Prozent aller Aufnahmen, die der Fotograf Peter Paul Adrian (1905 - 1971) in den 1930er und 40er Jahren hier machte, zeigten Menschen in Uniform, sagte Heimatvereinsvorsitzende Regine Bogdanow zur Eröffnung der Ausstellung "Verler in Uniform" 70 Jahre nach Beginn des von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkriegs.
Diese dritte Schau mit Arbeiten Adrians präsentiert Bildtafeln mit Fotos aus den Jahren 1933 - 1945 und erläuternde Texte zu den politischen Verhältnissen im "Dritten Reich". Hinzu kommen Utensilien wie Uniformjacken, Abzeichen und Feldpostbriefe. Die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus und die Auseinandersetzung damit ist nach Regine Bogdanow "eine wichtige Aufgabe" des Heimatvereins.
Die Aufnahmen gehören zu den fast 11.000 Glas-Negativen, die dem Heimatverein von der Familie Holzmeier aus dem Nachlass Adrians überlassen worden waren. Josef und Michael Erichreineke hatten die Bildträger aufwendig gesäubert und digitalisiert, Elisabeth Kleinhans hatte die Auswahl für die Präsentation vorbereitet.
Bernhard Klotz, Mitarbeiter des Vereins, betrachtet die Fotos aus der NS-Zeit als wesentlichen Beitrag zur staatsbürgerlichen Aufklärung und für die lokalhistorische Darstellung. Denn abgesehen vom Schicksal der jüdischen Bevölkerung sei jene Zeit auch nach 70 Jahren noch nicht dokumentiert. "Da traut sich so recht keiner ran", meinte Klotz. Doch plane der Heimatverein, so dessen stellvertretender Vorsitzender Matthias Holzmeier, in naher Zukunft eine Dokumentation über die Zeit des Nationalsozialismus herauszubringen. Dazu werden noch Zeitzeugen und Unterlagen gesucht.
Nach Klotz’ Erkenntnissen waren auch in Verl "nicht nur hohe Tiere, sondern auch breite Kreise der Bevölkerung" nach 1933 bald der NS-Politik zugeneigt. "Warum haben sich überhaupt Verler von P. P. Adrian in Uniform fotografieren lassen?", fragte Klotz. Und fand einen Grund für ein Erinnerungsfoto in der als gering angesehenen Chance, heil aus dem Krieg zurückzukommen. Außerdem seien "viele absolut stolz auf diese Uniform" gewesen. Etwa 550 Verler, überwiegend Soldaten, starben im Krieg.
Anhand der Reichstagswahlergebnisse ab 1930 zeigte Klotz, wie im Verler Land, lange fest in Zentrums-Hand, langsam die NS-Stimmen zunahmen, von 5,71 Prozent 1930 auf 12,96 Prozent 1932. Immerhin erreichte das katholische Zentrum in der letzten freien Wahl im Januar 1933 noch 57 Prozent in Verl.
Klotz las aus Tagebucheintragungen des damaligen Bürgermeisters Josef Lückewille, wies auf Anfeindungen "konfessioneller Standesverbindungen" und die Entfernung von Kolpingzeichen hin. Er kam zu dem Schluss, dass viele im Verler Land "ganz schön mitgearbeitet haben" in der Diktatur. Passagen aus Feldpostbriefen belegten, dass auch an der Front die Verblendung noch fast bis Kriegsende anhielt. Weitere Kriegskorrespondenz aus den Familien zu bekommen, so Klotz, wäre ein "Riesengewinn für die Lokalgeschichte".
Zwei Fotoabende als Ergänzung
Die Ausstellung "Verler in Uniform" ist mittwochs und sonntags von 15 bis 17.30 Uhr geöffnet. Zusätzlich sind zwei Fotoabende vorgesehen: Am 22. September und am 18. November werden noch unveröffentlichte Verler Aufnahmen von P. P. Adrian auf Großbildleinwand gezeigt. Der Heimatverein hofft, dass so noch mehr Personen auf den Bildern wieder erkannt werden. 1.300 von Adrian fotografierte Verler konnten schon identifiziert werden.
Bildunterschrift: Zeitdokumente: Michael und Josef Erichreineke (mit einem Porträt des Fotografen Peter Paul Adrian), Elisabeth Kleinhans, Regine Bogdanow, Bernhard Klotz und Matthias Holzmeier (v. l.) präsentieren die Ausstellung im Heimathaus.
lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de
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