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Blick nach Rechts , 02.09.2009 :

Indoktrination im Klassenzimmer

Von Andrea Röpke

Zahlreiche Lehrkräfte hängen der extrem rechten Szene an. Auch auf den NPD-Listen zur Bundestagswahl finden sich Pädagogen. Sie sind längst keine Einzelfälle mehr.

"Von Beruf: Lehrer". Die Nennung von Andreas Molaus langjähriger Tätigkeit als Waldorf-Lehrer sorgt in der Öffentlichkeit immer wieder für Erstaunen. Dabei ist der ehemalige niedersächsische NPD-Spitzenkandidat längst keine Ausnahme. Seit Jahrzehnten führen Pädagogen, Erzieher oder Dozenten die rechte Szene mit an. Oft sind sie Ideologen oder Strategen innerhalb der gesamten Bandbreite des Spektrums. Von der so genannten Neuen Rechten, über Brauchtums-Gruppen, die NPD, bis hin zum revisionistischen Lager sind Pädagogen involviert. Sie agieren im Hintergrund, fast alle scheuen öffentliche Auftritte. Um ihre Berufslaufbahn nicht zu gefährden, treten die meisten extrem rechten Lehrer und Lehrerinnen erst mit beginnendem Rentenalter oder nach der Pensionierung offen auf.

Zur Bundestagswahl 2009 tritt in Niedersachsen neben der "Sonderarbeitspädagogin i.R." - in Rente - Karin Hollack aus Hannover, auch der Dresdener Stadtrat und ehemalige Lehrer Werner Klawun (Wahlkreis Wilhelmshaven) für die NPD an. Als Direktkandidat für die NPD in Thüringen kandidiert der diplomierte Lehrer Klaus Städtler aus Gotha bei den Landtagswahlen. Städtler ist 1946 geboren und im Ruhestand, in der DDR galt er aus unauffällig und "linientreu", heißt es.

Erziehung der Kinder zu "wahrhaft deutschen Menschen"

Imke Thomas, führendes Mitglied der rassistischen "Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft", geht inzwischen offen mit ihrer beruflichen Vergangenheit um, nutzt sie sogar für politische Zwecke. Die Stellvertreterin des Hamburger Neonazis Jürgen Rieger blickt in ihrem Artikel "Die Kinderstube des Volkes" auf "mehr als 30 Jahre begeisternden Lehrerlebens an den verschiedensten Schultypen" zurück. Ihre Erfahrungen möchte sie an die Eltern des Nachwuchses der braunen Szene weitergeben. Thomas schwärmt von "unserem Reich der Deutschen", schimpft über Klassen "mit Andersrassigen aus allen Erdteilen", über das Schulwesen, und vermisst die vergangene "große Geborgenheit eines Staates". Ihre Aufgabe sieht sie darin, den "Gefährten" Hilfestellung bei der Erziehung ihrer Kinder zu "wahrhaft deutschen Menschen" zu geben. "Im Zuge der groß angelegten Umerziehung in der Schule" aber, so die ehemalige Lehrerin, werde der Jugend ein unvollkommenes oder "sogar falsches" Geschichtsbild aufgezwungen - und das möchte sie korrigieren.

"Den Kindern ein geschlossenes Weltbild geben"

Weniger vorsichtig als Imke Thomas waren dagegen ihre Kolleginnen Karin Schmutzler und Ingeborg Godenau. Die Hamburgerin Schmutzler sorgte 2007 für Schlagzeilen, als sie dem WDR-Magazin "Frau-TV" ein Interview gab. Die Musiklehrerin war zuvor nicht nur von der NPD als Ansprechpartnerin empfohlen worden, sondern machte vor der Kamera aus ihrer politischen Einstellung auch keinen Hehl. 2002 hatte sie für die Republikaner für den Bundestag kandidiert, war dann zur NPD gewechselt. Das Hamburger Postfach der kürzlich verbotenen braunen Kindererziehungsorganisation "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) lief zeitweilig auf Schmutzlers Namen. Fast zwei Jahrzehnte lang dachten Karin Schmutzler und ihr Ehemann Jochen, ein rechter Burschenschafter und NPD-Anhänger, dass sich Lehrerschaft und extrem rechte Ansichten bestens vereinbaren ließen. "Ich habe bestimmt nie ein Kind beeinflusst", verteidigte die lehrende Neonazistin sich gegenüber der Wochenzeitung "Die Zeit", um kurze Zeit später zu behaupten: "Ich kann den Kindern ein geschlossenes Weltbild geben." Schmutzler galt als resolut und überzeugt. Nach Medienberichten und Elternkritik versetzte die Hamburger Schulbehörde die Beamtin in den Innendienst, ihr Ehemann, Lehrer an einer katholischen Privatschule, wurde entlassen.

Zum Ende einer Dienstzeit kam es auch für die rechte Lehrerin Ingeborg Godenau, die an der Gutenberg-Realschule im hessischen Eltville Biologie und Französisch unterrichtete. Sie galt als beliebt und engagiert. Allerdings gehören sie und ihr "polizeilich bekannter amerikanischer" Ehemann seit langem der extrem rechten Szene an. Als Ingeborg Godenau vor ein paar Jahren als Spitzenkandidatin des "Bürgerbündnisses PRO Schwalm-Eder" bei den Kommunalwahlen antrat, sorgte dies für Empörung. Nach Angaben des Innenministeriums handelt es sich bei dem Bürgerbündnis "überwiegend um Republikaner, frühere Republikaner sowie Personen aus dem Umfeld der NPD und aus der neonazistischen Skinheadszene". Ein Umstand, den das Kultusministerium in Hessen nicht länger dulden konnte. Godenau wurde suspendiert, die Verfassungstreue der rechten Realschullehrerin werde überprüft, hieß es.

Das "falsche" Geschichtsbild korrigieren

Die Wissenschaftlerin und Rechtsextremismusexpertin Michaela Köttig warnt vor der Strategie der Neonazis, gesellschaftlich relevante Positionen auch mit jungen Mädchen und Frauen zu besetzen. Gerade sie würden ihre Berufsfelder mit Bedacht wählen, so die Erkenntnis der Soziologin, die zahlreiche Neonazistinnen interviewt hat. "Sie studieren Geschichte auf Lehramt, um ihr Geschichtsbild zu vermitteln", berichtet Köttig, "sie werden mit Vorliebe Sozialarbeiterin oder Erzieherin, um möglichst viele Kinder und Jugendliche prägen zu können".

Die Thüringer NPD brüstet sich damit, seit Mitte letzten Jahres einen eigenen "Arbeitskreis Bildungspolitik" gegründet zu haben. In diesem Kreis würden "mehrere Lehrer, Erzieher und Hochschuldozenten sowie Schüler und Studenten mitwirken", die "ihr Augenmerk verstärkt auf die Bildungspolitik im Land" richteten und unter anderem einen "eigenständigen Entwurf zum Thüringer Schulsystem" planten. Die ehemalige Thüringer Spitzenkandidatin der NPD, Rita Hoffmann, wirkte bis zu ihrer Pensionierung vor wenigen Jahren als Oberstufenlehrerin für Deutsch und Geschichte in Gerstungen.

Oft konnten Lehrerlaufbahnen, die steil während der NS-Zeit begonnen hatten, nach 1945 ungehindert weitergeführt werden. Belastete Lehrer wurden kaum zur Verantwortung gezogen. Florian Kautter, Sprecher des Landesausschusses der Studierenden in der GEW Berlin warnt davor, dass symbolisch mit "Herrn und Frau Braun" in den Klassenzimmern gelebt würde. Er weiß von der "nicht aufgearbeiteten Geschichte der Weiterbeschäftigung von NS-Beamten" nach Kriegsende, sowie dem Einfluss rechter Pädagogen auf die Gesellschaft. Ein Beispiel: Der 1905 geborene Studienrat Dr. Werner Preisinger verdingte sich zunächst als Jugenderzieher auf den NS-Ordensburgen. In der neuen Bundesrepublik wirkte er an der Gründung des später zeitweilig als "verfassungsfeindlich" eingestuften "Bund für Gotterkenntnis - die Ludendorffer" mit. Seine Familie führt heute dessen Ableger "Arbeitskreis Lebenskunde" mit zahlreichen Jugendangeboten und Reisen mit an. Auch der Ludendorff-Anhänger Gerhard B. war Lehrer an einem Gymnasium in Braunschweig.

"Den Blickwinkel auf die Verbrechen der Nazivergangenheit verändern"

Der Rotenburger Sonderschullehrer Friedrich Pieper referierte in den 90er Jahren im damaligen größten Neonazi-Zentrum Hetendorf über die "germanischen Luren", auch wurde er als Anhänger der Altnazi-Organisation "Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte" geführt. Konfrontiert mit den Vorwürfen gab sich Pieper ahnungslos.

Im weitaus weniger radikal erscheinenden Milieu bewegt sich ein Studienrat, der im Unterricht als "unscheinbar, mit Metallbrille und ausgebeulten Cordhosen" wahrgenommen wird: Dr. phil. Karlheinz Weißmann. Dennoch gilt der Gymnasiallehrer aus Northeim laut Medienberichten als ein "Kopf der Szene" - er ist Mentor des neu-rechten "Instituts für Staatspolitik". Kaum jemand hat bisher daran Anstoß genommen. Weißmann unterrichtet im Schulalltag Evangelische Religion und Geschichte. "Christian", einer seiner ehemaligen Schüler, behauptet in einem Internetchat, der belesene Studienrat habe keine konkreten radikalen Aussagen gemacht, sein Erziehungsstil habe aber den Sinn, "den Blickwinkel auf die Verbrechen der Nazivergangenheit zu verändern". Kritische Schüler hätten sich demnach in seinem Abiturjahrgang gegen Weißmann nicht durchsetzen können. Auch Schulverantwortliche und Kollegen seien dem neu-rechten Intellektuellen nicht gewachsen gewesen und so würde "das Thema totgeschwiegen".

Beim "Institut für Staatspolitik" soll auch Dr. Till Kinzel referiert haben. Vom Privatdozenten der Technischen Universität in Braunschweig ist bekannt, dass er nebenher für die neu-rechte "Junge Freiheit" oder für "Criticon" geschrieben hat. Die "tageszeitung" berichtete im Januar darüber, dass die Studentenschaft alarmiert sei und bei einer möglichen Professur Kinzels befürchte, er könnte wissenschaftliche Mitarbeiterstellen für "neu-rechten" akademischen Nachwuchs mit sich ziehen.

Holocaust-Leugner im Schuldienst

Karl-Heinz Schmick war in Berlin verbeamteter Studienrat für Geschichte, bis er von der Bildungsverwaltung suspendiert wurde. Als "Nazi-Lehrer" hatte er Schlagzeilen gemacht, als Antisemit und als Volksverhetzer. Dann bestätigte das Oberverwaltungsgericht dem damals 58-Jährigen 2007, dass er "kein Rechtsextremist" sei. Aber Schmick sei nach Recherchen diverser Medien nie Schülers Liebling gewesen. Er galt als skurriler Pauker, der in seiner Freizeit Pamphlete gegen die umstrittene Wehrmachtsausstellung geschrieben habe. Ein "Rechter und ein Rechthaber" ("Die Zeit"), der "zum falschen Zeitpunkt auf übereifrige Gutmenschen" traf, nachdem ein anonymes Flugblatt am bürgerlichen Gymnasium Steglitz gegen ihn kursierte. 2007 wurde er weitgehend rehabilitiert. Lediglich eine einjährige Gehaltskürzung von insgesamt 3.500 Euro musste Schmick hinnehmen, weil er im Unterricht erklärt habe, Auschwitz sei kein reines Vernichtungs-, sondern vor allem ein Arbeitslager gewesen. Damit habe er durch "Verkürzungen" die NS-Verbrechen verharmlost und der Lehrerschaft in Berlin Schaden zugefügt, so die Richter, den Rausschmiss rechtfertige dies allerdings nicht. In den Unterricht kehrte Schmick nicht zurück.

Weitaus radikaler dagegen verhält sich Ex-Lehrer Joachim Schäfer aus Meerbusch. Der Holocaust-Leugner wurde 2007 wegen Volksverhetzung verurteilt. Nach eigenen Angaben hatte er es zuvor in seiner beruflichen Laufbahn zum stellvertretenden Direktor einer deutschen Schule in Tokio geschafft. Auch der ehemalige Waldorf-Lehrer Bernhard Schaub gehört zum Kreis der Revisionisten. Bis 1998 lehrte Schaub im Bereich der Erwachsenenbildung in der Schweiz Geschichte und Deutsch. Später zählt er zum politischen Umfeld des im vergangenen Jahr verbotenen "Collegiums Humanum". Aus der Schweiz stammt ursprünglich auch der verurteilte Neonazi und Kurzzeit-Lehrer Jürgen Graf. Er lehrte Deutsch und Französisch, bevor er sich dem Netzwerk internationaler Holocaust-Leugner anschloss.

Zum illustren Kreis radikaler Fanatiker zählt vor allem Günter Deckert, ehemaliger Oberstudienrat aus Weinheim. Der frühere Bundesvorsitzende der NPD wurde bereits 1988 im Rahmen eines Disziplinarverfahrens wegen "Verstoßes gegen die politische Treuepflicht und des Mäßigungsverbotes" aus dem baden-württembergischen Schuldienst entfernt. Später als 61-Jähriger immatrikulierte er sich im Studiengang Rechtswissenschaften.

Faible für das Dritte Reich

Ronald D. und Sieglinde S. lehren noch. Ronald D. ist Pädagoge in Nordrhein-Westfalen - früher gehörte er der NPD-Führung in Norddeutschland an. Bei seinen Schülern hingegen soll er inzwischen vor allem wegen seines Faibles für das Dritte Reich auffallen. Was wohl nur die wenigsten wissen: Bereits 1966 war D. in die NPD eingetreten, seit Anfang 1975 als Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Oldenburg aktiv, später stellvertretender Vorsitzender des Nationaldemokratischen Hochschulbundes (NHB) und einer der Anführer der Jungen Nationaldemokraten.

Die Lehrerin Sieglinde S. gehört dem völkischen Spektrum der rechten Szene an. Die 28-Jährige unterrichtet Latein und Geschichte in Minden. In der Schulzeitung berichtet sie stolz davon, dass sie von klein auf im "Wandervogel" aktiv war, sie erklärt den Schülern, das sei "so etwas Ähnliches wie Pfadfinder" und dort sei sie seit 10 Jahren Gruppenleiterin. Tatsächlich stammt S., geborene Dorff, aus einer politisch sehr aktiven Familie, deren Brüder führend zum rechten "Freibund - Bund heimattreuer Jugend" oder der "Deutschen Gildenschaft" zählten. Ihr Ehemann scheint im bündischen Lager aktiv. Die Lehrerin selbst organisierte noch 2008 ein überbündisches Treffen auf der Burg Hohnstein in Sachsen mit, an dem unter anderem der Schweizer Holocaust-Leugner und ehemalige Waldorf-Pädagoge Bernhard Schaub teilnahm.


nandlinger@bnr.de

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