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WebWecker Bielefeld ,
23.06.2004 :
Politische Vorgabe gegen Flüchtlinge
Seit zwei Jahren leitet das Bundesamt zur Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zunehmend Widerrufsverfahren ein. Die Folge: Flüchtlinge können ihren Status und Sozialleistungen verlieren, Abschiebung droht.
Von Manfred Horn
Endlich mal ein Praktiker, der sich stellt: Bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Ausländerbeirats, des Flüchtlingsrats und des Sozialpfarramts am vergangen Mittwoch erklärte Uwe Holthausen, Vertreter des "Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge" in der Zentralen Ausländer-Behörde (ZAB) Bielefeld, wie Entscheidungen für oder gegen den Verbleib in Deutschland getroffen werden.
Insbesondere ging es bei der Veranstaltung um das Widerrufsverfahren. Seit zwei Jahren leitet das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in zunehmender Zahl Widerrufsverfahren ein. Eigentlich kein neues Phänomen, wie Holger Hoffmann, Rechtsanwalt und Mitglied der Rechtsberaterkonferenz des UNHCR, an einem Beispiel erklärte.
Anfang der 1990er Jahre änderte sich die politische Lage in Polen. Diejenigen, die in den 80er Jahren verfolgt wurden, kamen nun selbst an die Macht. Die Solidarnoscz-Bewegung hatte gesiegt, Lech Walsea wurde Präsident. In der Folge wurde der Status der Flüchtlinge aus Polen überprüft und das Bundesamt leitete breit Widerrufsverfahren ein. Der Flüchtlingsstatus wurden den hier lebenden polnischen Menschen aberkannt. "Sie mussten ihren blauen Flüchtlingspass gegen einen blauen polnischen Ausweis austauschen", erzählt Hoffmann. Dort bekamen sie aber einfach einen Stempel hinein, der ihnen eine unbefristete Aufenhaltserlaubnis garantierte.
Heute stehen vorallem Flüchtlinge aus dem ehemaligen Yugoslawien, Afghanistan und Irak im Fokus des Bundesamtes. Dieses Amt ist zuständig für die Durchführung des Widerrufverfahrens, das zur Folge haben kann, dass Flüchtlinge Sozialleistungen wie Wohngeld und Kindergeld und ihren Aufenthaltsstatus verlieren. "Bei uns ist Arbeitspotential freigeworden", erklärt Holthausen. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Asylbewerber in Deutschland nämlich deutlich zurückgegangen. Das riecht nach Willkür. Hoffmann aber nimmt das Bundesamt in Schutz: Das Amt sei oft überfordert, letztlich abhängig von politischen Vorgaben. So ist es die rot-grüne Bundesregierung und besonders der Innenminister, der den Flüchtlingen das Leben schwer macht. "Wie kann man die Zahl der Flüchtlinge reduzieren", laute die Frage der Regierenden, sagt Volker Maria Hügel von Proasyl. "Schily hat sich vor diesen Karren spannen lassen. Da zählen nur noch ökonomische Erwägungen, nicht mehr der Mensch".
Der Verlust des Flüchtlingsstatuses bedeutet nicht automatisch eine Abschiebung, aber die Flüchtlinge sind massiv verunsichert. Denn alleine die Möglichkeit, dass sie abgeschoben werden könnten, stürzt viele von ihnen in Panik. "Da wird mit Menschen gespielt", sagt Hoffmann. Angelika Claußen, Fachärztin mit spezieller Erfahrung inTraumatherapie, kennt die Geschichten. Sie arbeitet mit Flüchtlingen, deren Flüchtlingsstatus aberkannt werden soll oder die erst gar keinen bekommen, nur geduldet werden. "In unserer Rechtssprechung ist Folter kein eigenständiger Grund für Asyl", erklärt Claußen. Dies hat sich 1993 bei der Änderung der Asylgesetze und der Zurücknahme des Artikels 16 des Grundgesetzes ergeben. Claußen arbeitet nicht nur therapeutisch mit den Flüchtlingen, sondern schreibt auch Gutachten in Asylverfahren. Oft genug werden die jedoch von den Gerichten mißachtet und als Gefälligkeitsgutachten eingestuft.
Es ist zu befürchten, dass in der nächsten Zeit viele Menschen, die zum Teil seit vielen Jahren mit einem vermeintlich sicheren Aufenthaltsrecht in Deutschland leben, zu einer Rückkehr in ihr Herkunftsland gezwungen sein werden. Dabei wird das Bundesamt nicht zwingend von sich aus tätig. Es sind die lokalen Ausländerämter, die anfragen.
Und zwar schon, wenn jemand einen vorzeitigen Einbürgerungsantrag stellt. Dieser kann statt nach acht bereits nach sechs Jahren Aufenthalt gestellt werden, kann aber zur Folge haben, dass statt einer Einbürgerung der Verlust des Flüchtlingsstatuses und sogar Abschiebung folgt. Weitere Gründe für Anfragen der Ausländerbehörden: Straffälligkeit, Familiennachzug, auch Sozialhilfebezug oder teure Krankheitsbehandlung. Kurz: In allen Fällen, wo der Staat Geld an den Flüchtlingen sparen kann. Nur wer nachweisen kann, dass er sich integriert, also die deutsche Sprache lernt und eine Arbeitsstelle findet, hat Chancen, dass es zu keinem Widerruf kommt.
Rechtlich bewegt sich das Bundesamt dabei auf wackeligem Terrain. Ein Widerruf des Flüchtlingsstatuses müsste laut Gesetz eigentlich unverzüglich erfolgen. Doch diejenigen Menschen, deren Status zur Zeit geprüft wird, sind oft schon viele Jahre anerkannte Flüchtlinge. Die Rechtssprechung hat sich bis heute noch nicht auf eine Definition des Unverzüglichen ohne schuldhaftem Verzögern festgelegt.
Weitere Informationen zum Widerrufsverfahren im Netz unter
http://www.asyl.net
Dann links auf der Seite "Asylmagazin" auswählen und "Ausgabe 4/2004 Beilage" auswählen.
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