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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 12.08.2009 :

Vom Bunker zum Lernort / Studenten erkundeten die wechselhafte Geschichte des ehemaligen Verstärkeramts

Von Wilhelm Ide

Rheda-Wiedenbrück. Aus dem ehemaligen Verstärkeramt an der Eusterbrockstraße in St. Vit soll ein Lernort hauptsächlich für Jugendliche und Heranwachsende werden. Der Eigentümer der Anlage, Hans Schalück, und der Förderverein des Radio-und Telefon-Museums mit Richard Kügeler an der Spitze treffen die Vorbereitungen, halten Kontakte zu Lehreinrichtungen und potenziellen Referenten. Zur Zeit werden Konzepte entwickelt und technische Maßnahmen überdacht. Es haben bereits Probeläufe stattgefunden.

Der Leiter des Fachbereichs Wirtschaft der Fachhochschule des Mittelstandes (FHM) in Bielefeld, Diplom-Ingenieur Professor Manfred Leisenberg, besuchte die Anlage mit jetzt zwei Gruppen Studenten. Die Führung der jungen Besucher übernahm Vorsitzender Kügeler. Er zeigte besonders die Exponate, die den Studenten einen anschaulichen und systematischen Einblick in die historisch-technische Entwicklung moderner Kommunikationsmittel boten.

Nach dem Aufenthalt in den tiefen Erdbunkern, die heute als Ausstellungsräume dienen, sprach Kügeler draußen seine über die Gesamtanlage. Die Studenten erfuhren, dass Wiedenbrück sich in den 30er-Jahren zu einem bedeutenden Fernkabel-Knotenpunkt mit zwei endenden und drei durchlaufenden Kabeln in fünf Richtungen entwickelte.

Die Übertragung von elektrischen Signalen und damit auch der Sprache über weite Strecken hinweg, war nur möglich durch die Verstärkung. Dazu dienten die Verstärkerämter. Ein großes Verstärkeramt entstand an der heutigen Bielefelder Straße. Der Backsteinbau steht noch immer. Im Zuge der Kriegsvorbereitungen wurde 1938 mit dem Bau der unterirdischen Bunkeranlage an der Eusterbrockstraße begonnen.

Wenig bekannt ist, dass der Bunker in St. Vit von Erde bedeckt wurde, die aus Wiedenbrück stammte. 1938 wollten die Wiedenbrücker ein Freibad bauen, um mit Rheda gleichzuziehen. Der 1938 neuberufene Bürgermeister, Wilfried Schürmann, trieb das Projekt, das rund 52.000 Mark kosten sollte, energisch voran. Er ließ an der Rietberger Straße die Baugrube ausheben und die Erdmassen zur Baustelle des Verstärkeramtes an der Eusterbrockstraße in St. Vit karren. Dort entstand ein Hügel, den die Leute "Schürmanns Höhe" nannten.

Die Erde diente nach Fertigstellung des Bunkers als zusätzliche Schutzschicht. Der Bunker wurde fertig; der Bau des Freibades wegen des Kriegsausbruchs 1939 vertagt. Der gute Rat des damaligen Bürgermeisteramtes an die Wiedenbrücker lautete: "Besucht das schöne Bad in Rheda". Erst 20 Jahre danach, anno 1959, wurde das Wiedenbrücker Freibad eröffnet.

Alliierte Flieger suchten vergeblich

Die Reichspost und die Wehrmacht nutzten das geheime, kriegswichtige Objekt. Die Planer "versteckten" den Bunker, indem sie darüber in Fachwerk einen Bauernhof bauten. Diese Tarnung war äußerst wirkungsvoll. Obwohl alliierte Flieger bis Kriegsende 1945 den Bunker suchten, fanden sie ihn nicht. Heute steht die Anlage, in der sich das Radio- und Telefon-Museum, ein Café und eine Kunstabteilung befinden, als Zeitzeuge unter Denkmalschutz. Der "Tarnhof" und seine Inschrift genießen noch immer Beachtung. Der Hausspruch von 1940 über dem Haupteingang, ist harmlos in Plattdeutsch gehalten, und noch immer in Gold gefasst. Er lautet: "SINN UN SUORGFAOLT SWEET UND FLIET HAWT BAUT DÜT HUS IN GRAUTE TIET".

Bildunterschrift: Einst von der Wehrmacht und der Reichspost genutzt: Richard Kügeler (r.) führte die Studenten durch das Verstärkeramt und zeigte auf die Inschrift aus dem Jahr 1940. Gut getarnt gegen Fliegersicht, das Haus über dem Bunker.


lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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