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Der Patriot - Lippstädter Zeitung ,
23.06.2004 :
Leben und Sterben im Ghetto / Ausstellung "Oneg Schabbat" wird heute im Heimatmuseum eröffnet / Untergrundarchiv gibt einmaligen Einblick in den Alltag der jüdischen Bevölkerung
Lippstadt. Im April 1943 wagten die Bewohner des Warschauer Ghettos den Aufstand gegen ihre deutschen Bewacher. Die verzweifelte Revolte wurde von der SS blutig niedergeschlagen. Aus Anlass des 60. Jahrestages des Aufstands gibt die 2003 im Düsseldorfer Landtag eröffnete Wanderausstellung "Oneg Schabbat - Das Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos" einen einmaligen Einblick in das Leben und Sterben der Juden im Ghetto.
Ab heute Abend ist die von der Bildungsgemeinschaft "Arbeit und Leben DGB/VHS NW" in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Historischen Institut Warschau erarbeitete Präsentation im Lippstädter Heimatmuseum zu sehen.
"Oneg Schabbat" war der Tarnname einer Gruppe von Intellektuellen unter der Leitung des Historikers Emanuel Ringelblum (1900- 1944), die konspirativ Materialien über das Leben und Sterben der jüdischen Bevölkerung sammelte, wissenschaftlich auswertete und archivierte. Das so genannte Ringelblum-Archiv umfasst amtliche Dokumente ebenso wie persönliche Briefe, Zeichnungen, Tagebuchnotizen und Schulaufsätze.
Ein großer Teil der in Metallgefäßen und Milchkannen versteckten Aufzeichnungen konnte nach Kriegsende geborgen werden. Erst so erfuhr die Welt von den 50 Ghettozeitungen, den vier Theatern, den Waisenhäusern und Schulen, mit denen sich die jüdische Bevölkerung ein Stück Menschlichkeit zurückeroberte.
Die Unesco hat die im Jüdischen Historischen Institut Warschau untergebrachte Sammlung in Anerkennung ihres außergewöhnliche Wertes auf die Liste "Memory of the World" gesetzt. Durch die Wanderausstellung "Oneg Schabbat" sind aufbereitete Dokumente aus dem Archiv erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Die Präsentation zeigt etwa 100 Bild- und andere Dokumente, Einzelexponate und Kurzfilme.
"Es ist eine für das Heimatmuseum eher untypische Ausstellung, da sie nichts mit Lippstadt und noch nicht einmal etwas mit Westfalen zu tun hat", erklärte die Leiterin des Archiv- und Museumsamtes, Dr. Claudia Becker, gestern in einem Pressegespräch. Deshalb freue es sie, dass sich Museumsleiter Ulrich Becker sofort bereit erklärt habe, sein Haus zur Verfügung zu stellen.
Die Idee geht auf den heimischen DGB-Vorsitzenden Heinz Rittermeier zurück, der die Ausstellung in Düsseldorf gesehen hatte. Im Rahmen der Umsetzung des Union-Gedenksteins regte er an, "Oneg Schabbat" auch in Lippstadt zu zeigen.
Die Ausstellung solle nicht nur an die Vergangenheit erinnern, sondern auch als Mahnung für die Zukunft dienen, betonte der DGB-Vorsitzende, der darauf hinwies, dass es heute wieder offen antisemitische Tendenzen gebe. "Das Vergangene ist längst noch nicht tot!"
Rittermeier hob hervor, dass sich in Blickweite des Heimatmuseums das Jüdische Erinnerungszeichen befinde. So erinnere die Ausstellung auch an die deportierten und ermordeten Juden aus Lippstadt.
Die Ausstellung richtet sich nicht zuletzt an die heimische Schulen. So ist es kein Zufall, dass neben dem Verein der Freunde und Förderer des Heimatmuseums und der KWL auch das Weiterbildungskolleg zu den Sponsoren gehört, die es ermöglicht haben, "Oneg Schabbat" nach Lippstadt zu holen.
Auch die anderen heimischen Schulen hat Museumsleiter Ulrich Becker angeschrieben und zur Ausstellung eingeladen. Stadtarchivarin Claudia Becker glaubt, dass "Oneg Schabbat" gerade auch für junge Besucher interessant ist. "Auch die Schülerinnen und Schüler, die zu uns ins Stadtarchiv kommen, sind immer besonders interessiert an authentischem Material."Die Ausstellung wird heute um 18.30 Uhr eröffnet. Die Einführung übernimmt die Bochumer Historikerin Andrea Löw. "Oneg Schabbat" ist bis zum 25. Juli dienstags bis samstags von 10 bis 12 Uhr und von 15 bis 18 Uhr und sonntags von 10 bis 12 Uhr zu besichtigen. Zur Ausstellung sind ein Katalog und eine DVD erhältlich.
Redaktion@DerPatriot.de
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