Lippische Rundschau ,
29.12.1987 :
Verwaltung entrüstet über "Friedensbüro"-Broschüre zur Flüchtlings-Umquartierung / Faßhauer: "Kann diesen Stil nicht mehr billigen" / Empörung über Stil der Auseinandersetzung: "Vorhandene Ressentiments in der Bevölkerung gegen Flüchtlinge werden so noch verschärft"
Lemgo (grot). Mit großem Ärger ist im Rathaus der Inhalt einer Broschüre des "Friedensbüros" registriert worden, in dem über die Umquartierung von Asylsuchenden (die LR berichtete mehrfach) in das städtische Übergangswohnheim Echternstraße 56 berichtet wird. Stadtdirektor Ulrich Faßhauer, Beigeordneter Franz-Josef Pröpper, Sozialamtsleiter Horst Gröne, Sozialarbeiter Georg Heil und Marlis Nitschke von der Caritas, die beide die in Lemgo untergebrachten Flüchtlinge betreuen, fühlen sich durch Stil und Inhalt der Broschüre persönlich diskriminiert und warfen dem "Friedensbüro" gestern bei einem Pressegespräch vor, Fakten nicht zur Kenntnis zu nehmen und entstellende Schilderungen in die Öffentlichkeit zu tragen.
Wenn das "Friedensbüro" der Verwaltung vorwerfe, die Flüchtlinge menschenunwürdig unterzubringen, den Ausdruck "Flüchtlings-Verwaltung" gebrauche, ihr unterstelle, "mit Unwahrheiten gegen hilflose Minderheiten" vorzugehen, dann sei das "starker Tobak", hielt Faßhauer fest: "Wo bleibt da die Menschenwürde derer, die sich in der Verwaltung um Flüchhtlinge kümmern?" Beigeordneter Pröpper: "Der Standard der Unterbringung in Lemgo liegt sehr weit über Landes- und Bundesdurchschnitt. Wenn von Unterbringung in Drei- und Vierbettzimmern gesprochen wird, bleibt festzuhalten, dass es das definitiv in Lemgo nicht gibt." Gröne untermauerte dies mit einer Aufstellung über die städtischen Wohnheime, nach der schon Zwei-Bett-Zimmer die Ausnahme sind. Obdachlose (deutsche) Familien, betonte er, müssten oft in beengteren Verhältnissen untergebracht werden.
Zu der in der Broschüre aufgestellten Behauptung, zwei Flüchtlinge seien im Wohnheim Echternstraße 56 "ohne Not" von Einzelzimmern "ohne vorherige Anhörung" und unter Polizeieinsatz in ein Gemeinschaftszimmer umquartiert worden, nahm Georg Heil Stellung. Man habe Platz für zwei Flüchtlinge aus Privatquartieren gebraucht, denen der Vermieter fristlos gekündigt habe. Die Umquartierung habe er nicht nur schriftlich mit Rechtshilfebelehrung angekündigt, sondern habe fünf Gespräche mit den umzusetzenden Leuten im Wohnheim geführt. Heil wörtlich: "Beim viertenGespräch wurde ich tätlich angegriffen, beim fünften Gespräch massiv bedroht. Deshalb haben wir für die Umsetzung Polizeischutz angefordert." Gröne fügte hinzu, bei der Anmietung von Privatzimmern zur Zeit der großen Flüchtlingsflut sei den Ausländern ausdrücklich mitgeteilt worden, dass sie aus Kostengründen in die Wohnheime umgesetzt würden, sobald dort Platz sei. Heil: "Meine Arbeit und die von Frau Nitschke wird durch solche Veröffentlichungen erschwert. Wir erreichen einen Teil der Flüchtlinge nicht mehr, die man offensichtlich glauben gemacht hat, dass wir latente Rechtsbeugung betreiben. Hier werden Asylbewerber für ganz bestimmte Zwecke funktionalisiert."
Ideologische Hintergründe sieht auch Stadtdirektor Faßhauer. In mehreren Gesprächen mit dem Leiter des "Friedensbüros", Lalit Mondal, habe die Verwaltung versucht, Fakten zu vermitteln, offensichtlich ohne Erfolg. Den Flüchtlingen, denen Mondal helfen wolle, schade er mit dieser Art von öffentlicher Verwaltungsschelte nur. In Teilen der Bevölkerung vorhandene Ressentiments würden so nur verschärft. Eine Beobachtung, die Caritas-Mitarbeiterin Marlis Nitschke bestätigte: "Das Klima wird schlechter."
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