Vlothoer Zeitung / Westfalen-Blatt ,
19.06.2004 :
"Holocaust geleugnet und verharmlost" / Collegium Humanum: Amtsgericht verurteilt Ursula Haverbeck und Ernst-Otto Cohrs
Von Jürgen Gebhard
Vlotho (VZ). "Nicht die Dummen, sondern die Unbelehrbaren will das Gesetz mit diesem Paragraphen treffen", erklärte Oberstaatsanwältin Christa Hundertmark in ihrem Plädoyer. Richterin Britta Kurhofer-Lloyd sah das genauso. Sie verurteilte gestern Ursula Haverbeck und Ernst-Otto Cohrs wegen Volksverhetzung zu empfindlichen Geldstrafen.
Das Amtsgericht Bad Oeynhausen sah es als erwiesen an, zwei Unbelehrbare auf der Anklagebank sitzen zu haben. In der von dem 82-jährigen Ernst-Otto Cohrs aus Rotenburg als Schriftleiter zu verantwortenden Vereinszeitschrift "Stimme des Gewissens" hatte Ursula Haverbeck (75), Vorsitzende des Vlothoer Vereins Collegium Humanum, unter anderem geschrieben: "Es war der Beginn der großen Lüge, die endgültig zu Fall zu bringen Anliegen unseres Vereins sein wird: Die Auschwitz-Lüge". In einem anderen Artikel über ein Treffen auf der Wartburg heißt es laut Anklageschrift unter anderem: "Den Holocaust gab es nicht." Der Staatsschutz hatte im November bei zwei Durchsuchungsaktionen die Gesamtauflage (2465 Exemplare) der "Stimme des Gewissens" Ausgabe 6/2003 und etwa 30 Exemplare der Ausgabe 5/2003 sichergestellt.
Die beiden Angeklagten nutzten die Gerichtsverhandlung dazu, jeweils etwa halbstündige Erklärungen zum Geschehen im Dritten Reich abzugeben. "Ich stehe hier zwar als Angeklagte, aber in Wahrheit geht es nicht um mich. Ich habe nur die Funktion einer Art Türöffner. In diesem Prozess geht es um das Recht und, mehr noch, um die Wahrheit für Deutschland", stellte Ursula Haverbeck ihren zehnseitigen, verlesenen Ausführungen voran und sprach von "politischer Justiz". Der Bundesgerichtshof habe festgestellt, das Leugnen des Holocaust sei strafbar. Das sei jedoch unvereinbar mit der Freiheit von Forschung und Meinung und mit den Grundrechten. Sie wolle den Massenmord in Auschwitz nicht leugnen, sondern hinterfrage die Zahl der Opfer.
Ernst-Otto Cohrs stellte in seiner Erklärung vor allem die Vernichtung im Konzentrationslager Bergen-Belsen in Abrede - die dort nach seinen Worten begrabenen Menschen seien in Wahrheit durch die Engländer "abgeschossen" worden. Cohrs verlas auch einen Brief, mit dem er 1989 den damaligen Bundespräsidenten gefragt hatte, warum das "gesamte deutsche Volk" mit der Zahl von sechs Millionen "Vergasungsopfern" belogen worden sei.
Oberstaatsanwältin Christa Hundertmark und Richterin Britta Kurhofer-Lloyd ließen sich auf keinerlei inhaltliche Diskussionen ein. "Sie stehen also voll hinter dem, was veröffentlicht wurde", stellte die Oberstaatsanwältin nach diesen Erklärungen fest: "Es war unerträglich, sich das hier anhören zu müssen." Die beiden Angeklagten "leugnen und verharmlosen und bestreiten den offenkundigen Holocaust an den Juden", und wollten die Verbrechen mit denen anderer Völker verrechnen, um das "deutsche Volk von seiner Schuld rein zu waschen".
"Vorsätzliches Handeln" und "absolute Uneinsichtigkeit" bescheinigte die Oberstaatsanwältin den Angeklagten. Dem von ihr beantragten Strafmaß von jeweils 180 Tagessätzen schloss sich die Richterin an.
Einladung zum Suppenimbiss
Die gestrige Verhandlung in Sachen Collegium Humanum/Volksverhetzung fand unter für das Amtsgericht Bad Oeynhausen ungewöhnliche Begleitumstände statt: Die Besucher wurden vor dem altehrwürdigen Gebäude von Demonstranten mit Spruchband gegen das Collegium Humanum empfangen. Schon eine halbe Stunde vor Verhandlungsbeginn drängten sich die Besucher - in der Mehrheit Sympathisanten der beiden Angeklagten - auf dem langen Flur vor dem viel zu kleinen Saal. Nach Leibesvisitation wurden später nur etwa 40 Personen als Zuschauer oder als Pressevertreter herein gelassen. In der Verhandlung wurde applaudiert, es gab Zwischenrufe, eine rechte Schrift wurde verteilt, ein Diktiergerät einkassiert.
Der ehemalige RAF-Anwalt und jetzige Rechts-Aktivist Horst Mahler nahm trotz eines Berufsverbotes zunächst direkt neben dem Verteidiger Platz - als "Assistent". Er musste sich ein wenig abseits setzen. Eine sehr junge Richterin versuchte an diesem Vormittag, souverän zu bleiben.
Die nach der Urteilsverkündung von Ursula Haverbeck an alle Anwesenden ausgesprochene Einladung zu einem "Suppenimbiss" nach Vlotho schlug sie - wie auch die Staatsanwältin - dankend aus.
19./20.06.2004
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