Schaumburger Zeitung ,
08.07.2009 :
96-Kicker machen sich stark gegen Neonazis
Bad Nenndorf (rwe). Der Widerstand gegen die alljährlichen "Trauermärsche" der Neonazis in Bad Nenndorf bekommt eine neue Dimension. Das Staatsbad Nenndorf hat sich dazu prominente Hilfe geholt. Gemeinsam mit dem Innenminister und Hannover 96 lässt das Unternehmen einen Videoclip gegen Rassismus drehen, der zur Teilnahme an der Gegendemonstration am 1. August aufruft und im NDR Fernsehen gezeigt werden soll. Mit im Boot sitzen als Sponsoren der Landkreis Schaumburg, der DGB und ver.di sowie "Möbel Heinrich".
Spiele unter Flutlicht sind für Fußballprofi Arnold Bruggink keine Seltenheit, aber ein nächtlicher Dreh in der menschenleeren AWD-Arena hat für den 96-Spieler aus den Niederlanden schon ein besonderes Flair. Vor allem, weil es sich um ein bedeutsames Anliegen handelt. "Wir Fußballer müssen zeigen, wofür wir stehen."
Der hannoversche Regisseur Daniel Bertram arbeitet an einem Spot gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Es ist nicht seine erste Arbeit in diese Richtung. 2007 erstellte er unter anderem mit Nationaltorwart Robert Enke und dem Ex-Hannoveraner Gerald Asamoah den Kurzfilm "Ein Herz - ein Ziel". Das neue Werk heißt "Bad Nenndorf: 11.000 Einwohner - 80 Millionen Demokraten". In den Hauptrollen sind wieder Fußballer. Außer Bruggink seine Teamkollegen Christian Schulz und Hanno Balitsch. "Es hätten auch mehr mitgemacht, aber der Regisseur hat sich für die drei entschieden", sagt Christian Hoffmann, dessen Rodenberger Agentur "A2-Brands" als Produktionsfirma auftritt.
Ihr Auftraggeber dafür ist das Staatsbad, das auf diese Weise die Leute über die Grenzen des Ortes hinaus aufrütteln will, sich mit Bad Nenndorf zu solidarisieren und sich der Gegendemonstration am 1. August anzuschließen. An dem Tag ruft die Nationale Offensive Schaumburg zum vierten Mal zum "Trauermarsch" auf. Ziel der immer größer werdenden Schar Rechtsradikaler ist das Wincklerbad, das die britische Militärregierung nach dem Krieg als Internierungslager nutzte und in dem Insassen auch gefoltert wurden - für die Neonazis ein willkommener Wallfahrtsort. Bis 2030 habe sie schon "Trauermärsche" angemeldet.
Kurzfilm erstmals am 29. Juli zu sehen
Eine derart negative Propaganda habe Bad Nenndorf nicht verdient, sagt Staatsbad-Geschäftsführer Peer Kraatz, der das Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" unterstützen will: "Wir stehen hier für Gesundheit und Vitalität." Schon Ende 2008 überlegte er mit Agentur-Chef Hoffmann, wie das Staatsbad den jährlich wachsenden Aufmärschen medial begegnen könnte. So kamen die beiden auf einen Film für Internet, Kino und Fernsehen und damit zu Regisseur Daniel Bertram.
Da Fußball viele Menschen berührt und in Schaumburg viele 96-Fans wohnen, galt Hannover 96 als Wunschmultiplikator. "Der Verein unterstützt viele soziale Projekte", sagt Kraatz. Dass Fußballtrainer Dieter Hecking ausgerechnet in Bad Nenndorf wohnt, habe dabei kaum eine Rolle gespielt. Der Bundesligist sei sofort dabei gewesen, und auch der Innenminister habe ohne Zögern die Schirmherrschaft übernommen. "Es ist wichtig, dass sich die Menschen gegen rechtsextremistisches Gedankengut zur Wehr setzen", wird Uwe Schünemann zitiert.
Der Kurzfilm ist nicht nur für Bad Nenndorf gedacht, sondern soll zu anderen Anlässen aktualisiert werden, so zum geplanten Aufmarsch der Rechten am 12. September in Hannover. Weitaus zäher erwies sich die Suche nach privaten Sponsoren für die "Low-Budget"-Produktion, über deren Volumen Kraatz aber nicht sprechen möchte. Einige Geschäftsleute aus der Kurstadt hätten sich "weggeduckt", sagt Hoffmann enttäuscht. Erst am vergangenen Freitag war das Projekt finanziert. Der Landkreis Schaumburg, der DGB und ver.di sowie die Bad Nenndorfer Firma "Möbel Heinrich" beteiligen sich an den Dreharbeiten, die an zwei Abenden unter Hochdruck liefen.
Das 45 bis 60 Sekunden lange Ergebnis soll erstmals am 29. Juli im NDR-Fernsehen zu sehen sein, direkt vor dem Freundschaftsspiel zwischen Arsenal London und 96. Zum Inhalt verrät Hoffmann: "Wir klauen den Neonazis die Farbe." Der Film solle die Menschen berühren, so wie der Vorgänger mit Enke, Asamoah & Co. es tut, der vor jedem 96-Kick über die Leinwand in der Arena flimmert. "Ich sehe mir den beim Einspielen immer wieder an", sagt Bruggink. Er ist ein wenig stolz darauf, demnächst selber Darsteller in einem Anti-Rassismus-Spot zu sein.
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