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Mindener Tageblatt , 19.06.2004 :

"Telefonate und Briefe können die Familie nicht ersetzen" / Soldaten kehren vom Einsatz aus ehemaligen Jugoslawien zurück / Angehörige fehlen am meisten im fremden Land

Von Doris Christoph

Minden (mt). Das Leben als Soldat im Ausland ist hart: Sechs Monate getrennt von Familie und Freunden, der Kontakt beschränkt sich auf Telefonate und Briefe. Bis es dunkel wird, wird gearbeitet. Danach geht es zurück ins Feldlager. Gestern wurde das achte Einsatzkontingent KFOR, SFOR und ORF in Minden begrüßt.

"Endlich muss ich nachts nicht mehr durch die Kälte zur Toilette laufen", meint Oberfeldwebel Henning Rahlfs (27). Darauf freut er sich am meisten, jetzt, wo er wieder in der Heimat ist.

Rahlfs war mit 41 weiteren Soldaten der Pionierkompanie KFOR (Kosovo Forces) im Kosovo, wo sie die Infrastruktur wieder aufbauten. "Wir haben Straßen gebaut, Schnee geräumt, waren für den Güterverkehr zuständig", zählt Stabsunteroffizier Jens Peter (23) einige Aufgaben auf.

In Bosnien betrieben außerdem die 43 SFOR-Soldaten (Sarajevo Forces) ein Feldlager und unterstützten dort stationierte Pioniere. "Die Soldaten mussten Mienen und Kampfmittel vernichten, Straßenbrücken bauen und hatten mit der Festnahme von Kriegsverbrechern zu tun", erklärt Frank Freese (34), Kompaniechef der vierten Kompanie in Minden.

Der Tag in Rahlfs Kompanie begann mit dem Antreten um 7.20 Uhr und endete bei Einbruch der Dunkelheit. Samstags stand technischer Dienst auf dem Programm, die Fahrzeuge wurden überprüft, repariert und gereinigt. Sonntags hatten die Soldaten frei.

"Wir haben uns die Zeit mit Karten spielen oder Sport vertrieben", berichtet Jens Peter. Jeweils zwei Männer teilten sich im Kosovo einen Container. ,Das ist schon schwierig, weil jeder seine eigenen Bedürfnisse hat", beschreibt er die Probleme der permanenten Nähe. Die Soldaten in Bosnien hingegen waren in richtigen Kasernen untergebracht.

Um wenigstens ein bißchen Heimat aufkommen zu lassen, hing Jens Peter Weihnachten Lichterketten auf und besorgte einen kleinen Tannenbaum. "Sechs Monate sind eine lange Zeit", weiß auch Frank Freese. "Trotz Telefonaten und Briefen fehlt die Nähe zu den Angehörigen." Die Trennung von Zuhause war für die meisten Soldaten die größte psychische Belastung. "Dafür gibt es vor Ort Ansprechpartner wie Psychologen oder Standortpfarrer. Außerdem stand ich natürlich den Männern ebenfalls mit Rat umd Tat zur Seite", so Freese.

Die Einheimischen reagierten positiv auf die deutschen Helfer. "Viele arbeiten auch im Lager. Sie wußten, dass wir etwas für ihr Land tun", meint Rahlfs. In Sarajevo konnte Freese noch deutliche Spannungen zwischen Serben und Albanern spüren. "Da haben die Putzfrauen nicht miteinander gesprochen, weil die eine Muslimin und die andere Christin war", erinnert er sich.

Im November 2003 kamen Rahlfs und Peter mit der KFOR-Truppe im Kosovo an. Bei den Unruhen im März, als Albaner serbische Kirchen anzündeten, mussten sie nicht eingreifen, da sie andere Aufgagen zu erledingen hatten. Im Mai kehrten 90 Soldaten nach Minden zurück. "Der Rest kommt in ein paar Tagen nach Hause", erklärt Andre Ilcin, S1-Feldwebel.

Gestern wurden die Rückkehrer mit einem Bataillonsappell in der Herzog-von-Braunschweig-Kaserne begrüßt. Oberstleutnant Frank Baumgard lobte die Arbeit der Soldaten: "Ihnen allen vielen Dank, für Ihren Einsatz und Ihre Bereitschaft, sich den besonderen Herausforderungen eines Auslandseinsatzes zu stellen. Bald liegt vor uns eine hoffentlich erholsame und sonnige Ferienzeit im Kreis unserer Familie. Sie haben es sich verdient."

19./20.06.2004
mt@mt-online.de

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