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Espelkamper Zeitung / Westfalen-Blatt , 16.05.2009 :

Nach bewegter Zeit Heimat im Espelkamp gefunden / Verdienstkreuzträger Abram Klassen feiert den 90.

Von Felix Quebbemann

Espelkamp (WB). Abram Klassen hat in seinem Leben viele Höhen und Tiefen erlebt. Der Träger des Bundesverdienstkreuzes ist weit gereist, ehe er in Espelkamp seine heutige Heimat gefunden hat. Am Sonntag, 17. Mai, wird er 90 Jahre alt.

In einem mennonitischen Ort in der Ukraine, in Großweide, erblickte Abram Klassen als ältestes von fünf Kindern am 17. Mai 1919 das Licht der Welt. Doch es war eine schwere Zeit, die auf die Familie wartete. Denn die russlanddeutsche Familie wurde zunächst aus ihrem Ort vertrieben. Die Russlanddeutschen seien damals als Volksfeinde betrachtet worden. Der Vater wurde verhaftet und verurteilt. "Wir wurden in unserer Wohnung zurückgelassen, aber alle Sachen waren weg", erinnert sich der Jubilar. "Es war eine schlimme Zeit."

Im Zweiten Weltkrieg wurde Abram Klassen für den Dienst in der Roten Armee eingezogen. Doch den Staat, der seinen Vater verhaftet und seine Familie vertrieben hat, wollte er nicht schützen. Also geriet er nach einem Monat auf russischer Seite freiwillig in deutsche Gefangenschaft. "Aber damit kam ich vom Regen in die Traufe. Denn ich kannte die politischen Ziele Hitlers nicht."

Als Sprachvermittler war er aber nun immer in vorderster Front dabei. Am 27. Dezember 1944 wurde er verwundet und kam in ein deutsches Lazarett. Am Ende des Krieges entließen die Engländer Abram Klassen und er machte sich auf nach Magdeburg zu einer Cousine. Von da aus suchte er nach den Verwandten. Er wusste nicht, dass sie in den Kriegswirren nach Russland zurückgebracht wurden.

Schließlich nahm er Kontakt zu einem Onkel in Kanada auf, der ihn gerne aufgenommen hätte. Doch Klassen entschloss sich, mit seiner ersten Frau Helene, die er kurz zuvor geheiratet hatte, nach Paraguay zu gehen. Er hatte von Mennoniten gehört, die dort ein Dorf aufgebaut hatten. In dieser Kolonie - Schönhorst - arbeitete er zunächst von 1951 bis 1955 als Hilfslehrer. Eigentlich wollte er danach die Kolonie verlassen.

Doch er blieb noch neun weitere Jahre und arbeitete als Sekretär in der Kolonieverwaltung. "Dafür musste ich in Asuncion Spanisch lernen", sagt der Jubilar, der Postwesen in Russland studiert hat und dort Postvorsteher in vier Dörfern war. 1965 wollte er dann aber zurück nach Deutschland. Über Friedland und Sennestadt gelangte er in das Auffanglager Unna-Massen und wurde dort Verwaltungsangestellter. "Weil ich deutsch und russisch sprach, half ich den dort antreffenden Menschen mit dem Papierkram", sagt Klassen. So wurde die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland auf den emsigen Mann aufmerksam. Dort engagierte er sich viele Jahre als stellvertretender Vorsitzender und als Sozialreferent. "Ich war viel unterwegs." Unter anderem für diese ehrenamtliche Tätigkeit erhielt er 1988 das Bundesverdienstkreuz.

Ein Schicksalsschlag traf den Jubilar 1990, als seine Frau verstarb. Doch er verlor niemals den Lebensmut. Einige Zeit später lernte er seine zweite Frau Marie kennen. "Über sie bin ich auch nach Espelkamp gekommen." 1995 zog er, nachdem sein jüngster Sohn sich selbstständig gemacht hatte, in die junge Stadt. Im Haus Mittwald II lebt er gemeinsam mit seiner Frau.

Zum 90. Geburtstag werden ihm zahlreiche Glückwünsche von seinen sieben Kindern, 19 Enkelkindern und drei Urenkeln zugehen. "Gefeiert wird im Bürgerhaus", sagt Klassen, der auch im hohen Alter die Herausforderungen nicht scheut. So hat er sich mit 84 Jahren alleine den Umgang mit Computern beigebracht und seine Biographie aufgeschrieben. Zum 90. wünscht er sich unter anderem noch einige gemeinsame Jahre mit seiner Frau Marie.

Bildunterschrift: Abram Klassen aus Espelkamp feiert heute im Bürgerhaus im Kreis der Familie seinen 90. Geburtstag.

16./17.05.2009
espelkamp@westfalen-blatt.de

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