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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 11.05.2009 :

Als die Bomber Verl überflogen / Zeitzeugen erinnern sich an das Kriegsende

Verl (upo). "Es hat geklappt", sagt Josef Lakämper nachdenklich. "Jeden Abend, als uns Mama ins Bett brachte, habe ich mit meinen Geschwistern gebetet, dass Papa, der als Soldat auf Kreta war, nach Hause kommt. Und es hat geklappt", sagt Verls stellvertretender Bürgermeister. Nicht nur für Lakämper war somit das Ende des 2. Weltkriegs, das in Verl praktisch mit dem Eintreffen der Amerikaner am Ostersonntag 1945 besiegelt wurde, eine Befreiung. Mit ihm erinnerten sich am Freitagabend auf Einladung des Heimatvereins drei weitere Zeitzeugen im Heimathaus an die Ereignisse im April vor 64 Jahren.

Lakämper, geboren im September 1938, war gerade erst seit wenigen Monaten in der Kaunitzer Volksschule, als der Krieg sich zum Ende nochmals dramatisch zuspitzte. Immer, wenn sich die Bomber näherten, um die Innenstädte von Gütersloh, Bielefeld oder Paderborn anzugreifen, gab es Alarm, und alle Kinder mussten die Schule verlassen. "Wir haben uns dann immer an den TWE-Bahndamm gelegt und in den Himmel geschaut, wo über uns die Bomberverbände vorbeizogen", erinnert sich Lakämper.

Zur Einleitung des informativen Abends voller Erinnerungen hatte Matthias Holzmeier, 2. Vorsitzender des Verler Heimatvereins, die rund 50 Besucher der Veranstaltung mit einer kleinen geschichtlichen Einführung auf das Thema eingestimmt. Im Laufe des Abends entwickelte sich zwischen den Zeitzeugen und Publikum, in dem ebenfalls viele Vertreter der Kriegsgeneration saßen, ein reger Gedankenaustausch.

Norbert Barthe hat ebenfalls eine ganz besondere und persönliche Erinnerung an jene Tage. Gerade 14 Jahre alt, hatte er als Küster der St.-Anna-Gemeinde von Pater Franz Gypkens, der zwischen 1941 und 1946 in Verl tätig war und am 2. August 1975 verstarb, am Ostersonntag den Auftrag erhalten, auf den Kirchturm zu klettern, um dort eine weiße Fahne aufzuhängen. "Als die beiden in Verl verbliebenen SS-Leute dies bemerkten, drohten sie mit der Sprengung des Kirchturms. Pater Gypkens konnte dies jedoch in letzter Minute verhindern", sagt Barthe.

Nicht ganz so glimpflich verlief das Geschehen einige hundert Meter weiter in der Schule. Dort wurden große Mengen Munition gelagert, die letztendlich explodierten. "Die schrecklichen Erfahrungen haben bei den meisten Deutschen dazu geführt, dass wir die Wende zu einem demokratischen System geschafft haben", hob Lakämper den wohl einzig positiven Aspekt aus den Geschehnissen im Dritten Reich hervor. Für ihn selbst habe es vermutlich dazu geführt, sich in seinen weiteren Lebensjahren politisch zu engagieren.

Ostern 1945 in Verl

Alliierte Bombenangriffe zerstörten am Dienstag, 27. März 1945, über 85 Prozent der Paderborner Innenstadt. Viele Verler sahen kurz zuvor die Bomber über ihren Ort fliegen, und alles deutete darauf hin, dass sich die Alliierten, die am 7. März den Rhein bei Remagen überquert und gerade das gesamte Ruhrgebiet eingekesselt hatten, näherten. Als die amerikanischen Panzer über die Autobahn Richtung Bielefeld rollten, scheiterten sie an der Steigung in Lämershagen. Sie drehen um und verließen die Autobahn über die Notabfahrt Pausheide. Am Ostersonntag gegen 9 Uhr erreichten die ersten beiden Panzerspähtrupps die Verler Hauptstraße, ihnen folgten weitere Soldaten. Insgesamt starben während des Krieges 350 Personen aus dem Amt Verl, weitere 150 gelten als vermisst.

Bildunterschrift: Niederlage als Befreiung: Auf Einladung des Heimatvereins, vertreten durch den 2. Vorsitzenden Matthias Holzmeier (2. v. l.), erinnerten sich die Zeitzeugen Johannes Kleinemas, Josef Lakämper, Leonhard Maasjost und Norbert Barthe (v. l .) an die letzten Tage des 2. Weltkriegs im Amt Verl.


lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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