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Antifaschistinnen und Antifaschisten aus OWL , 08.06.2004 :

"Die menschliche Dummheit ist international" (Kurt Tucholsky) - Oder weshalb Antifaschistinnen und Antifaschisten den Kampf gegen Antisemitismus nicht von der "Georg-Weerth-Gesellschaft" entwertet sehen möchten.

Am 14. und 15. Juni will die "Georg-Weerth-Gesellschaft" (GWG) in Detmold und Bielefeld Veranstaltungen mit der Europaparlamentarierin Ilka Schröder durchführen. Antifaschistinnen und Antifaschisten aus OWL wollen diese Veranstaltungen verhindern.

Sie sehen sich zu diesem Schritt gezwungen, damit die richtigen und guten Positionen Ilka Schröders nicht diskreditiert werden, weil sie in einem unsinnigen, von der GWG vorgegebenen Rahmen gestellt werden. Kritik an einem völkischen Antiimperialismus, der einem völkischen Imperialismus in die Hände spielt, und traditionell sowie argumentationsimmanent mit antisemitischen Stereotypen einhergeht, ist richtig und wichtig. Die Kritik Ilka Schröders u.a. an antisemitische Tendenzen in der Linken Europas, die sie in Detmold und Bielefeld vortragen will, ist zu wichtig, als dass die Antifa sie von der Instrumentalisierung durch die GWG entwerten lassen darf.

Es geht um antisemitische Tendenzen in der Linken Europas. Ein völkischer Antiimperialismus, der einhergeht mit Antisemitismus, ist nicht allein, sondern "nur" auch eine Fehlinterpretation des Imperialismus durch bestimmte Teile der deutschen Linken. Damit ist der entscheidende Unterschied zur Position der GWG gesetzt. Der GWG nämlich, ist aller Antisemitismus Ausdruck deutscher Ideologie (deren Schatten sie selbst ist). Darin begründet sich ihre antideutsche Ausrichtung. Diese Position der GWG spiegelt ein Antideutschtum, das diese Gruppe prägt: Sie verlässt in ihrer antideutschen Ausrichtung die Kategorien völkischer Ideologie nicht. Sondern sind in ihr, wie ihr Spiegelbild, jene Deutschtums-Aktivisten, verfangen. Egal, wie Deutschtum besetzt wird, ob positiv, wie durch die Deutschtumsaktivisten, oder negativ, wie durch die Antideutschtumsaktivisten, sie teilen die gleiche Idee. Nämlich die, dass ein eigen"tümliches" Volk bestünde, dem bestimmte Eigenschaften qua Geburt und kultureller Verbundenheit, eigen"tümlich" seien. Verbrecherische Ideologien, wie die des Antisemitismus und die Dummheit, an sie zu glauben, sind aber ebenso international wie der Kapitalismus.

Nicht gegen die Vorträge Ilka Schröders, wie von der GWG behauptet, sondern gegen die GWG und ihr instrumentelles Verhältnis zum Kampf gegen Antisemitismus mobilisiert die Antifa.

Wie äußert sich dieses instrumentelle Verhältnis der GWG zum Kampf gegen den Antisemitismus. Und zu welchem Zweck dient der vorgebliche Kampf gegen den Antisemitismus der GWG?

Beginnen wir mit letzterem. Der GWG dient der Kampf gegen Antisemitismus, den sie sich ungerechtfertigter Weise auf die Fahnen schreibt, in einem von ihnen angezettelten Kampf um politische Vorherrschaft in der insgesamt marginalisierten Linken. Haben sie die Hoffnung auf eine gesamtgesellschaftliche Umwälzung der Verhältnisse längst begraben, so wollen sie nun wenigstens Hegemonie innerhalb der Restlinken erlangen. Dies ist das unausgesprochene Ziel der älteren Protagonisten der GWG. Der Schaden, den sie der Linken zufügen ist ihnen egal, denn inhaltlich haben sie sich längst aus der Linken verabschiedet. Diese älteren ehemaligen Linken scharen jüngere AktivistInnen um sich, denen es entweder ebenfalls um Identitätsgewinn innerhalb eines Kampfes um Hegemonie innerhalb der Linken geht, oder jüngere AktivistInnen, die sich von der GWG-Anmaßung einschüchtern lassen, alle als antisemitisch zu titulieren, die ihren Anspruch auf Hegemonie innerhalb der Linken anzweifeln.

Wer nicht für sie ist, ist antisemitisch. Auf diese kurze Formel kann ihre Instrumentalisierung des Kampfes gegen Antisemitismus gebracht werden. Blieben wir in ihrer Logik, müssten wir ihnen vorwerfen, dass sie nun auch noch als Angehörige des Täterkollektives "Deutsches Volk" ihre jüdischen Opfer politisch enteignen wollen und ihnen die Definitionsmacht, wer oder was antisemitisch ist, rauben.

Wie weit die GWG bei dieser Instrumentalisierung ihres vorgeblichen Kampfes gegen Antisemitismus geht, in welche antisemitischen Stereotypen ehemalige Linke zwangsläufig abgleiten, so sie nicht dazu in der Lage sind, völkische Denkkategorien zu verlassen, mag das Vorgehen der GWG in Bochum im Frühjahr dieses Jahres verdeutlichen.

Anlässlich der Planungen zu einem Aufmarsch von Neonazis gegen den Bau einer Synagoge in Bochum wollte die GWG nicht darauf verzichten zur eigenen Identitätssteigerung die israelische Nationalfahne zu okkupieren und selbige schwenkend durch Bochum zu ziehen. Die jüdische Gemeinde verbat sich im Vorfeld eine solche Bekundung falscher Solidarität. Sie bat vielmehr darum, keine israelischen Nationalfahnen auf der antifaschistischen Gegendemonstration zu zeigen. Schließlich, so die Argumentation der jüdischen Gemeinde, die auch an die GWG herangetragen wurde, ginge es bei der Gegendemonstration zum Naziaufmarsch doch auch darum, für die Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens in der BRD zu demonstrieren. Würden aber israelische Nationalfahnen auf der Gegendemonstration gezeigt, reproduziere dies nur antisemitische Stereotypen. Diese Stereotypen bestünden darin, dass Jüdinnen und Juden in der BRD nicht deutsche, sondern israelischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger seien und damit in Deutschland nichts zu suchen haben.

Unbeeindruckt vom Wunsch der jüdischen Gemeinde in Bochum und unbeeindruckt von den inhaltlichen Argrumenten, die an sie herangetragen wurden, führte die GWG mit anderen antideutschen Gruppen in Bochum dennoch einen Aufzug durch, bei dem sie israelische Nationalflaggen schwenkten. Als sei diese Ignoranz noch nicht schlimm genug, verstieg sich die GWG beim Versuch ihr Vorgehen zu verteidigen zu weiteren antisemitischen Äußerungen. Jüdinnen und Juden in der BRD würden den deutschen Antisemiten "Persilscheine" ausstellen, so lautete eine ihrer dort vorgetragenen Positionen (GWG-Flugblatt "" ... Sie müssen jetzt Judenpfleger sein!" (Heinrich Himmler, Reichsführer SS, 1945 an seinen Untergebenen Adolf Eichmann)" vom 10.03.2004 sowie GWG-Redebeitrag "Zum moralischen Polster der Deutschen" auf der Demonstration "Antisemitismus bekämpfen! Solidarität mit Israel!" am 13.03.2004 in Bochum).

Deutsches jüdisches Leben? Für die GWG darf es dies wohl nicht geben. Jüdinnen und Juden haben in Israel zu leben und zu sterben. Vor allem wohl zu sterben, weshalb sonst feiern sie jede weitere Eskalation im israelisch/palästinensisch-arabischen Krieg, an dem keinerlei Kritik geübt werden darf? Dies ist eine besonders perfide Form der antisemitischen Parole "Juden raus!", zu der sich die GWG hier versteigt.

Genau an solchen Widersprüchen zwischen vorgeblichem Anspruch der GWG und tatsächlichen Verhalten wird deutlich, dass es der GWG nicht um den Kampf gegen Antisemitismus geht. Denn der Widerspruch löst sich auf, wenn wir das Motiv ihrer Politik nicht im Kampf gegen Antisemitismus, sondern im Kampf um politische Hegemonie in der Linken sehen.

Dieser Hintergrund würde die Positionen Ilka Schröders entwerten und diskreditieren. Deshalb werden wir ihr die Situation in Detmold und Bielefeld erklären.

"Freiheit wäre, nicht zwischen schwarz und weiß zu wählen, sondern aus solch vorgeschriebener Wahl herauszutreten." (Theodor W. Adorno)


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