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Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische , 07.06.2004 :

Ehrenring für Brigitte Decker / Stadt würdigt couragierten Einsatz gegen das Vergessen eines dunklen Kapitels

Von Simone Flörke

Bielefeld. Groß war die Zahl der Gratulanten zu dieser Auszeichnung, anerkennend die Worte des Oberbürgermeisters Eberhard David für dieses außergewöhnliche Engagement und beeindruckend die Zitate und Briefe der Zeitzeugen und Opfer des Nationalsozialismus in Bielefeld: In einer Feierstunde erhielt gestern Vormittag Brigitte Decker den Ehrenring der Stadt Bielefeld und trug sich anschließend ins Goldene Buch der Stadt ein.

Gewürdigt wird damit der persönliche und couragierte Einsatz Brigitte Deckers bei der Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts in der Stadt. "Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, dass man nicht vergessen darf, etwas gegen das Vergessen selbst zu unternehmen", sagte Eberhard David in der Laudatio. Der Ring sei ein sichtbarer und demonstrativer Ausdruck des Dankes und der Anerkennung für das, was sie für Bielefeld und für die Menschen geleistet habe.

Und das in aller Bescheidenheit als ein "kleines Licht", wie sie selbst einmal gesagt habe. "Ich sehe das nicht so – und mit mir viele Bielefelder", betonte David und erinnerte daran, dass Brigitte Decker und die Friedensgruppe der Altstädter Nicolai-Gemeinde 1.841 vom Bielefelder Bahnhof aus Deportierten nach umfangreichen Recherchen ihre Namen zurückgegeben haben: mit dem 1998 eingeweihten Mahnmal am Hauptbahnhof. Darüber hinaus habe sie sich mit Sensibilität und Wissen um eine Gedenkstätte zur Erinnerung an das Fremdarbeiterlager auf dem Johannisberg, um Ausstellungen und um Kontakte zu ehemaligen jüdischen Bürgern verdient gemacht.

Brigitte Decker nahm die Auszeichnung "stellvertretend für viele" in Empfang. Sie erinnerte daran, dass sie – zwei Jahre vor Kriegsbeginn geboren – eine behütete und schöne Kindheit in Bielefeld verlebt habe. "Zu gleichen Zeit erlebten Menschen, die heute meine Freunde sind, in der Stadt Unglaubliches."

Mit ihrer Arbeit am Mahnmal habe sie Vertrauen und Freundschaft in der ganzen Welt gewonnen. Auf die Frage, warum sie sich allein um die jüdischen Opfer gekümmert habe, hatte sie einst geantwortet: "Es waren so schrecklich viele." Zudem äußerte sie nun die Hoffnung, den jüdischen Friedhof wieder öffentlich zugänglich zu machen, den ermordeten Sinti namentlich zu gedenken und ein Buch zu veröffentlichen mit den Namen und Bildern der Opfer. "Erzählen Sie die Geschichte weiter", forderte sie die Zuhörer auf. "Denn die Gleise der Reichsbahn verbanden Bielefeld mit Riga, Theresienstadt und Auschwitz."


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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