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Widerhaken Juni 2004 , 01.06.2004 :

Das Ende der Bescheidenheit ... / Bericht von der Buko

Was ist der Buko? Bis zum vorigen Jahr hieß Buko noch Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen und war vor allem ein Kongress der Dritte Welt-/Eine Welt-Gruppen. Letztes Jahr hat sich der Buko bemüht ein breites Spektrum anzusprechen. Auf der Buko 25 in Frankfurt ging es um Globalisierung, mit großen Debatten über Attac etc., vielen prominenten ReferentInnen und außergewöhnlich vielen TeilnehmerInnen (vielleicht 700). Dieses Jahr gings weiter mit der Öffnung. Der Buko wurde gemeinsam mit dem Crossover-Zusammenhang, dem Antipatriarchalen Netz Berlin und dem Bündnis Krieg ist Frieden durchgeführt. Ca. 300 Leute trafen sich in der Hochschule Bremen (aus Widerhaken 2/1).

Ende Mai fand in Kassel der 27 Jahreskongress der Bundeskoordination Internationalismus (Buko) statt.

Eine solche Kontinuität ist leider selten in der Linken und trotz fast einem drittel Jahrhundert wirkte die Buko dieses Jahr frisch, lebendig und durchaus auf Augenhöhe mit den globalen Entwicklungen. Dazu kam eine entspannte Stimmung, in der nicht die identitätsbildende Abgrenzung der eigenen politischen Strömung von dem Rest der Linken das Entscheidende war, sondern das suchen nach gemeinsamen Handlungs-Perspektiven und eine reflektierte, solidarische gegenseitige Kritik.

Das Motto "Ende der Bescheidenheit" wurde präzisiert mit den Begriffen "Neoliberalismus, Alltag, Widerstand". Der zunehmende globale Protest und Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse sollte im Blickpunkt stehen. "Auf der diesjährigen Buko soll zunächst die Frage aufgeworfen werden, wo das neoliberal-militaristische Projekt des globalisierten Kapitalismus brüchig wird - und wo praktische Kritik eher der Modernisierung von Herrschaft dient, ohne die gesellschaftsverändernden Potentiale auszuschöpfen" heißt es im Aufruf ... Das Angebot reichte von der gewöhnlichen Podiumsdiskussion, über verschiedene Foren, bis zu Workshops und AGs, die mal mehr, mal weniger auf Eigenbeteiligung der Teilnehmerinnen setzten.

Nicht zu vergessen ist natürlich der praktische Teil am Samstag.

Los gings mit dem Thema "Neoliberalismus am Ende?". Da ich leider nicht mitgeschrieben habe, muss ich alles in eigenen Worten wiedergeben. Einer von Attac Schweiz bezeichnete den Neoliberalismus als Kapitalistische Enteignungsökonomie und versuchte seine These damit zu untermauern, dass viele Bereiche, die früher nur institutionell kapitalisiert waren, jetzt richtig kapitalisiert, also marktgesteuert werden (Privatisierung) und dadurch die Lebensgrundlage der Menschen gefährdet wird (Wasser, Strom). Nach dem er noch mal alle Bewegungen des letzten Jahres runtergezählt hatte (Anti-Krieg; Anti-Sozialabbau; Studis; Weltsozialforum, Eurosozialforum ... ), stellte er fest, dass 2003 ein gutes Jahr für die Bewegung gegen den Neoliberalismus war. Warum also rummeckern, es geht schließlich aufwärts, habe ich mir gedacht.

Ein älterer Herr auf dem Podium (wilde Sponti-Zeit, wurde gesagt) von linksnetz konnte, Gott sei Dank, gewisse Irrungen des Attacis aufzeigen. Kapitalismus heute, muss nicht "neoliberal" aussehen, siehe die protektionistische Wirtschaftspolitik der USA und andere Staaten, die es sich leisten können.

Nur weil der Staat ein paar Wasserwerke verscheuert, also sich nicht mehr für die Grundbedürfnisse "seiner" Bürgerinnen verantwortlich fühlt, zieht sich Staatlichkeit deswegen noch lange nicht zurück, sondern formiert sich in einer repressiveren Art und Weise neu. Auch erblickte er das Ende des Neoliberalismus nicht, wie sein Vorredner, in den DGB- und Antikriegs Demos des letzten Jahres, sondern eher auf einer ideologischen Ebene. Die Glücksversprechen des neoliberalen Projekts haben ihre Glaubwürdigkeit verloren. Die wenigsten glauben noch, dass es ihnen durch Börsenboom, Biester-Rente und neue Beschäftigungsformen besser gehen wird, sie hoffen einfach, dass es nicht schlechter wird ... An eine Alternative glaubt deswegen trotzdem keiner.

Die beiden Referentinnen, die noch auf dem Podium waren, erzählten auch interessante Sachen, die ich aber heute nicht mehr richtig wiedergeben kann (Müdigkeit, Konzentrationsschwund), also informiert euch selber. Es lohnt sich. Eine war von "Focus an the global south" aus Bangkok und sagte etwas u.a. zum Konkurrenzverhältnis der armen und reichen Staaten und das sich dadurch bestimmt nicht das Rezept des Kuchens ändern wird. Katharina Pühl versucht den Neoliberalismus als komplexes Zusammenspiel von Herrschaftspraktiken oder so zu analysieren. War auf jeden Fall der spannendste Vortrag, aber auch der komplizierteste, sollte mir mal einen Text von ihr durchlesen.

Am nächsten Tag ging es erst mal los mit den vielen AGs und es war nicht leicht sich für eine zu entscheiden. Außerdem erstaunt die Pünktlichkeit auf der Buko, so dass es gar nicht soo einfach war, überhaupt noch etwas von den Workshops mit zu bekommen. Die Themenpalette war breit und so konnte mensch sich aussuchen, ob er im Laufe der nächsten Tage über revolutionäre Perspektiven beim Kampf gegen den Sozialabbau diskutiert, seinen Blick lieber auf Bewegungen überall in der Welt richtet, an seinem geschlechtlichem Habitus rumdekonstruiert, yomango-Klautaschen bastelt oder einfach im Spülmobil sinnvoll arbeitet und auf den idyllischen Grünflächen der Uni Kassel rumhängt.

Am Samstag gabs dann noch mal etwas Abwechslung. "Buko goss Downtown" hieß der aktionistische Teil in dem sich verschiedene Kampagnen aus dem Buko-Kreis Richtung Innenstadt aufmachten.

Strassentheater, Infostände, kritischer Stadtrundgang, alles ganz nett, aber nichts neues. Gut, das dieses Jahr die Umsonst-Kampagnen aus Berlin, Hamburg, Dresden und anderswo bei der Buko mitmachten. Diese bereiteten ein paar symbolische Aktionen vor. Eine Bahn wird mit den Slogans der Kampagne bekleistert und fährt dann den ganzen Tag durch die Stadt. Die Aktion "Ich fahr pink!" wird vorgestellt und eine Modenschau mit Klaugegenständen aufgeführt. Alles kommt relativ gut an bei den Bürgerinnen (viele zeigen zumindest Interesse). Ermuntert von Sonnenschein und frischer Luft, entsteht eine spontane Dynamik unter den bis zu 300 Leuten. 150 Leute verschaffen sich freien Eintritt zu einem der zahlreichen und teuren Museen Kassels, da die Ausstellung aber nicht sooo prickelnd ist, geht's über die Kaffeebar des Museums wieder auf die Hauptkonsumstraße. Dort beschließen dann ca. 50 bis hundert Menschen einen H & M zu besuchen und zumeist stillose Kleidung im Wert von 4000 Oiro an die Passantlnnen zu verteilen. Die Polizei wirkte etwas überfordert und so war ihre einzige Ausbeute zwei Personalien von Passantlnnen, die sich widerrechtlich H & M-Klotten angeeignet haben. Was diese Aktion jedoch für die nächste Buko im polizeistaatlich regierten Hamburg für Konsequenzen haben wird bleibt spannend.

Amüsant in diesem Zusammenhang ist der Polizeibericht aus Kassel, in dem die Schergen erklären, eigentlich alles ganz gut im Griff gehabt zu haben und die relativ positive Berichterstattung in der Kasseler Zeitung (gibt's alles auf -Indy).

Natürlich kann mensch nicht von der Buko27 berichten ohne einmal den Begriff "Aneignung" verwendet zu haben. Dieser wurde schon vorher u.a. in der arranca!, Jungei World und in der alaska diskutiert. Wenn ihr mehr wissen wollt, lohnt ein Blick in diese Zeitungen.


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