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Junge Linke Lippstadt , 01.06.2004 :

25. Juni: Demonstration gegen Antisemitismus in Bochum-Wattenscheid / NPD-Zentrale dichtmachen! / 18.00 Uhr: August-Bebel-Platz

"Ich bevorzuge Baseballschläger"

Am 26.06. wollen Neonazis aus NRW abermals gegen den Bau einer neuen Synagoge in Bochum demonstrieren. Ein erster Demonstrationsversuch am 13.03.2004 unter dem nahezu identischen Motto wurde ihnen gerichtlich untersagt. Dennoch - oder gerade deswegen - betrachten sie ihre antisemitische "Kampagne" als Erfolg, an den sie nun anknüpfen wollen.

Maßgeblich geplant wird auch diese Demonstration aus der Geschäftsstelle des NRW-Landesverbandes der NPD und deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN), in der Günnigfelderstraße in Bochum-Wattenscheid. Was jedoch von außen vielleicht harmlos erscheint ist einer der Hauptkristalisationspunkte der regionalen Naziszene. Der Landesverband der NPD arbeitet bei der Vorbereitung der Demo eng mit den so genannten "Freien Kameradschaften" zusammen. "Freie Kameradschaften" sind zumeist lokale, ihrem Verständnis nach parteiunabhänige und militante Zusammenschlüsse von Neonazis. Schon die erste Demonstration unterstützen nicht nur fast alle Kreisverbände der nordrhein-westfälischen NPD sondern auch Kameradschaften aus z.B. Dortmund, Hamm, Duisburg und auch Wattenscheid. Nicht unmaßgeblich für diese gute Zusammenarbeit verantwortlich ist der Wattenscheider Claus Cremer. Cremer ist nicht nur Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Wattenscheid, sondern auch zuständig für die "außerparteiliche Koordination" des Landesverbandes und neuerdings auch stellvertretender Landesvorsitzender. Er ist bei nahezu jedem Naziaufmarsch, egal ob von "Freien" oder NPD anwesend, oft auch als Redner.

Von Nazis und anderen Deutschen

Neonazis stellen nach wie vor eine Bedrohung für alle, die nicht in ihr völkisches Weltbild passen dar. Seit der deutschen "Wiedervereinigung" sind über 120 Menschen Opfer von rechtsextremer Gewalt geworden. Nach wie vor werden täglich Menschen von Neonazis beleidigt, angegriffen und verletzt und zwar auch und gerade im Ruhrgebiet. Ihr massiver Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus, ihr autoritäres, antiindividualistisches Weltbild drängt früher oder später zur gewalttätigen Eruption, da ihr Verfolgungswahn das Bedürfnis nach Vernichtung der imaginierten "Volksfeinde" bzw. derer, die sie für ihr Unglück verantwortlich machen notwendigerweise hervorbringt.

Die Idee der Volksgemeinschaft, die alle "Deutschen" aufgrund der gemeinsamen "Abstammung" zu einer "Schicksalsgemeinschaft" zusammenfassen will, erfreut sich allerdings auch weit über das offen nationalsozialistische Spektrum hinaus nach wie vor großer Beliebtheit. Z.B. wenn es darum geht, die in Deutschland lebenden Menschen aufgrund von biologistisch-rassistischen oder antisemitischen Definitionen in "echte Deutsche" und "Fremde" zu unterteilen. Die Leitkulturdebatte, die völkisch-rassistische "Doppelpassdebatte" und die von großen Teilen der Gesellschaft geteilten, wahnhaften antisemitischen Projektionen der Herren Möllemann, Walser oder Hohmann sprechen eine deutliche Sprache und sind quer durch alle politischen Milieus zu finden. So muss es also nicht verwundern, dass rechtsextreme Ideologien sich zunehmender Beliebtheit erfreuen.

Staat, Nation und Kapital

Antisemitismus und Rassismus sind genauso wie Volk und Nation logische Produkte der kapitalistischen Vergesellschaftung bzw. der Denkformen, die diese hervorbringt. Primär bedeutet kapitalistische Vergesellschaftung, dass der Staat die Individuen als freie und gleiche setzt, sie trotzdem aber seiner regelnden Funktion – dem mittels staatlichen Gewaltmonopols gesicherten innerstaatlichen Burgfrieden – und dem kapitalistischen Produktionsprozess unterwirft. So darf jeder mit dem ihm jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln für seine Ziele kämpfen und ist dabei doch den gleichen rechtlichen Bestimmungen unterworfen, welche alle akzeptieren müssen, um überhaupt ihre Ziele verwirklichen zu können. Im kapitalistischen Produktionsprozess wird diese abstrakte Gleichheit notwendigerweise zu konkreter Ungleichheit, da sich die Menschen zum einen mit ungleichen Mitteln und zum andern als KonkurrentInnen gegenübertreten.
Die so zugerichteten Subjekte mit ihrer strukturell erzwungenen "Schizophrenie" – sich also einerseits als formell mündige Staatsbürger gegeneinander auf dem freien Markt bewähren zu müssen und andererseits als unmündige, den Verhältnissen, die sie nicht verstehen, hilflos ausgelieferte und vereinzelte Privatsubjekte, denen der Zugang zu Glück und freier Entfaltung strukturell unmöglich gemacht wird – suchen nun nach einem Grund für ihr Unglück und einem Sündenbock für ihre Aggressionen und Affekte. Der Antisemitismus als wahnhafter Versuch, sich einerseits die unverstandenen gesellschaftlichen Verhältnisse zu erklären und andererseits alles Schlechte auf eine greifbare Personengruppe projizieren zu können erfüllt genau diese Funktion. So sind es traditionell Jüdinnen und Juden, die für gesellschaftliche Probleme und individuelles Scheitern verantwortlich gemacht werden.

Durch den Zusammenschluß zum nationalen Kollektiv, in dem die gesellschaftlichen Widersprüche und Ungleichheiten vermeintlich durch das Wirken des Staates gemindert oder wie im Konzept deutsche Volksgemeinschaft gleich ganz beseitigt scheinen, kann der schwache und damit autoritäre Einzelne an der starken Gemeinschaft Nation teilhaben. Diese so zustande gekommene nationale Ersatzidentität bedingt, um den eigenen gesellschaftlich ständig gekränkten Narzissmus zu befriedigen und sich zum höherwertigen Kollektiv zählen zu können, den Rassismus, also die Abwertung der vermeintlich minderwertigen "Anderen" und wiederum den Antisemitismus, durch den die autoritären Subjekte gegen den allmächtigen und allgegenwärtigen Feind nach innen und außen umso fester zusammenrücken. Der Rassismus in seiner aktuellen Variante kann allerdings durchaus auch ein eigentlich gegenteilig intendierter sein. So ist man sich heute allgemein einig im Ethnopluralismus, der die Gesellschaft biologisiert und die Welt zum menschlichen Zoo autochtoner Völker macht. Hier wird der einzelne Mensch zum bloßen Exemplar eines kulturellen und möglichst auch staatlichen Zwangskollektivs.

just one way out: "Zwei New Yorker Intellektuelle beim Small Talk während einer Party. Sagt der eine zum anderen: 'Du, ich habe letztens einen Essay geschrieben, gegen den Antisemitismus.' - 'So? Wie schön! Ich bevorzuge Baseballschläger'" (Woody Allen)

Neonazis bedürfen des praktischen Widerstandes, immer wenn sie sich in die Öffentlichkeit trauen, da sie eine konkrete Gefahr für alle, die nicht in ihr Weltbild passen, darstellen. Doch auch das stille Kämmerlein, in dem sie ihre Aktionen planen, wie eben die Günnigfelderstraße in Wattenscheid, muss ihnen streitig gemacht werden. Genau deshalb - nämlich um ihre trügerische Ruhe zu stören - wollen wir am 25.06.2004 den Damen und Herren einen Besuch abstatten!

Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus bedürfen, egal wie auch immer sie sich äußern, ebenfalls massiver Kritik. Eine wirkliche Kritik ist aber nur möglich, wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse, die diese Ideologien hervorbringen grundsätzlich analysiert und kritisiert werden. Wenn also Staat und Kapital, Volk und Nation, Wert und Tausch einer radikalen Kritik unterzogen werden. Nur die Überwindung der momentanen Verhältnisse mit dem Ziel " ... eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist" (K. Marx) zu errichten, macht Verhältnisse, die Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus und somit auch Neonazis hervorbringen, letztlich unmöglich.

NPD-Zentrale dichtmachen! Volk, Staat und Kapitalismus abschaffen!
Für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft!

Antifa-Demo: 25.06.2004 / 18.00 Uhr / Bochum-Wattenscheid / August-Bebel-Platz

Supported by: A2K2 (westl. ruhrgebiet), antifa(x) Recklinghausen, Antifa Iserlohn, Antifaschistische Aktion 13 (Pirna), Antifa Essen Z, antifajugend moers, Jugendantifa Essen, Jugendantifa Lippstadt, Junge Linke Lippstadt, KI Dortmund, Linke Liste (Ruhr-Uni Bochum), Offene Antifa Münster, Schwarze Katze AG Antifa (Hemer), Sinistra! (FfM)

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