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Neue Westfälische , 16.03.2009 :

"Bis hierher und nicht weiter" / Wie Bürger in der Senne gegen die Kampfdörfer kämpfen / Erinnerung an 1986

Von Matthias Bungeroth

Augustdorf. Ruhig liegt sie da, die schmucke Wohnsiedlung am Rande der Senne. Doch hinter den bürgerlichen Fassaden brodelt es. "Die Leute sind unruhig", beschreibt Apotheker Reinhard Balke die Stimmung in der 10.000-Einwohner-Gemeinde Augustdorf. Balke ist Vorsitzender der örtlichen Bürgerinitiative, die sich gegen den Bau der geplanten Kampfdörfer auf dem Truppenübungsplatz in der Senne wendet. Das umstrittene Bauprojekt treibt die Bürger vor Ort auf die Barrikaden.

Als "unverschämt" bezeichnen einige von ihnen die Absicht der britischen Streitkräfte, eines der geplanten sechs Kampfdörfer auf einem Areal zu errichten, das nur etwa 800 Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt liegt. Das naturbelassene Gelände mit dem Namen Augusta ist nicht zum ersten Mal Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Bereits 1986 plante das britische Militär genau da den Bau eines großen Kampfdorfs. Es sollte den dort übenden Streitkräften helfen, sich auf die militärischen Einsätze im damaligen Nordirland-Konflikt vorzubereiten.

Die Bedenken gegen eine solche Einrichtung, die jetzt als Trainingseinrichtung für die Militäreinsätze in Afghanistan gedacht ist, sind damals wie heute die gleichen. Die Bürger befürchten eine Zunahme des Lärms, mehr Fahrzeug- und Flugbewegungen und eine Ausweitung des Übungsbetriebs. Dazu längere Sperrzeiten der durch die Senne führenden, sonst auch öffentlich nutzbaren Straßen.

"Wir sind lärmgeschädigt genug. Wenn die für Afghanistan üben wollen, sollen die auf die Insel gehen", sagt Dieter Schultz, Mitglied der Bürgerinitiative gegen Kampfdörfer, stellvertretend für viele. Die Gutachten, die von britischer Seite in Auftrag gegeben worden sind und dem Vorhaben in Sachen Lärm- und Umweltschutz weitgehende Unbedenklichkeit bescheinigen, lösen in Augustdorf harsche Kritik aus. "Ich kenne beide Gutachten. Es ist eine Beleidigung für jeden normal denkenden Menschen, der Bevölkerung solche Expertisen glaubhaft machen zu wollen", sagt der Augustdorfer Klaus Mai. Schon die Panzergeräusche, die die Anwohner derzeit, oft auch nachts, erdulden müssten, reichten völlig aus.

Für den Fall des Baus der sechs Kampfdörfer inklusive der Einrichtung auf dem Augusta-Areal rechnen die Augustdorfer künftig mit einer doppelt so hohen Lärmbelastung in der Nachbarschaft. Auch der Gestank, der durch die Übungstätigkeit schon jetzt durch Abgase der Fahrzeuge oder als Folge der Schießtätigkeit entstehe, sei beträchtlich. "Wenn man aus der Tür kommt, dann stinkt es. Es wird einem ganz schnell elend dabei", beschreibt Herbert Lilge diese Situationen. Hinzu kommt aus Sicht der Bürger ein weiterer Faktor. "Die Gemeinde ist permanenten Gefahren ausgesetzt", sagt Klaus Mai voraus, wenn die Kampfdörfer Realität werden. "Wir machen uns zur Zielscheibe der Islamisten", fügt er hinzu.

"Bis hierher und nicht weiter" ist deshalb das Signal, das die Bürgerinitiative aus Augustdorf an die britischen Streitkräfte schickt. "Wir sind der Meinung, dass es keine Kampfdörfer in der Senne geben darf", so Reinhard Balke. Er hat schon 1986 den Protest entscheidend mitgeführt. Eine Erfahrung, die den Augustdorfern heute zugute kommt, ist er sicher. Ein von drei Bürgern angestrengtes Verwaltungsgerichtsverfahren trug seinerzeit entscheidend dazu bei, das Projekt damals zu stoppen. Derzeit werde von einem Rechtsanwaltsbüro geprüft, welcher juristische Weg heute besonders erfolgversprechend sei, um den Bau der Kampfdörfer zu verhindern.

Denkbar sei etwa eine Klage von Bürgern gegen die Umweltgutachten oder eine Klage betroffener Kommunen gegen das Kenntnisgabeverfahren, nach dem das Projekt abgewickelt werde. Dieses Verfahren schließt eine aktive Beteiligung der Kommunen weitgehend aus. Die Bürgermeister der Anrainergemeinden Augustdorf, Schlangen und Bad Lippspringe hatten hiergegen, wie berichtet, ernste Bedenken angemeldet.

Diese Kommunen gingen deshalb in dem Verfahren voran, sagt Balke. Es sei eine breite Solidarität im Protest gegen die Kampfdörfer in der Region festzustellen, so der Vorsitzende der Initiative. Man sei deshalb zuversichtlich, den Kampf erneut zu gewinnen. Grundsätzliche Anfeindungen gegen die Bürgerbewegung sieht Balke gelassen. Auch 1986 habe es geheißen, mit dem Einsatz gegen das Kampfdorf sorge man dafür, dass sich die Bundeswehr aus Augustdorf zurückziehe. "Heute ist Augustdorf der größte Bundeswehrstandort in Deutschland."

Klönne: Längerfristige zivile Perspektive finden

Der Paderborner Soziologe Arno Klönne sagte im Gespräch mit dieser Zeitung: "Es müsste ein Einstieg in den Ausstieg der militärischen Nutzung der Senne gefunden werden." Der von den britischen Streitkräften geplante Bau der Kampfdörfer sei "eingestellt auf eine bestimmte Art der Kriegsführung". Doch was den internationalen militärischen Einsatz in Afghanistan angehe, sei, wie bereits im Irak, schon ein Umdenken festzustellen. "Es muss eine längerfristige zivile Perspektive für das Gebiet geben", fordert der Soziologe und nennt als Beispiel sanften Tourismus. Das Kenntnisgabeverfahren, nachdem die Kampfdörfer geplant werden, ist nach Klönnes Meinung zudem "hoch problematisch".

Bildunterschrift: Bei Wind und Wetter: Im Protest gegen die Kampfdörfer sind sich viele Augustdorfer einig, wie hier an einem Schlagbaum auf dem Truppenübungsplatz. Rechts vom Schild "P 34": Reinhard Balke, Vorsitzender der örtlichen Bürgerinitiative.


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