Mindener Tageblatt ,
28.05.2004 :
Fackel des Widerstands weitergeben / Ausstellung "Aufstand des Gewissens": Lehrerfortbildung läutet Vortragsreihe zum 20. Juli ein
Von Jürgen Langenkämper
Minden (mt). Der 20. Juli 1944 ist nicht einfach nur ein historisches Datum. Das Attentat auf Hitler und der militärische Widerstand gegen die Nationalsozialisten bieten auch heute noch Anlass für Diskussionen. Das zeigt eine Veranstaltung im Vorfeld der Ausstellung "Aufstand des Gewissens".
Die Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik hat die Wanderausstellung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes aus Anlass des 60. Jahrestags des Attentatsversuchs nach Minden geholt, wo sie vom 27. Juni bis 21. Juli im Preußen-Museum gezeigt wird. Gestern und heute bereiten sich mehr als zwei Dutzend Geschichtslehrer aus den Kreisen Minden-Lübbecke und Schaumburg auf einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung geförderten Fortbildung auf den Besuch der Ausstellung mit ihren Klassen vor.
"Wir, die ältere Generation, leisten Widerstand aus Überzeugung, aber wir haben auch die Verpflichtung, diese Fackel an die jüngere Generation weiterzugeben", verdeutlichte Sektionsleiter Oberst a. D. Klaus Suchland, durchdrungen vom Vorbildcharakter der Männer um Claus Graf Schenck von Stauffenberg für die Tradition der Bundeswehr, die Motivation der GfW, die Ausstellung einem großen Publikum zugänglich zu machen. Dazu dienen neben der reinen Ausstellung selbst eine Vortragsreihe mit prominenten Referenten im Preußen-Museum und in der Heeresfliegerwaffenschule, eine Filmreihe in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule, eine Lesung in der Stadtkirche Bückeburg mit Texten von Widerstandskämpfern und verschiedene Projekte von Mindener und Bückeburger Schülern.
Als Erster von sechs Referenten stellte gestern Dr. Thomas Vogel die Konzeption der Ausstellung vor. Mit der Überarbeitung der vor 20 Jahren initiierten Schau war der Oberstleutnant als Mitarbeiter des MGFA Potsdam beauftragt.
Ursprünglich als Teil der politischen Bildung der Streitkräfte gedacht, ist es Ziel, das vielgestaltige und anspruchsvolle Thema so kompakt darzustellen, dass es auch der Grundwehrdienstleistende mit Hauptschulabschluss versteht und auch der Absolvent eines Leistungskurses Geschichte oder studierter Historiker interessant findet. In den verschiedenen Städten, in denen der "Aufstand des Gewissens" bisher außerhalb von Kasernen in der Öffentlichkeit gezeigt worden ist, habe es eine erfreulich große Resonanz bei weiterführenden Schulen gegeben, aber auch die Kriegsgeneration sei unter den Besuchern stark repräsentiert gewesen.
In der Diskussion brachten etliche der teilnehmenden Geschichtslehrer die Eignung des militärischen Widerstands und des 20. Juli als Traditionswurzeln der demokratischen Bundesrepublik kritisch zur Sprache (siehe auch Artikel unten). Auch heutigen Schülern sei der zivile Widerstand der Geschwister Scholl eher zu vermitteln als die Militäropposition, deren gesellschaftliche Ideale zum Teil im Kaiserreich verwurzelt und ständestaatlich geprägt seien.
Die Ausstellung selbst gliedert sich nach der Neukonzeption durch das MGFA in sechs Themengruppen mit mehr als 50 Schautafeln. Je zwei bilden ein Modul, so Vogel. Die erste Themengruppe befasst sich einleitend mit der NS-Diktatur. Die zweite ist Anfängen des militärischen Widerstands, verbunden mit ersten Staatsstreichplanungen, vor allem 1938, gewidmet.
Der militärische Widerstand im Krieg wird umfangreich in der dritten Themengruppe behandelt. Geschildert werden dabei auch Schlüsselerlebnisse und persönliches Erleben im Krieg. In der Neufassung wird dabei stärkeres Gewicht gelegt auf individuellen Widerstand anhand einiger ausgewählter Beispiele vom Deserteur aus eigenem Erleben und mit politischer Motivation über den prinzipiellen Wehrdienstverweigerer bis zum Divisionskommandeur, der sich gegen Versuche der SS, die ansässige jüdische Bevölkerung zu terrorisieren, zur Wehr setzt und seines Amtes enthoben wird.
Der 20. Juli 1944 und die Ereignisse am folgenden Tag werden in der vierten Themengruppe sehr ausführlich dargestellt. Gemeinsam mit Widerstand der letzten Stunde, etwa durch Stadtkommandanten, die die Zerstörung ihrer Stadt verweigerten und sie weitgehend kampflos beim Vormarsch der Alliierten übergaben, bildetete dies früher den Abschluss der Ausstellung.
Neu hinzugekommen sind durch die Neukonzeption die Themengruppen "Das Schicksal der Verschwörer und ihrer Angehörigen" und "Das Vermächtnis des Widerstandes". Dokumentiert werden neben der Ermordung der Widerständler und ihrer Aburteilung in Schauprozessen des Volksgerichtshofs die Internierung von Kindern in Lagern. Die abschließende Themengruppe befasst sich mit der unterschiedlichen Rezeptionsgeschichte des militärischen Widerstands und des 20. Juli in Ost- und Westdeutschland. Im Rahmen der politischen Bildung der Bundeswehr bietet dies auch die Möglichkeit die Brücke zu schlagen in die Gegenwart, so Vogel.
Bedauerlicherweise gibt es zu der Ausstellung noch keine didaktischen Handreichungen, die Lehrer zur Vorbereitung von Klassenbesuchen nutzen könnten. Eine CD-Rom für den internen Dienstgebrauch für Kompanieführer sei in Vorbereitung, erkannte Vogel den Nachholbedarf an, musste aber auf das kommende Jahr vertrösten. Ob dieses Informationsmaterial allgemein in den Buchhandel komme, hänge davon ab, ob sich ein Verlag für eine weitere Verbreitung interessiert.
Weitere Informationen unter: www.gfw-de.de und www.preussenmuseum.de
mt@mt-online.de
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