Lippische Landes-Zeitung ,
28.05.2004 :
Afrora sitzt vorne / Bei Duldung kein Führerschein: Wie die LZ einer 19-Jährigen trotzdem hinters Steuer half
Von Silke Buhrmester
Blomberg. Wie sie ihren Führerschein bezahlen soll, weiß Afrora Bajaj noch gar nicht so genau. Doch momentan ist die finanzielle Frage in den Hintergrund gerückt. Vorne sitzt Afrora. Im wahrsten Sinne: Die 19-Jährige darf heute zum ersten Mal hinters Steuer. Seit ihrem 18. Geburtstag träumte die junge Frau davon, den Führerschein zu machen. Längst war der Traum für sie geplatzt wie eine Seifenblase. Doch jetzt klappts doch noch mit der Fahrerlaubnis - die LZ half ein bisschen nach.
"Als der Fahrlehrer meine Duldungspapiere sah, hat er sofort abgewunken", erzählte Afrora der Redaktion. Gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern war das Mädchen vor vielen Jahren aus dem Kosovo gekommen und hatte in Deutschland Asyl beantragt. Der Antrag wurde abgelehnt, doch wird die Familie, die zu den Ashkali gehört, bis zu ihrer Abschiebung in Deutschland geduldet.
Warum sie also keinen Führerschein machen durfte, konnte die junge Frau nicht verstehen - erst recht nicht, weil ihr Bruder vor geraumer Zeit ebenfalls die Lizenz erworben hatte. Und an den Kosten sollte es auch nicht scheitern: der Vater, der als Gebäudereiniger in Bad Salzuflen arbeitet, hatte sich bereit erklärt, die Tochter bei ihrem größten Wunsch finanziell zu unterstützen.
Die LZ klemmte sich hinter den Fall und fragte beim Straßenverkehrsamt nach. "In Deutschland werden nur Personen zur Führerscheinprüfung zugelassen, die einen amtlichen Nachweis über den Ort und Tag ihrer Geburt beibringen können", erläuterte Amtsleiter Wolfgang Herold. Um die Identität zu klären, bedürfe es eines Personalausweises oder Reisepasses. Duldungspapiere erkennen die Behörden nicht an: "Die Daten darin basieren ja häufig lediglich auf den Angaben der Betroffenen", hieß es auf Anfrage aus der Ausländerbehörde. Klar, dass ein solches Papier dann nicht als amtliches Dokument gewertet werden kann.
Afrora hingegen hatte Glück: Denn ihr Reisepass existiert, fein säuberlich verwahrt im Kreishaus. Die Ausländerbehörde händigte dem Mädchen nach der Intervention der LZ schließlich eine Kopie des Dokumentes aus. Und die reichte dem Straßenverkehrsamt, um ihr die Zulassung zur praktischen und theoretischen Führerscheinprüfung zuzusichern - trotz drohender Abschiebung.
"Uns kommt es nämlich nicht darauf an, wie lange die Aufenthaltsgenehmigung gültig ist", sagt Herold. Das könnte höchstens den Fahrlehrer interessieren, der im Falle einer kurzfristigen Abschiebung eine Schülerin weniger hätte. Doch damit er nicht auf unbezahlten Fahrstunden sitzen bleibt, hat er schon eine Lösung gefunden: "Dann wird eben Vorkasse geleistet."
Afrora sollte ihren Führerschein aber lange bevor sie ins Kosovo zurückkehren muss in den Händen halten. Zwei Monate wird die Ausbildung etwa dauern, schätzt der Fahrlehrer. Die Duldung der Familie Bajaj, die im Kosovo zu den ethnischen Minderheiten zählt, wurde nach den jüngsten Unruhen gerade wieder bis Oktober verlängert. Und irgendwie hoffen alle Familienmitglieder, auch nach Oktober in Deutschland bleiben zu können - möglichst dauerhaft. Afrora vielleicht mit eigenem Job. Das ist ihr nächster Wunsch, der unerfüllbar scheint.
Blomberg@lz-online.de
|