Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt ,
13.03.2009 :
Sätze, die man niemals vergisst / Hilarius Simons (82) erzählt von seiner Jugend während der NS-Zeit
Von Burgit Hörttrich und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Diese Sätze, von Nachbarn ausgesprochen, hat Hilarius Simons immer noch im Ohr: "Ein Hitlerjunge geht doch nicht in die Kirche" und "Ein deutscher Junge spielt nicht mit Judenkindern".
Simons, 1927 geboren, aufgewachsen in einem regimekritischen Elternhaus, erzählte gestern im Historischen Museum in der Reihe "Erlebte Geschichte" von seiner Kindheit und Jugend in der NS-Zeit. Weil diese erste Veranstaltung so schnell ausverkauft war, wird sie am 19. März um 15 Uhr wiederholt.
Simons, von seinen Eltern im Frühjahr 1946 bei der neuen christlichen Volkspartei, der CDU, angemeldet und seitdem Mitglied, wuchs im Haus Detmolder Straße 129/130 auf: "Wir zogen 1930 in den Neubau ein - ein Doppelhaus mit insgesamt zwölf Wohnungen." Auch jüdische Familien wohnten dort. Hilarius Simons: "Die Kinder waren natürlich meine Spielkameraden." Seine Eltern Josephine und Leo Simons hätten ihn und seine um ein Jahr jüngere Schwester schon früh in - familieninterne - politische Diskussionen mit einbezogen. Simons: "Wir wurden aber immer ermahnt, ja den Mund zu halten." Und das ist auch ein Satz, den er niemals vergessen hat: "Pass auf, sonst kommst du ins KZ."
Vor allem seine Mutter sei "eine mutige Frau" gewesen, sagt Simons. Als er und seine Klassenkameraden aus dem Ratsgymnasium 1944 als Flakhelfer eingezogen werden sollten, habe seine Mutter sich dagegen gewehrt. Allerdings vergebens. Hilarius Simons wurde als Luftwaffenhelfer in Bielefeld und im Ruhrgebiet eingesetzt. Auch, nachdem schon jüdische Familien aus der Nachbarschaft deportiert worden seien, habe ihn seine Mutter immer ermutigt, den Kontakt mit seinen jüdischen Freunden nicht abreißen zu lassen.
Sein Vater habe, in Belgien stationiert, in Briefen über Gerichtsverhandlungen dort berichtet. Hilarius Simons: "Insofern passen meine Erinnerungen auch gut zur aktuellen Ausstellung 'Was damals Recht war ... Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht."
Mitgebracht hat er eine Zeichnung, die ihn 1944 zeigt. An die Entstehungsgeschichte erinnert er sich genau: "Ein russischer Fremdarbeiter hat sie angefertigt - gegen ein Kommissbrot."
Nach Kriegsende absolvierte Simons kaufmännische und chemisch-technische Ausbildungen, studierte Volkswirtschaft. Als erfolgreicher Vielseitigkeitsreiter war er viele Jahre lang Equipe-Chef der deutschen Olympiamannschaft.
Wer am Donnerstag, 19. März, an der "Erlebten Geschichte" teilhaben möchte, kann sich anmelden unter Telefon 0521/51-36 30 oder -36 35. Im Eintrittspreis sind Kaffee und Kuchen enthalten.
Bildunterschrift: 1944 zeichnete ein Russe den jungen Hilarius Simons.
Bildunterschrift: 1944 wurde Hilarius Simons noch als Flakhelfer eingezogen.
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