Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische ,
03.03.2009 :
"Das waren anständige Leute" / Gunter Demnig verlegte Stolpersteine für Nazi-Opfer in Brönninghausen und Brackwede
Von Frank Bell
Brönninghausen/Brackwede. Irmgard Horstbrink tupfte sich ein paar Tränen der Rührung ab. Die Schwiegertochter der von den Nazis 1943 hingerichteten Friederike und Gustav Horstbrink verfolgte gestern, wie Gunter Demnig weitere Stolpersteine für Menschen pflasterte, die dem Nazi-Terror zum Opfer gefallen waren.
"Ich finde das sehr gut, dass diese Steine an die Menschen erinnern. Mein Mann Gustav war zehn Jahre alt, als seine Eltern hingerichtet wurden. Das war sehr hart für die Kinder. Die Größten wurden Soldaten, kamen an die Front, dazu waren sie gut. Martin, der Älteste kam aus Russland nicht zurück", berichtete Horstbrink, deren Ehemann Gustav 1996 im Alter von 62 Jahren gestorben war. Demnig verlegte zwei weitere Stolpersteine für Lina und August Beckmann.
Gerd Pottmann, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Heepen, hatte mit seinem Stellvertreter Paul-Gerhard Minner und Werner Maluk, dem Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins Altenhagen, 14 Namen von Opfern des NS-Terrors aus Heepen, Brönninghausen, Altenhagen, Baumheide, Milse und Oldentrup ermittelt. Für zunächst neun von ihnen wird es Stolpersteine geben.
Pottmann dankte Demnig für seinen Einsatz und sein Engagement. Er berichtete, dass die acht Kinder von Horstbrinks und die drei von Beckmanns nach der Hinrichtung der Eltern auf Familien in der Nachbarschaft verteilt wurden. Er zitierte die Westfälische Zeitung vom 6. November 1943. Darin heißt es unter der Überschrift "Tod den Verrätern": "Am 1. und 2. November 1943 sind der 52jährige August Beckmann, seine 49jährige Ehefrau Lina Beckmann, der 54jährige Gustav Horstbrink und dessen 47jährige Ehefrau Frieda Horstbrink, sämtlich aus Brönninghausen bei Bielefeld, die der Volksgerichtshof wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung zum Tode verurteilt hat, hingerichtet worden. Die Verurteilten haben sich seit der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus zu einer kommunistischen Zelle zusammengeschlossen und noch bis Ende 1942 in regelmäßigen Zusammenkünften zu Schulungen und zum Abhören von Feindsendern den kommunistischen Hochverrat vorbereitet."
Für Eva Hartog ist klar: "Das waren anständige Leute. Wir wollen alle Nazi-Opfer rehabilitieren." Sie empfindet es als unglaublich, dass diese Menschen nach dem Krieg immer noch mit Schmutz beworfen worden seien nach dem Motto "Es wird schon was dran gewesen sein."
In Brackwede verlegte Demnig anschließend Stolpersteine für die Eheleute Wisbrun.
18.500 Steine verlegt
Der Künstler Gunter Demnig verlegte im Januar 2003 die ersten Stolpersteine. Er erinnert mit seiner Aktion an die Opfer der NS-Zeit (Bürger jüdischen Glaubens, politisch und religiös Verfolgte, Sinti, Roma und Homosexuelle), indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Initiativen wie die von Eva Hartog und Christiane Biermann unterstützen ihn dabei vor Ort. Inzwischen sind in 490 Kommunen 18.500 Steine verlegt.
Bildunterschrift: An der Bushaltestelle Niewaldstraße: Pastor Hansheinrich Bock, Horstbrink-Schwiegertochter Irmgard, Eva Hartog, Bezirksvorsteher Andreas Rüther, Reinhard Kindsgrab, Christiane Biermann, Werner Maluk und Egon Bökhaus (die Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins Altenhagen; v.l.) beobachten Gunther Demnig (mit Hut) beim Einsetzen der Steine mit Namensgravur in Messing,
Bildunterschrift: Erinnerung: 10 mal 10 Zentimeter groß sind die Messingschilder.
Bildunterschrift: Deportiert: Moritz und Matilde Wisbrun hatten das Kaufhaus von Herz Wisbrun an der Hauptstraße 47 in Brackwede. 1942 kamen sie ins KZ Theresienstadt. Tochter Käthe Friedländer führte das Geschäft weiter.
Bildunterschrift: Steine an der Hauptstraße: Mit Gunter Demnig verlegen Franziska Schulte, Yara Fischer und Anna Dockweiler von der Laborschule (v.l.) die Steine. Gesa Deppmeier (r.) streut Blumen darauf.
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