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Bielefelder Zeitung / Westfalen-Blatt , 03.03.2009 :

Steine erinnern an traurige Schicksale / Künstler Gunther Demnig setzt mit besonderen Mahnmalen im Trottoir neue Zeichen

Von Volker Zeiger und Hans-Werner Büscher (Fotos)

Altenhagen (WB). Erinnern und mahnen: Im Gedenken an Opfer der NS-Diktatur von 1939 bis 1940 haben die Heimatvereine Heepen und Altenhagen und eine Privatinitiative gestern Stolpersteine verlegen lassen.

Vier dieser zehn mal zehn Zentimeter großen Steine setzte Künstler Gunther Demnig gestern am Kusenweg neben der Haltestelle Niederfeld höchstpersönlich ein. Auf seine Idee gehen die Steine, die auf einer Messingplatte die Namen der Opfer tragen, zurück.

Der Heeper Heimat- und Geschichtsverein hatte, wie der Vorsitzende Gerd Pottmann an Ort und Stelle hinwies, seit dem Jahr 2006 recherchiert und stellte eine Liste von 14 Personen aus Heepen zusammen, die während der NS-Zeit von Nazis ermordet wurden.

Am Kusenweg waren das die Eheleute Beckmann und die Eheleute Horstbrink. Die Eheleute Beckmann hatten laut Pottmann drei Kinder, alle drei waren Soldaten und fielen während des Zweiten Weltkrieges. Die Eheleute wurden zeitgleich mit dem Ehepaar Horstbrink, die gegenüber wohnten und acht Kinder hinterließen, abgeholt und zum Tode verurteilt. Die Kinder wurden bei Nachbarn untergebracht. Der jüngste Sohn (16), kam zu einer Familie nach Heepen und starb nach einem Bombenangriff. Sohn Gustav ließ sich in Leopoldshöhe nieder.

Dessen Ehefrau Irmgard Horstbrink war jetzt bei der Stolpersteinverlegung zugegen. "Ich finde dies sehr gut", sagte sie gestern. "Meine Schwiegereltern und die anderen haben es verdient, dass an sie erinnert wird." Eva Hartog und Dr. Christina Biermann, die beide die Stolpersteinaktion zusammen mit Künstler Gunther Demnig koordinierten, hatten ein Dutzend Laborschüler mit nach Brönninghausen gebracht. Die Schüler, die aus verschiedenen Klassen kamen, legten Schneeglöckchen neben den Steinen nieder. Eine halbe Stunde später nahmen sie an der Stolpersteinverlegung an der Brackweder Hauptstraße teil. Hier wird an Mathilde Wisbrun erinnert, die zusammen mit Moritz Wisbrun am 31. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde. Was noch fehlt, das sind so genannte Paten, die die Messingplatten mit den eingravierten Namen der Ermordeten künftig sauberhalten. "Wir wollen noch welche organisieren", kündigte Dr. Christine Biermann an. Der Heimat- und Geschichtsverein Heepen wird seine Sammlung von 345 Einträgen über Menschen, die eines gewaltsamen Todes starben, in dem "Vitrinenbuch" von 1973 erweitern.

"499 Nachträge aus Heepen, Altenhagen, Oldenturp, Baumheide und Milse haben wir", wies Gerd Pottmann hin. Dazu gehören auch 14 Opfer von NS-Gewalttaten. Das Buch liegt in der Peter und Paul-Kirche.

Die Opfer

Die jetzt verlegten Stolpersteine erinnern an Frieda Horstbrink, geborene Plauel, die 1896 in Altenhagen geboren wurde. Die Ehefrau von Gustav Horstbrink, wohnhaft in Brönninghausen 11 (heute Kusenweg) war vom Volksgerichtshof wegen der "Vorbereitung zum Hochverrat" zum Tode verurteilt und am 2. November 1943 in Berlin hingerichtet worden. Ihr Ehemann Gustav Horstbrink, geboren 1889 in Lockhausen und von Beruf Bauarbeiter, soll der KP nahegestanden haben. Er war vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 1. November 1943 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet worden.

August Beckmann, geboren 1890 in Brüggen, wohnte mit seiner Ehefrau Lina in Brönninghausen 34 (heute Kusenweg 165) und wurde am 1. November 1943 in Berlin wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" und Feinsenderabhörung hingerichtet. Seine Frau Lina wurde am 2. November 1943 in Berlin wegen der gleichen Anschuldigungen hingerichtet.

Es werden noch mehr Stolpersteine verlegt

Außer den Stolpersteinen, die den Ehepaaren Beckmann und Horstbrink in Heepen gewidmet sind, wird innerhalb der nächsten Wochen an den gewaltsamen Tod dieser Mitbürger erinnert:

Otto Giesselmann, *1904 Bielefeld, am 22.9.1944 in Dortmund hingerichtet, Metallschleifer, Funktionär der KPD, Hochverratsanklage; Mellerstraße 27;
Wilhelm Ebert, *1897 Wanne-Eikel; 21.2.1945, im KZ Mauthausen ermordet; KPD; Verfahren wegen Hochverrates; Bleichstraße 205 b;
Albert Gödde, * 1900 Bielefeld; am 22.1.1943 in Auschwitz ermordet; KPD; Rundfunkverbrechen, Hochverrat; Friedrichstraße 35;
Gustav Milse, * 1885 Altenhagen, am 22.9.1944 in Dortmund hingerichtet, Metallarbeiter, KPD, DMU, Anklage wegen Hochverrats; Kammeratsheide 16;
Berhard Putjenter, *1888, am 15.9.1944 in Dortmund hingerichtet, Lagerist, KPD; Anklage wegen Hochverrats; Brandenburgerstraße 27;
Friedrich Wolgast, *31.7.1901 Herdecke, am 15.9.1944 in Dortmund hingerichtet, Galvaniseur, DMU, SPD-nah; Anklage wegen Hochverrats; Wittekindstraße 53.

Die Stolpersteine für sie werden Lehrlinge des Handwerkerbildungszentrums verlegen.

Seit gestern erinnern Stolpersteine außerdem an Hans Metz, *21.9.1875 in Minden und am 17.3.1943 ins Ghetto Theresienstadt deportiert, dort am 12.8.1943 verstorben und nicht vergast; Detmolderstraße 4;
Moritz Wisbrun, *19.1.1855 Steinhagen/Westf.; Matilde Wisbrun, geb. Tuteur, *27.11.1867 Bad Dürkheim; beide am 31.7.1942 nach Theresienstadt deportiert; Todesdatum unbekannt (1942/1943); Hauptstraße, Brackwede.

Im Mai 2005 hat Gunther Demnig die ersten zehn Steine auf Initiative von Eva Hartog und Dr. Christine Biermann verlegt. Erinnert wurde damals auch an Josefa Metz, deren Elternhaus an der Detmolder Straße 4 stand. Es folgten weitere Aktionen: Im März 2006 wurden drei Steine verlegt, am 17. August 2006 acht Steine, am 30. Oktober 2006 zehn, am 14. März 2007 sechs und am 14. November 2007 elf Steine. Bis Ende März 2009 werden es insgesamt 61 Stolpersteine sein.

Bildunterschrift: Auftakt der Stolpersteinaktion 2009 mit Gunther Demnig (vorne, Mitte) am Kusenweg. Mit dabei: Pfarrer Hans Heinrich Bock, Irmgard Horstbrink, Eva Hartog, Andreas Rüther, Hartwig Kindsgrab, Dr. Christine Biermann, Werner Maluk, Egon Bökhaus, Paul-Gerhard Minner, Gerd Pottmann, Werner Schmidt sowie Schüler der Laborschule. Insgesamt vier Stolpersteine sind neben der Haltestelle Niewaldstraße eingelassen.


bielefeld@westfalen-blatt.de

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