www.hiergeblieben.de

Antifa AG Universität Bielefeld , 20.05.2004 :

"Künstlerehepaare aus dem Umfeld der Debschitz-Schule" / Resumèe der abschließenden Diskussionsveranstaltung zur umstrittenen Ausstellung in der Uni-Bibliothek

Hintergrund

Am Mittwoch, dem 28.04.2004 fand im Ausstellungsbereich C1 der Universitätsbibliothek eine Diskussion zur umstrittenen Ausstellung "Künstlerehepaare aus dem Umfeld der Münchner Debschitz-Schule" statt, die vom Ausstellungskuratoren-Ehepaar Kambartel veranstaltet wurde. In der Ausstellung waren unter anderem Werke des Künstlers Walter von Ruckteschell zu sehen gewesen.

Ruckteschell schuf in den 20er und 30er Jahren eine Reihe von Kriegerdenkmälern, insbesondere mit Bezug auf die deutsche Kolonialherrschaft in Afrika. Aufgrund der fehlenden Darstellung des historischen Kontextes der Werke und Künstler im Rahmen der Ausstellung sowie der fehlenden kritischen Distanz zum Mythos der "heroischen" und "friedlichen" deutschen Kolonialherrschaft, veranstaltete die Antifa AG in Zusammenarbeit mit dem AStA am 20. April einen Informationsabend. Ein Gastreferent aus Hamburg referierte zum Thema "Vergangenheitspolitik und Verklärung" im Zusammenhang mit Künstlern und Propagandisten des deutschen Kolonialismus.

Im Anschluss des Vortrags gab es eine hitzige Diskussion unter anderem mit dem Ehepaar Kambartel ohne konstruktive Ansätze zu einer möglichen Umgestaltung der Ausstellung. Gerade aufgrund dieser demonstrativ uneinsichtigen Haltung sollte die Diskussionsveranstaltung in der Uni-Bibliothek noch einmal genutzt werden, um Kritik an der Ausstellung zu bekräftigen und einem anderen Publikum als dem des Informationsabend wahrnehmbar zu machen. Die Absicht der AustellungsmacherInnen dagegen war es, einen Expertenaustausch mit KunsthistorikerInnen zu führen. Dieser Strategie der Abwehr jeglicher Kritik "von außerhalb" sollte das Argument entgegengesetzt werden, dass Kunst niemals außerhalb ihres historischen, sozialen und politischen Kontext betrachtet werden kann und deshalb auch Künstlerbiographien lückenlos dargestellt werden sollten. Zudem ist festzuhalten, dass eine öffentliche Ausstellung in der Universitätsbibliothek allen Studierenden aller Fachbereiche zugänglich ist, so dass die bequeme Position, nur mit Leuten sprechen zu wollen, die "Ahnung vom Thema" hätten, nicht akzeptiert werden kann.

Die Ausstellung

Vor der Diskussionsveranstaltung wurde ein Informationsflyer mit dem Titel "Töpferkitsch und Massenmord" ausgegeben, der auch diejenigen Studierenden und Universitätsangehörigen aufrütteln sollte, welche die Ausstellung noch nicht gesehen hatten. Der Titel des Flyers sollte neben einer angebrachten Infragestellung des ästhetischen Verständnisses der AusstellungsmacherInnen vor allem ein Protest gegen die Provokation einer unkommentierten Ausstellung von Propagandawerken der deutschen Kolonialzeit sein. Anstoß beim Ehepaar Kambartel aber erregt nur die Bezeichnung "Töpferkitsch", die Aufarbeitung der blutigen Vergangenheit ihrer ausgestellten Künstler und ihrer Werke erscheint ihnen überflüssig.

Eine Beschreibung der mittlerweile geschlossenen Ausstellung konzentriert sich hier auf den hinteren Bereich, der die augenfällig kritikwürdigsten Exponate zeigte. Der einschlägig bekannte Künstler Walter von Ruckteschell ist hier mit zwei Figurengruppen vertreten, die den Mut und die Aufopferung deutscher Soldaten im sinnlosen Kampf um "Deutsch-Ostafrika" heroisieren. In diesem Krieg der deutschen "Schutztruppen" ließen über eine halbe Million Afrikaner ihr Leben, für sie gab und gibt es damals wie heute keine Denkmäler und kein Gedenken. Ruckteschell war damals als Adjutant des Generals Paul von Lettow-Vorbeck wesentlich am Krieg beteiligt.

Die blutige Gewaltherrschaft Lettow-Vorbecks in afrikanischen und asiatischen Kolonien wird in Deutschland immer noch relativiert und verdrängt. Diese Ausstellung trägt mit dazu bei, indem sie seine Bücher "Heia Safari" und "Erinnerungen aus Deutsch-Ostafrika", die Ruckteschell illustrierte und mitschrieb, unkommentiert in eine Vitrine neben die Kriegerdenkmäler stellt. Die beiden Werke des Generals Lettow-Vorbeck aber verdienen zumindest den Kommentar, dass sie die Grausamkeiten der deutschen Kolonialherrschaft nicht nur verschweigen, sondern den Mythos des treuen Eingeborenen erzeugt, der sich freiwillig unter deutsche Herrschaft stellt. Dieser Mythos ist bis heute verbreitet, da immer noch eine kritische Aufarbeitung fehlt. Beinahe unnötig zu erwähnen, dass die Universitätsbibliothek Bielefeld gleich vier Exemplare des Machwerks "Heia Safari" zur Ausleihe bereitstellt. Der zentrale Punkt der Kritik an den AusstellungsmacherInnen ist also die gänzlich fehlende Kommentierung und Einbettung der Kolonialpropaganda-Werke.

Ebenfalls auffallend ist die Beschönigung der Biographien vor allem der männlichen Künstler, indem ihre Aktivitäten während der Zeit des Nationalsozialismus einfach ausgelassen werden. Ruckteschell etwa, durch und durch Soldat, wollte sich in fortgeschrittenem Alter während des zweiten Weltkriegs tatsächlich noch am Rommel-Feldzug in Afrika beteiligen und starb auf dem Weg dorthin, als sein Schiff kenterte. Solche und andere Leerstellen in Biographien sollte sich kein/e seriöse/r AusstellungsmacherIn erlauben. Kritikwürdig ist außerdem die Konzentrierung auf legalisierte Ehepaare und der Ausschluss von Einzelpersonen und Liebespaaren von einer Betrachtung der Debschitz-Schule. Dessen unzweifelhaft progressive Ansätze vor allem für die künstlerischen Möglichkeiten von Frauen werden durch diesen konservativen Blickwinkel nicht herausgestellt. Im Gegenteil erscheinen die Frauen hier als Anhängsel ihrer berühmteren Ehemänner. Auch mit einem begrenzten Budget und räumlichen Möglichkeiten, auf die die AustellerInnen mehrfach hinwiesen, muss eine Ausstellung möglich sein, die sich auch kritisch mit ausgestellten Werken und Entwicklungen der Künstler beschäftigt.

Bericht von der Diskussionsveranstaltung

In der Diskussionsveranstaltung wurden alle dieser angeführten Kritikpunkte pauschal als "pauschal" bezeichnet. Der Vorwurf, keine Ahnung von der Materie und sich überhaupt nicht mit der Ausstellung befasst zu haben, lag seitens der AusstellungsmacherInnen und anwesender Kirchenvertreter sowie der Familie eines ausgestellten Künstlers ständig im Raum.Frau Kambartel erwähnte oft, dass eine Führung durch die Ausstellung nötig gewesen wäre um diese ansatzweise verstehen zu können. Das Argument, dass ausgestellte Exponate auch ohne Führung dem Betrachter einen Zugang bieten müssen, wurde verworfen. Museumspädagogisch-didaktische Überlegungen können aber nicht bedeuten, die/den BesucherIn an die Hand zu nehmen und ihr/ihm jedes Detail zu erklären, noch jegliche kritische Bezüge zu äußerst heiklen Werken und Künstlerbiographien einfach auszusparen.

Die Verantwortung für einen kritisch-rationalen Umgang mit ausgestellten Exponaten wurde nicht nur abgelehnt, es zeigte sich auch ein fast liebevoll zu nennender, in jedem Fall aber verklärender Bezug zur "Herrenmenschen- ästhetik" der Ruckteschellschen Kriegerdenkmäler. Diese verstaubten übrigens bis dahin zu Recht in einer unzugänglichen Ecke der Altstädter Nicolaikirche. Die in diesem Fall besonders unmöglich zu trennende Vermischung von Politik und Kunst wurde nicht nur geleugnet, es trat während der Diskussion auch ein Geschichtsrelativismus zu Tage, der besonders diejenigen Beteiligten, denen an einer kritischen Aufarbeitung deutscher Geschichte viel liegt, schockierte. Verbrechen der deutschen Kolonialgeschichte sollten demnach hingenommen werden, da sie damals "normal" waren. Natürlich stimmt dies erstens so nicht, es gab damals schon Proteste gegen die Unmenschlichkeit deutscher Gewaltherrschaft in den Kolonien und ist zweitens eine beliebte Argumentationsstruktur von Neonazis wie "Ewiggestrigen", die in einer ernstzunehmenden Diskussion in der Universität nichts verloren hat.

Besonders erschreckend waren noch die sicherlich nicht zufällig aufkommenden, weinerlichen "Mein Opa war kein Nazi" - Äußerungen, welche die Künstler der Ausstellung als Patrioten aus "Liebe zum Vaterland, die ja auch unabhängig vom Regime möglich ist" würdigte. Die Ausstellungs- macherInnen und ihre SympathisantInnen blieben bis zum Ende unnachgiebig bei ihren unakzeptablen Standpunkten. Ein konstruktiver Umgang mit der vorgebrachten Kritik für etwaige zukünftige Ausstellungen etwa ist nicht zu erwarten.

Forderungen

Eine Ausstellung mit Töpferwaren der Debschitz-Schule zu zeigen ist eine Sache, Künstler zu ehren, die sich mit ihren Werken in den Dienst einer menschenverachtenden Ideologie stellten eine andere. Wir fordern daher nicht nur die AusstellungsmacherInnen weiterhin auf, sich endlich ihrer Verantwortung zu stellen, die sie während der gesamten Zeit der Ausstellung ignorierten. Auch der kirchliche Vorstand der Altstädter Nicolaikirche soll hiermit aufgefordert werden, das Vorhandensein von heroisierenden Kriegsdenkmälern in der Kirche kritisch zu hinterfragen.

Besonders wollen wir die Verantwortlichen der Universitätsbibliothek auffordern, in Zukunft die Ausstellungen, die immerhin in ihrem Bereich stattfinden, genauer zu betrachten und Kritik ernst zu nehmen. Wie kann es sein dass eine geplante Ausstellung der Antifa AG mit Bildern und Texten zu Protesten zum G8-Gipfel in Genua als "zu politisch" abgelehnt wurde, aber Kunstwerke eines völkischen und rassistischen Menschenbildes ohne Probleme ausgestellt werden?

Die Ausstellung soll für Studierende gedacht sein? Wieso haben Studierende dann keinerlei Einfluss auf ihre Gestaltung? Wenn selbst schwerwiegende Kritikpunkte an aktuellen Ausstellungen konsequent ignoriert werden, so ist dies eine Praxis, die dringend überprüft werden sollte. Studierende sind die NutzerInnen der Universität und bilden die übergroße Mehrzahl der in ihr lebenden und arbeitenden Menschen, daher sollten sie auch mehr Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Gestaltung dieses Raums haben. (Der Ausschluss der tatsächlichen NutzerInnen von der Gestaltung des öffentlichen Raums "Universität" zeigt sich auch in der fortschreitenden Kommerzialisierung vor allem von Uni-Parties). Ein wichtiger Schritt zur Beteiligung von Studierenden ist die Öffnung des Ausstellungsraums und die Vergrößerung des interaktiven Spielraums und konstruktiven Kritik, um Platz zur Auseinandersetzung zu schaffen, die eine Ausstellung in einer Universitätsbibliothek doch idealerweise bieten sollte.


webteam@ag.antifa.net

zurück